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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Unpolitische Briefe aus Wien.

Donnerstag siel im November 1816 auf den 6. Auch für Goethe, der am
22. März gestorben, fand die Trauerloge erst am 9. November statt. Eine
genauere Bestimmung wird sich vielleicht zufällig ergeben. Ich finde nichts
darüber berichtet.




Unpolitische Briefe aus Wien.
Die Malerei.

0 wie das alte Österreich seine ganz bestimmte charakteristische
Scholle Literatur besaß, so konnte es sich mich einer eignen Maler-
schule rühmen. Aber was wir früher einmal in Bezug auf unsre
vaterländische Poesie sagen mußten, das gilt auch hier: die Tradi¬
tionen dieser alten Schule sind schier dahin, unsre Maler von
heute knüpfen fast niemals auch nur lose an dieselben an, sie sind in die Fremde
gegangen, haben dort eine fremde Bildung, eine fremde Technik, fremde Ideale
aufgenommen, und wenn sie auch wieder heimgekehrt sind, in ihren Schöpfungen
finden wir nur selten einen Zug, der an ihre ersten Lehrer und Muster er¬
innert, an die Kunstwelt mahnt, in der sie doch aufgewachsen sind und von der
ihre Jugendzeit umgeben war.

Wir konnten darauf verweisen, daß in der Literaturperiode, die ungefähr
mit 1780 anhebt und mit dem Sturmjahre 1848 ihr Ende fand, vor allem
eine Richtung auf das Politisch-Patriotische bedeutend hervortritt: wir nannte"
den ältern Collin und Grillparzer, von denen der eine am Beginn, der andre
am Ausgang der Periode steht. In der ältern österreichischen Malerei ist eine
solche Tendenz nicht so stark ausgeprägt; indes sind doch Dcmhausers Szenen aus
Pyrkers "Rudolfias." 1826 in Wien ausgestellt, und die Kraftschen Landwehr¬
bilder -- Reflexe von Anno Neun und den Befreiungskriegen --, endlich auch
Wurzingers Ferdinand der Zweite künstlerisch hervorragende Produkte einer solchen
Tendenz. Religiöse Motive finden wir während der ersten Jahrzehnte des Jahr¬
hunderts in der Malerei ebenso selten in bedeutender Weise verwendet wie in
der Poesie, wohl eine Folge und Nachwirkung der josephinischen Zeit. Aber
dann erhob sich ein starkes Talent, das sich ganz in den Dienst der Religion,
ja des strenggläubigen Kirchentums stellte: Josef von Führich. In idealer Dar¬
stellung von Sage und Geschichte glänzte damals Karl Rahl, der erst 1865 ge-


Grenzboten HI. 1835. 72
Unpolitische Briefe aus Wien.

Donnerstag siel im November 1816 auf den 6. Auch für Goethe, der am
22. März gestorben, fand die Trauerloge erst am 9. November statt. Eine
genauere Bestimmung wird sich vielleicht zufällig ergeben. Ich finde nichts
darüber berichtet.




Unpolitische Briefe aus Wien.
Die Malerei.

0 wie das alte Österreich seine ganz bestimmte charakteristische
Scholle Literatur besaß, so konnte es sich mich einer eignen Maler-
schule rühmen. Aber was wir früher einmal in Bezug auf unsre
vaterländische Poesie sagen mußten, das gilt auch hier: die Tradi¬
tionen dieser alten Schule sind schier dahin, unsre Maler von
heute knüpfen fast niemals auch nur lose an dieselben an, sie sind in die Fremde
gegangen, haben dort eine fremde Bildung, eine fremde Technik, fremde Ideale
aufgenommen, und wenn sie auch wieder heimgekehrt sind, in ihren Schöpfungen
finden wir nur selten einen Zug, der an ihre ersten Lehrer und Muster er¬
innert, an die Kunstwelt mahnt, in der sie doch aufgewachsen sind und von der
ihre Jugendzeit umgeben war.

