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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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sich wenig Zwang in der Benutzung von Fremdwörtern angethan und ist bis¬
weilen im Aufbau der Sätze zu einer schwindelerregenden Höhe und Länge ge¬
langt, ganz abgesehen von wirklichen Sprachschnitzern!




Der Notstand des Privatkapitals.
(Schluss

es glaube genügend dargethan zu haben, daß das Großkapital
nicht wie das Privatkapital aus Arbeit entsteht, sondern durch
Spekulation; auch wurde bereits gezeigt, daß es nicht auf An¬
lage und Zinsgcnnß ausgeht, sondern daß es im Gegenteil jede
feste Anlage vermeidet und nicht Zinsen, sondern Kapitnl-
gcwinn, Profit erstrebt. In letzterer Beziehung sollen noch einige Bemerkungen
folgen.

Wie es einem Viehhändler vollkommen gleich ist, ob er um einen Gaul
oder um eine Kuh handle, so dem Bankier, ob das Papier, welches er emittirt,
3 oder 6 Prozent trage. Sein Geschäft kann flott gehen, ob der Zinsfuß hoch
oder niedrig sei, so gut wie der Viehhändler mit fetten wie mit magern Kühen
verdienen kann.

Wie flott das Geschäft in den letzten Jahren bei fortwährend sinkendem
Zinsfuße gegangen ist, zeigen die ausgedehnten Zinsrednktionen von 5> auf 4^
Prozent und dann von 4^ uns 4 Prozent. Solche Reduktion des Zinsfußes,
technisch Konversion genannt, vollzieht sich in der Weise, daß der Schuldner
(Staat, Gemeinde, Aktiengesellschaft) das Ankleben kündigt und den Obligations¬
inhabern, jedem einzeln, die Wahl stellt, sich entweder die Herabsetzung des
Zinses einfach gefallen zu lassen oder die Rückzahlung des Kapitals anzunehmen.
Dieses Vorgehen ist aber mit der Gefahr verbunden, daß ein ansehnlicher Teil
der Obligationsinhaber aus irgendwelche" Gründen die Rückzahlung vorzieht,
in welchem Falle der Anlehensschuldner in Verlegenheit geraten würde, weil er
die dafür erforderlichen Baarmittel, deren Größe sich überdies einer sichern
Berechnung entzieht, nicht vorrätig hat. Diese Gefahr übernimmt nun der
Bankier gegen Provision, indem er sich verpflichtet, diejenigen Obligations¬
inhaber, welche Rückzahlung verlangen, aus eignen Mitteln zu befriedigen, deren
Obligationen zu übernehmen und zur Konversion einzuliefern. Nun ist es ein¬
leuchtend, daß sich die übernommene Gefahr für den Bankier in demselben


sich wenig Zwang in der Benutzung von Fremdwörtern angethan und ist bis¬
weilen im Aufbau der Sätze zu einer schwindelerregenden Höhe und Länge ge¬
langt, ganz abgesehen von wirklichen Sprachschnitzern!




Der Notstand des Privatkapitals.
(Schluss

es glaube genügend dargethan zu haben, daß das Großkapital
nicht wie das Privatkapital aus Arbeit entsteht, sondern durch
Spekulation; auch wurde bereits gezeigt, daß es nicht auf An¬
lage und Zinsgcnnß ausgeht, sondern daß es im Gegenteil jede
feste Anlage vermeidet und nicht Zinsen, sondern Kapitnl-
gcwinn, Profit erstrebt. In letzterer Beziehung sollen noch einige Bemerkungen
folgen.

Wie es einem Viehhändler vollkommen gleich ist, ob er um einen Gaul
oder um eine Kuh handle, so dem Bankier, ob das Papier, welches er emittirt,
3 oder 6 Prozent trage. Sein Geschäft kann flott gehen, ob der Zinsfuß hoch
oder niedrig sei, so gut wie der Viehhändler mit fetten wie mit magern Kühen
verdienen kann.

