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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Dilettantismus und Berufsschriftstellertum.

ihre ästhetische Bedeutung kennen zu lernen und demgemäß ihr Schaffen zu ge¬
stalten. Freilich wird ihm die Leistungsfähigkeit der Maschine Schranken auf¬
erlegen; aber der rechte Künstler wird gerade in diesen Schranken wieder neue >
Quellen für die Ausbildung der Formensprache zu finden wissen, gerade hierin
wird er beweisen, daß er Künstler ist. Eins aber wird auf diesem Wege immer
verloren gehen: der unmittelbare Ausdruck der Persönlichkeit. Da bleibt denn
nur zu hoffen, daß neben der Mehrzahl der Minderbemittelten, welche ihr ästhe¬
tisches Bedürfnis mit den Maschinenprodukten des Kunstgewerbes befriedigen
muß, es Wohlhabende genug gebe, welche mit den Mitteln auch das Bedürfnis
besitzen, unmittelbar vom Künstler selbst Geschaffenes nicht bloß auf dem Gebiete
der Kunst im engern Sinne, sondern auch auf dem weitem Knnstgebiete, auf
dem des Kunstgewerbes zu verstehen und zu begehren; wo zwischen Erfindung
und Ausführung die Hand allein thätig ist, kann sich auch in der kunstgewerb¬
lichen Schöpfung jenes Leben zeigen, welches als das Ergebnis einer erhöhten
Stimmung der auf- und abwogenden menschlichen Seele vou Herz zu Herzen
spricht. Eine solche Sprache wird aber nur da eintreten können, wo außer der
Natur der Form auch die Natur des Stoffes erkannt und damit ein Grund-
problem des Kunstgewerbes verstanden wird, die Frage, wie beide in ein rich¬
tiges, das im einzelnen Falle erstrebte Ziel erreichendes Verhältnis zu treten
vermögen.




Dilettantismus und Berufsschriftstellertum.
Von Fritz Koegol.

err Professor Joseph Kürschner will gegen den literarischen Di¬
lettantismus zu Felde ziehen. Er hat die Preisfrage gestellt,
wie am besten dem überhandnehmenden Dilettantismus in der
Literatur zu steuern sei, und verlangt, daß die Arbeit den Dilet¬
tantismus knapp, aber scharf charakterisire, seine Schäden für das
Ansehen der Literatur und die "Interessen der Berufsschriftstcller" darlege und
praktische Vorschläge zu seiner "Unschädlichmachung" (!) angebe.

Diese schriftstellerische Preisfrage kommt mir recht dilettantisch vor. Preis¬
fragen haben zwar von altersher das Vorrecht, ein bischen verkehrt zu sein,
von diesem Rechte aber macht die vorliegende Frage doch einen zu ausgedehnten
Gebrauch. Man kann nicht anders: wenn man sie behandeln will, muß man
ihr auf den Leib rücken.


Dilettantismus und Berufsschriftstellertum.

ihre ästhetische Bedeutung kennen zu lernen und demgemäß ihr Schaffen zu ge¬
stalten. Freilich wird ihm die Leistungsfähigkeit der Maschine Schranken auf¬
erlegen; aber der rechte Künstler wird gerade in diesen Schranken wieder neue >
Quellen für die Ausbildung der Formensprache zu finden wissen, gerade hierin
wird er beweisen, daß er Künstler ist. Eins aber wird auf diesem Wege immer
verloren gehen: der unmittelbare Ausdruck der Persönlichkeit. Da bleibt denn
nur zu hoffen, daß neben der Mehrzahl der Minderbemittelten, welche ihr ästhe¬
tisches Bedürfnis mit den Maschinenprodukten des Kunstgewerbes befriedigen
muß, es Wohlhabende genug gebe, welche mit den Mitteln auch das Bedürfnis
besitzen, unmittelbar vom Künstler selbst Geschaffenes nicht bloß auf dem Gebiete
der Kunst im engern Sinne, sondern auch auf dem weitem Knnstgebiete, auf
dem des Kunstgewerbes zu verstehen und zu begehren; wo zwischen Erfindung
und Ausführung die Hand allein thätig ist, kann sich auch in der kunstgewerb¬
lichen Schöpfung jenes Leben zeigen, welches als das Ergebnis einer erhöhten
Stimmung der auf- und abwogenden menschlichen Seele vou Herz zu Herzen
spricht. Eine solche Sprache wird aber nur da eintreten können, wo außer der
Natur der Form auch die Natur des Stoffes erkannt und damit ein Grund-
problem des Kunstgewerbes verstanden wird, die Frage, wie beide in ein rich¬
tiges, das im einzelnen Falle erstrebte Ziel erreichendes Verhältnis zu treten
vermögen.