Wir konnten darauf verweisen, daß in der Literaturperiode, die ungefähr
mit 1780 anhebt und mit dem Sturmjahre 1848 ihr Ende fand, vor allem
eine Richtung auf das Politisch-Patriotische bedeutend hervortritt: wir nannte»
den ältern Collin und Grillparzer, von denen der eine am Beginn, der andre
am Ausgang der Periode steht. In der ältern österreichischen Malerei ist eine
solche Tendenz nicht so stark ausgeprägt; indes sind doch Dcmhausers Szenen aus
Pyrkers „Rudolfias." 1826 in Wien ausgestellt, und die Kraftschen Landwehr¬
bilder — Reflexe von Anno Neun und den Befreiungskriegen —, endlich auch
Wurzingers Ferdinand der Zweite künstlerisch hervorragende Produkte einer solchen
Tendenz. Religiöse Motive finden wir während der ersten Jahrzehnte des Jahr¬
hunderts in der Malerei ebenso selten in bedeutender Weise verwendet wie in
der Poesie, wohl eine Folge und Nachwirkung der josephinischen Zeit. Aber
dann erhob sich ein starkes Talent, das sich ganz in den Dienst der Religion,
ja des strenggläubigen Kirchentums stellte: Josef von Führich. In idealer Dar¬
stellung von Sage und Geschichte glänzte damals Karl Rahl, der erst 1865 ge-


Grenzboten HI. 1835. 72
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[0577] Unpolitische Briefe aus Wien. Donnerstag siel im November 1816 auf den 6. Auch für Goethe, der am 22. März gestorben, fand die Trauerloge erst am 9. November statt. Eine genauere Bestimmung wird sich vielleicht zufällig ergeben. Ich finde nichts darüber berichtet. Unpolitische Briefe aus Wien. Die Malerei. 0 wie das alte Österreich seine ganz bestimmte charakteristische Scholle Literatur besaß, so konnte es sich mich einer eignen Maler- schule rühmen. Aber was wir früher einmal in Bezug auf unsre vaterländische Poesie sagen mußten, das gilt auch hier: die Tradi¬ tionen dieser alten Schule sind schier dahin, unsre Maler von heute knüpfen fast niemals auch nur lose an dieselben an, sie sind in die Fremde gegangen, haben dort eine fremde Bildung, eine fremde Technik, fremde Ideale aufgenommen, und wenn sie auch wieder heimgekehrt sind, in ihren Schöpfungen finden wir nur selten einen Zug, der an ihre ersten Lehrer und Muster er¬ innert, an die Kunstwelt mahnt, in der sie doch aufgewachsen sind und von der ihre Jugendzeit umgeben war. Wir konnten darauf verweisen, daß in der Literaturperiode, die ungefähr mit 1780 anhebt und mit dem Sturmjahre 1848 ihr Ende fand, vor allem eine Richtung auf das Politisch-Patriotische bedeutend hervortritt: wir nannte» den ältern Collin und Grillparzer, von denen der eine am Beginn, der andre am Ausgang der Periode steht. In der ältern österreichischen Malerei ist eine solche Tendenz nicht so stark ausgeprägt; indes sind doch Dcmhausers Szenen aus Pyrkers „Rudolfias." 1826 in Wien ausgestellt, und die Kraftschen Landwehr¬ bilder — Reflexe von Anno Neun und den Befreiungskriegen —, endlich auch Wurzingers Ferdinand der Zweite künstlerisch hervorragende Produkte einer solchen Tendenz. Religiöse Motive finden wir während der ersten Jahrzehnte des Jahr¬ hunderts in der Malerei ebenso selten in bedeutender Weise verwendet wie in der Poesie, wohl eine Folge und Nachwirkung der josephinischen Zeit. Aber dann erhob sich ein starkes Talent, das sich ganz in den Dienst der Religion, ja des strenggläubigen Kirchentums stellte: Josef von Führich. In idealer Dar¬ stellung von Sage und Geschichte glänzte damals Karl Rahl, der erst 1865 ge- Grenzboten HI. 1835. 72

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/577>, abgerufen am 30.04.2024.