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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Sommerfrische in Tirol.

zu häufen. Eine gewisse formale Geläufigkeit und die Kunst der leichten An-
empfindung lassen andre nicht vermissen, sie schreiben und schaffen flüssig und
gewandt, sie verstehen sich auf die kleinen Künste des koketten, effektvoller Aus-
putzcns; aber ihren Werkchen sehlt die anhaltende Kraft und die energische Tiefe
der wahren Kunstschöpfungen, die freilich ohne Versenkung und Konzentration
nicht erlangt wird. Die überwuchernde, täglich noch wachsende Presse zieht so
viele und oft so früh unwiderstehlich in die Berufsschriftstellcrei hinein, daß
es kein Wunder ist, wenn die meisten als Unberufene darin herumstümpcrn.
Wie der Pfuscherei dieser Verufsgenossen zu wehren wäre, hätte Herr Professor
Kürschner zuerst fragen sollen; die Frage ist dringender und für die Berufs-
interessen nützlicher, als ein Feldzug gegen die unzünftlerischen Dilettanten. Eine
mit praktischen Vorschlägen versehene Antwort auf eine solche Preisfrage würden
ihm freilich alle die schuldig bleiben, die mit ihm in möglichst festen, allumfas¬
senden, kameradschaftlichen Genvssenschaftsverbänden das Heil der künftigen
Literatur sehen.




Sommerfrische in Tirol.

in Kombinirbaren sind wieder da! -- so ruft wohl mancher aus
oder denkt es bei sich im stillen, wenn er das stattliche Heft des
Hauptvcrzeichnisses der kombinirbaren Nundreisebillete mit der
anschaulichen Karte vorgelegt bekommt (die gleich ganze Reisc-
linien andeutet), und mit verschiednen Empfindungen legt es jeder
aus der Hand. Wird er wohl Gebrauch davon machen können? wird Krankheit,
werden Familiensorgen es gestatten? wird der Beruf, das Geschäft eine längere
Unterbrechung ertragen? und l^t. not toast, -- wie steht es mit der Kasse?

Dergleichen Erwägungen beschäftigen jetzt, bei Beginn der heißen Jahres¬
zeit, tausende von Familienvätern, und die Hausfrauen nehmen nicht minder
warmen Anteil daran. Denn das Bedürfnis, einmal "aufzuspannen," ist ja -- soll
man sagen leider oder Gott sei Dank? -- ein immer allgemeineres geworden.
Gewiß ist mit der Zeit der Beruf immer anstrengender und verantwortungs¬
voller geworden. Man sollte denken, je mehr erfunden, je bequemer es dem Einzelnen
gemacht wird, seine Bedürfnisse zu befriedigen, je mehr für die Kultur geleistet
und gearbeitet wird, umsoweniger müßten diejenigen zu thun haben, welche
nicht in den einzelnen Fortschritten mitzuarbeiten gehabt haben und denen nun


Sommerfrische in Tirol.

zu häufen. Eine gewisse formale Geläufigkeit und die Kunst der leichten An-
empfindung lassen andre nicht vermissen, sie schreiben und schaffen flüssig und
gewandt, sie verstehen sich auf die kleinen Künste des koketten, effektvoller Aus-
putzcns; aber ihren Werkchen sehlt die anhaltende Kraft und die energische Tiefe
der wahren Kunstschöpfungen, die freilich ohne Versenkung und Konzentration
nicht erlangt wird. Die überwuchernde, täglich noch wachsende Presse zieht so
viele und oft so früh unwiderstehlich in die Berufsschriftstellcrei hinein, daß
es kein Wunder ist, wenn die meisten als Unberufene darin herumstümpcrn.
Wie der Pfuscherei dieser Verufsgenossen zu wehren wäre, hätte Herr Professor
Kürschner zuerst fragen sollen; die Frage ist dringender und für die Berufs-
interessen nützlicher, als ein Feldzug gegen die unzünftlerischen Dilettanten. Eine
mit praktischen Vorschlägen versehene Antwort auf eine solche Preisfrage würden
ihm freilich alle die schuldig bleiben, die mit ihm in möglichst festen, allumfas¬
senden, kameradschaftlichen Genvssenschaftsverbänden das Heil der künftigen
Literatur sehen.