Dilettantismus und Berufsschriftstellertum.
Von Fritz Koegol.

err Professor Joseph Kürschner will gegen den literarischen Di¬
lettantismus zu Felde ziehen. Er hat die Preisfrage gestellt,
wie am besten dem überhandnehmenden Dilettantismus in der
Literatur zu steuern sei, und verlangt, daß die Arbeit den Dilet¬
tantismus knapp, aber scharf charakterisire, seine Schäden für das
Ansehen der Literatur und die „Interessen der Berufsschriftstcller" darlege und
praktische Vorschläge zu seiner „Unschädlichmachung" (!) angebe.

Diese schriftstellerische Preisfrage kommt mir recht dilettantisch vor. Preis¬
fragen haben zwar von altersher das Vorrecht, ein bischen verkehrt zu sein,
von diesem Rechte aber macht die vorliegende Frage doch einen zu ausgedehnten
Gebrauch. Man kann nicht anders: wenn man sie behandeln will, muß man
ihr auf den Leib rücken.


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[0083] Dilettantismus und Berufsschriftstellertum. ihre ästhetische Bedeutung kennen zu lernen und demgemäß ihr Schaffen zu ge¬ stalten. Freilich wird ihm die Leistungsfähigkeit der Maschine Schranken auf¬ erlegen; aber der rechte Künstler wird gerade in diesen Schranken wieder neue > Quellen für die Ausbildung der Formensprache zu finden wissen, gerade hierin wird er beweisen, daß er Künstler ist. Eins aber wird auf diesem Wege immer verloren gehen: der unmittelbare Ausdruck der Persönlichkeit. Da bleibt denn nur zu hoffen, daß neben der Mehrzahl der Minderbemittelten, welche ihr ästhe¬ tisches Bedürfnis mit den Maschinenprodukten des Kunstgewerbes befriedigen muß, es Wohlhabende genug gebe, welche mit den Mitteln auch das Bedürfnis besitzen, unmittelbar vom Künstler selbst Geschaffenes nicht bloß auf dem Gebiete der Kunst im engern Sinne, sondern auch auf dem weitem Knnstgebiete, auf dem des Kunstgewerbes zu verstehen und zu begehren; wo zwischen Erfindung und Ausführung die Hand allein thätig ist, kann sich auch in der kunstgewerb¬ lichen Schöpfung jenes Leben zeigen, welches als das Ergebnis einer erhöhten Stimmung der auf- und abwogenden menschlichen Seele vou Herz zu Herzen spricht. Eine solche Sprache wird aber nur da eintreten können, wo außer der Natur der Form auch die Natur des Stoffes erkannt und damit ein Grund- problem des Kunstgewerbes verstanden wird, die Frage, wie beide in ein rich¬ tiges, das im einzelnen Falle erstrebte Ziel erreichendes Verhältnis zu treten vermögen. Dilettantismus und Berufsschriftstellertum. Von Fritz Koegol. err Professor Joseph Kürschner will gegen den literarischen Di¬ lettantismus zu Felde ziehen. Er hat die Preisfrage gestellt, wie am besten dem überhandnehmenden Dilettantismus in der Literatur zu steuern sei, und verlangt, daß die Arbeit den Dilet¬ tantismus knapp, aber scharf charakterisire, seine Schäden für das Ansehen der Literatur und die „Interessen der Berufsschriftstcller" darlege und praktische Vorschläge zu seiner „Unschädlichmachung" (!) angebe. Diese schriftstellerische Preisfrage kommt mir recht dilettantisch vor. Preis¬ fragen haben zwar von altersher das Vorrecht, ein bischen verkehrt zu sein, von diesem Rechte aber macht die vorliegende Frage doch einen zu ausgedehnten Gebrauch. Man kann nicht anders: wenn man sie behandeln will, muß man ihr auf den Leib rücken.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/83>, abgerufen am 30.04.2024.