Wie flott das Geschäft in den letzten Jahren bei fortwährend sinkendem
Zinsfuße gegangen ist, zeigen die ausgedehnten Zinsrednktionen von 5> auf 4^
Prozent und dann von 4^ uns 4 Prozent. Solche Reduktion des Zinsfußes,
technisch Konversion genannt, vollzieht sich in der Weise, daß der Schuldner
(Staat, Gemeinde, Aktiengesellschaft) das Ankleben kündigt und den Obligations¬
inhabern, jedem einzeln, die Wahl stellt, sich entweder die Herabsetzung des
Zinses einfach gefallen zu lassen oder die Rückzahlung des Kapitals anzunehmen.
Dieses Vorgehen ist aber mit der Gefahr verbunden, daß ein ansehnlicher Teil
der Obligationsinhaber aus irgendwelche» Gründen die Rückzahlung vorzieht,
in welchem Falle der Anlehensschuldner in Verlegenheit geraten würde, weil er
die dafür erforderlichen Baarmittel, deren Größe sich überdies einer sichern
Berechnung entzieht, nicht vorrätig hat. Diese Gefahr übernimmt nun der
Bankier gegen Provision, indem er sich verpflichtet, diejenigen Obligations¬
inhaber, welche Rückzahlung verlangen, aus eignen Mitteln zu befriedigen, deren
Obligationen zu übernehmen und zur Konversion einzuliefern. Nun ist es ein¬
leuchtend, daß sich die übernommene Gefahr für den Bankier in demselben


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[0592] sich wenig Zwang in der Benutzung von Fremdwörtern angethan und ist bis¬ weilen im Aufbau der Sätze zu einer schwindelerregenden Höhe und Länge ge¬ langt, ganz abgesehen von wirklichen Sprachschnitzern! Der Notstand des Privatkapitals. (Schluss es glaube genügend dargethan zu haben, daß das Großkapital nicht wie das Privatkapital aus Arbeit entsteht, sondern durch Spekulation; auch wurde bereits gezeigt, daß es nicht auf An¬ lage und Zinsgcnnß ausgeht, sondern daß es im Gegenteil jede feste Anlage vermeidet und nicht Zinsen, sondern Kapitnl- gcwinn, Profit erstrebt. In letzterer Beziehung sollen noch einige Bemerkungen folgen. Wie es einem Viehhändler vollkommen gleich ist, ob er um einen Gaul oder um eine Kuh handle, so dem Bankier, ob das Papier, welches er emittirt, 3 oder 6 Prozent trage. Sein Geschäft kann flott gehen, ob der Zinsfuß hoch oder niedrig sei, so gut wie der Viehhändler mit fetten wie mit magern Kühen verdienen kann. Wie flott das Geschäft in den letzten Jahren bei fortwährend sinkendem Zinsfuße gegangen ist, zeigen die ausgedehnten Zinsrednktionen von 5> auf 4^ Prozent und dann von 4^ uns 4 Prozent. Solche Reduktion des Zinsfußes, technisch Konversion genannt, vollzieht sich in der Weise, daß der Schuldner (Staat, Gemeinde, Aktiengesellschaft) das Ankleben kündigt und den Obligations¬ inhabern, jedem einzeln, die Wahl stellt, sich entweder die Herabsetzung des Zinses einfach gefallen zu lassen oder die Rückzahlung des Kapitals anzunehmen. Dieses Vorgehen ist aber mit der Gefahr verbunden, daß ein ansehnlicher Teil der Obligationsinhaber aus irgendwelche» Gründen die Rückzahlung vorzieht, in welchem Falle der Anlehensschuldner in Verlegenheit geraten würde, weil er die dafür erforderlichen Baarmittel, deren Größe sich überdies einer sichern Berechnung entzieht, nicht vorrätig hat. Diese Gefahr übernimmt nun der Bankier gegen Provision, indem er sich verpflichtet, diejenigen Obligations¬ inhaber, welche Rückzahlung verlangen, aus eignen Mitteln zu befriedigen, deren Obligationen zu übernehmen und zur Konversion einzuliefern. Nun ist es ein¬ leuchtend, daß sich die übernommene Gefahr für den Bankier in demselben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/592>, abgerufen am 30.04.2024.