Sommerfrische in Tirol.

in Kombinirbaren sind wieder da! — so ruft wohl mancher aus
oder denkt es bei sich im stillen, wenn er das stattliche Heft des
Hauptvcrzeichnisses der kombinirbaren Nundreisebillete mit der
anschaulichen Karte vorgelegt bekommt (die gleich ganze Reisc-
linien andeutet), und mit verschiednen Empfindungen legt es jeder
aus der Hand. Wird er wohl Gebrauch davon machen können? wird Krankheit,
werden Familiensorgen es gestatten? wird der Beruf, das Geschäft eine längere
Unterbrechung ertragen? und l^t. not toast, — wie steht es mit der Kasse?

Dergleichen Erwägungen beschäftigen jetzt, bei Beginn der heißen Jahres¬
zeit, tausende von Familienvätern, und die Hausfrauen nehmen nicht minder
warmen Anteil daran. Denn das Bedürfnis, einmal „aufzuspannen," ist ja — soll
man sagen leider oder Gott sei Dank? — ein immer allgemeineres geworden.
Gewiß ist mit der Zeit der Beruf immer anstrengender und verantwortungs¬
voller geworden. Man sollte denken, je mehr erfunden, je bequemer es dem Einzelnen
gemacht wird, seine Bedürfnisse zu befriedigen, je mehr für die Kultur geleistet
und gearbeitet wird, umsoweniger müßten diejenigen zu thun haben, welche
nicht in den einzelnen Fortschritten mitzuarbeiten gehabt haben und denen nun


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[0087] Sommerfrische in Tirol. zu häufen. Eine gewisse formale Geläufigkeit und die Kunst der leichten An- empfindung lassen andre nicht vermissen, sie schreiben und schaffen flüssig und gewandt, sie verstehen sich auf die kleinen Künste des koketten, effektvoller Aus- putzcns; aber ihren Werkchen sehlt die anhaltende Kraft und die energische Tiefe der wahren Kunstschöpfungen, die freilich ohne Versenkung und Konzentration nicht erlangt wird. Die überwuchernde, täglich noch wachsende Presse zieht so viele und oft so früh unwiderstehlich in die Berufsschriftstellcrei hinein, daß es kein Wunder ist, wenn die meisten als Unberufene darin herumstümpcrn. Wie der Pfuscherei dieser Verufsgenossen zu wehren wäre, hätte Herr Professor Kürschner zuerst fragen sollen; die Frage ist dringender und für die Berufs- interessen nützlicher, als ein Feldzug gegen die unzünftlerischen Dilettanten. Eine mit praktischen Vorschlägen versehene Antwort auf eine solche Preisfrage würden ihm freilich alle die schuldig bleiben, die mit ihm in möglichst festen, allumfas¬ senden, kameradschaftlichen Genvssenschaftsverbänden das Heil der künftigen Literatur sehen. Sommerfrische in Tirol. in Kombinirbaren sind wieder da! — so ruft wohl mancher aus oder denkt es bei sich im stillen, wenn er das stattliche Heft des Hauptvcrzeichnisses der kombinirbaren Nundreisebillete mit der anschaulichen Karte vorgelegt bekommt (die gleich ganze Reisc- linien andeutet), und mit verschiednen Empfindungen legt es jeder aus der Hand. Wird er wohl Gebrauch davon machen können? wird Krankheit, werden Familiensorgen es gestatten? wird der Beruf, das Geschäft eine längere Unterbrechung ertragen? und l^t. not toast, — wie steht es mit der Kasse? Dergleichen Erwägungen beschäftigen jetzt, bei Beginn der heißen Jahres¬ zeit, tausende von Familienvätern, und die Hausfrauen nehmen nicht minder warmen Anteil daran. Denn das Bedürfnis, einmal „aufzuspannen," ist ja — soll man sagen leider oder Gott sei Dank? — ein immer allgemeineres geworden. Gewiß ist mit der Zeit der Beruf immer anstrengender und verantwortungs¬ voller geworden. Man sollte denken, je mehr erfunden, je bequemer es dem Einzelnen gemacht wird, seine Bedürfnisse zu befriedigen, je mehr für die Kultur geleistet und gearbeitet wird, umsoweniger müßten diejenigen zu thun haben, welche nicht in den einzelnen Fortschritten mitzuarbeiten gehabt haben und denen nun

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/87>, abgerufen am 30.04.2024.