Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite


Um eine Aerle.
Robert Maldmüller (Gd. Duboc). Roman von Kovtsctzung.)
Vierunddreißigstes Aapitel.

ntonio Maria stand wie geistesabwesend in seinem Stäbchen
am, öffnen Fenster; aber obschon er ans den Springbrunnen und
die scheu nach allen Seiten ans- und davonfliegenden Tauben zu
blicken schien, sah er doch weder sie noch die Jrisfarben des
von der Sonne durchleuchteten Wasserstandes, noch hörte er
das Zwitschern der Meisen, Finten und Hänflinge; selbst die Evvivas in der
Ferne vernahm er nicht, so deutlich er sie auch vorhin während seiner Unter¬
redung mit dem Herzoge vernommen hatte.

Er war wie taub und blind, nur die wenigen letzten Worte des Herzogs
hörte er unablässig, unablässig, unablässig, und dazu schwebte ihm beständig das
verstöpselte Mischehen mit dem weißen Pulver vor, das grauselige Fläschchen,
das ihm der Herzog mit halbgeschlossenen Augen in die Hand gedrückt hatte.

Es stand auf dem runden Tische in der Mitte des Stnbchens. "Daneben
lag ein abgegriffener Traktat, der aus der Handbibliothek seines ehemaligen
Herrn, der Eminenz, stammte und im Gegensatze zu einigen Kommentatoren des
Petrus Lvmbardus auch schon den Mord im allgemeinen zu den Todsünden
rechnete.

Er wagte nicht, sich umzusehen.

Nie hatte Antonio Maria sein Gewissen mit einer Todsünde beschwert, und
wenn er auch bemüht gewesen war, in die Stelle Vitalianos zik rücken, so hatte
er sich doch die Gewandtheit zngctmnt, anch ans diesem Posten ohne die Be¬
gehung einer Todsünde durchzukommen; er würde ja, hatte er gedacht, gleich
Vitaliauo immer Leute, die schon eine schwerer entwirrbare Rechnung mit dem
Himmel hatten, zu seiner Verfügung haben, würde gleich dem Herzog zu einem




Um eine Aerle.
Robert Maldmüller (Gd. Duboc). Roman von Kovtsctzung.)
Vierunddreißigstes Aapitel.

ntonio Maria stand wie geistesabwesend in seinem Stäbchen
am, öffnen Fenster; aber obschon er ans den Springbrunnen und
die scheu nach allen Seiten ans- und davonfliegenden Tauben zu
blicken schien, sah er doch weder sie noch die Jrisfarben des
von der Sonne durchleuchteten Wasserstandes, noch hörte er
das Zwitschern der Meisen, Finten und Hänflinge; selbst die Evvivas in der
Ferne vernahm er nicht, so deutlich er sie auch vorhin während seiner Unter¬
redung mit dem Herzoge vernommen hatte.

Er war wie taub und blind, nur die wenigen letzten Worte des Herzogs
hörte er unablässig, unablässig, unablässig, und dazu schwebte ihm beständig das
verstöpselte Mischehen mit dem weißen Pulver vor, das grauselige Fläschchen,
das ihm der Herzog mit halbgeschlossenen Augen in die Hand gedrückt hatte.

Es stand auf dem runden Tische in der Mitte des Stnbchens. „Daneben
lag ein abgegriffener Traktat, der aus der Handbibliothek seines ehemaligen
Herrn, der Eminenz, stammte und im Gegensatze zu einigen Kommentatoren des
Petrus Lvmbardus auch schon den Mord im allgemeinen zu den Todsünden
rechnete.

Er wagte nicht, sich umzusehen.

Nie hatte Antonio Maria sein Gewissen mit einer Todsünde beschwert, und
wenn er auch bemüht gewesen war, in die Stelle Vitalianos zik rücken, so hatte
er sich doch die Gewandtheit zngctmnt, anch ans diesem Posten ohne die Be¬
gehung einer Todsünde durchzukommen; er würde ja, hatte er gedacht, gleich
Vitaliauo immer Leute, die schon eine schwerer entwirrbare Rechnung mit dem
Himmel hatten, zu seiner Verfügung haben, würde gleich dem Herzog zu einem


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0092" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196192"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341841_196099/figures/grenzboten_341841_196099_196192_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Um eine Aerle.<lb/><note type="byline"> Robert Maldmüller (Gd. Duboc).</note> Roman von Kovtsctzung.)</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> Vierunddreißigstes Aapitel.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_273"> ntonio Maria stand wie geistesabwesend in seinem Stäbchen<lb/>
am, öffnen Fenster; aber obschon er ans den Springbrunnen und<lb/>
die scheu nach allen Seiten ans- und davonfliegenden Tauben zu<lb/>
blicken schien, sah er doch weder sie noch die Jrisfarben des<lb/>
von der Sonne durchleuchteten Wasserstandes, noch hörte er<lb/>
das Zwitschern der Meisen, Finten und Hänflinge; selbst die Evvivas in der<lb/>
Ferne vernahm er nicht, so deutlich er sie auch vorhin während seiner Unter¬<lb/>
redung mit dem Herzoge vernommen hatte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_274"> Er war wie taub und blind, nur die wenigen letzten Worte des Herzogs<lb/>
hörte er unablässig, unablässig, unablässig, und dazu schwebte ihm beständig das<lb/>
verstöpselte Mischehen mit dem weißen Pulver vor, das grauselige Fläschchen,<lb/>
das ihm der Herzog mit halbgeschlossenen Augen in die Hand gedrückt hatte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_275"> Es stand auf dem runden Tische in der Mitte des Stnbchens. &#x201E;Daneben<lb/>
lag ein abgegriffener Traktat, der aus der Handbibliothek seines ehemaligen<lb/>
Herrn, der Eminenz, stammte und im Gegensatze zu einigen Kommentatoren des<lb/>
Petrus Lvmbardus auch schon den Mord im allgemeinen zu den Todsünden<lb/>
rechnete.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_276"> Er wagte nicht, sich umzusehen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_277" next="#ID_278"> Nie hatte Antonio Maria sein Gewissen mit einer Todsünde beschwert, und<lb/>
wenn er auch bemüht gewesen war, in die Stelle Vitalianos zik rücken, so hatte<lb/>
er sich doch die Gewandtheit zngctmnt, anch ans diesem Posten ohne die Be¬<lb/>
gehung einer Todsünde durchzukommen; er würde ja, hatte er gedacht, gleich<lb/>
Vitaliauo immer Leute, die schon eine schwerer entwirrbare Rechnung mit dem<lb/>
Himmel hatten, zu seiner Verfügung haben, würde gleich dem Herzog zu einem</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0092] [Abbildung] Um eine Aerle. Robert Maldmüller (Gd. Duboc). Roman von Kovtsctzung.) Vierunddreißigstes Aapitel. ntonio Maria stand wie geistesabwesend in seinem Stäbchen am, öffnen Fenster; aber obschon er ans den Springbrunnen und die scheu nach allen Seiten ans- und davonfliegenden Tauben zu blicken schien, sah er doch weder sie noch die Jrisfarben des von der Sonne durchleuchteten Wasserstandes, noch hörte er das Zwitschern der Meisen, Finten und Hänflinge; selbst die Evvivas in der Ferne vernahm er nicht, so deutlich er sie auch vorhin während seiner Unter¬ redung mit dem Herzoge vernommen hatte. Er war wie taub und blind, nur die wenigen letzten Worte des Herzogs hörte er unablässig, unablässig, unablässig, und dazu schwebte ihm beständig das verstöpselte Mischehen mit dem weißen Pulver vor, das grauselige Fläschchen, das ihm der Herzog mit halbgeschlossenen Augen in die Hand gedrückt hatte. Es stand auf dem runden Tische in der Mitte des Stnbchens. „Daneben lag ein abgegriffener Traktat, der aus der Handbibliothek seines ehemaligen Herrn, der Eminenz, stammte und im Gegensatze zu einigen Kommentatoren des Petrus Lvmbardus auch schon den Mord im allgemeinen zu den Todsünden rechnete. Er wagte nicht, sich umzusehen. Nie hatte Antonio Maria sein Gewissen mit einer Todsünde beschwert, und wenn er auch bemüht gewesen war, in die Stelle Vitalianos zik rücken, so hatte er sich doch die Gewandtheit zngctmnt, anch ans diesem Posten ohne die Be¬ gehung einer Todsünde durchzukommen; er würde ja, hatte er gedacht, gleich Vitaliauo immer Leute, die schon eine schwerer entwirrbare Rechnung mit dem Himmel hatten, zu seiner Verfügung haben, würde gleich dem Herzog zu einem

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/92
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/92>, abgerufen am 30.04.2024.