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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Die Engländer in Virma und im 5utan.

le Londoner Presse jubelt. Durch Erlaß des Vizeköuigs von
Indien ist das nach kurzem Feldzuge eroberte Oberbirma dem
britischen Reiche einverleibt worden. Es ist ein stattliches Nen-
jahrsgeschenk, welches Salisbury dem letztern damit gemacht hat,
^ anderseits hat er damit seine eigne Stellung vor den Parteien
verbessert, da es immer eine gute Empfehlung für einen Minister war, als
Mehrer oeö Reiches zu erscheinen. Es ist mit der Maßregel ein Land von
etwa 11 500 Quadratmeilen, auf denen viertehalb Millionen Menschen wohnen,
den asiatischen Besitzungen der Königin Viktoria angegliedert worden, und zu
gleicher Zeit hat man sich eines gefährlichen Konkurrenten an der Westgrenze
Chinas, des französischen Einflusses, entledigt und sich in den Besitz der wich¬
tigen Wasserstraße nach dem Lande der himmlischen Mitte gesetzt, welche der
Jrawaddy darbietet. Doch hat die Sache auch ihre Schattenseite. England
hat alle Ursache, in gutem Einvernehmen mit dem neuen Nachbar zu bleiben,
und dieser scheint Einspruch gegen die Einverleibung erheben zu wollen. Die
chinesische Regierung behauptet, der König von Birma sei ihr tributpflichtiger
Schützling gewesen, nud die Engländer werden sich wegen der darauf sich grün¬
denden Ansprüche mit ihr verständigen müssen, wenn sie sich hier nicht eine Feind¬
schaft erweckt haben wollen, welche unter Umständen gefährlich für sie werden
könnte. Ohne eine Befriedigung der Chinesen wird man zunächst -- erinnern wir
uns der Schwarzflaggen in Tonking -- schwerlich die räuberischen Dakoits, d?e
das eroberte Birma jetzt unsicher machen, niederwerfen und dauernd niederhalten
können, sodann aber die Pforten zu den neuen Absatzgebieten in China den eng¬
lischen Kaufleuten und Fabrikanten sich nicht öffnen sehen. Der Umsicht der
britischen Diplomatie dürfen wir indes zutrauen, daß sie den rechten Weg finden


Grenzboten I. 138". 13


Die Engländer in Virma und im 5utan.

le Londoner Presse jubelt. Durch Erlaß des Vizeköuigs von
Indien ist das nach kurzem Feldzuge eroberte Oberbirma dem
britischen Reiche einverleibt worden. Es ist ein stattliches Nen-
jahrsgeschenk, welches Salisbury dem letztern damit gemacht hat,
^ anderseits hat er damit seine eigne Stellung vor den Parteien
verbessert, da es immer eine gute Empfehlung für einen Minister war, als
Mehrer oeö Reiches zu erscheinen. Es ist mit der Maßregel ein Land von
etwa 11 500 Quadratmeilen, auf denen viertehalb Millionen Menschen wohnen,
den asiatischen Besitzungen der Königin Viktoria angegliedert worden, und zu
gleicher Zeit hat man sich eines gefährlichen Konkurrenten an der Westgrenze
Chinas, des französischen Einflusses, entledigt und sich in den Besitz der wich¬
tigen Wasserstraße nach dem Lande der himmlischen Mitte gesetzt, welche der
Jrawaddy darbietet. Doch hat die Sache auch ihre Schattenseite. England
hat alle Ursache, in gutem Einvernehmen mit dem neuen Nachbar zu bleiben,
und dieser scheint Einspruch gegen die Einverleibung erheben zu wollen. Die
chinesische Regierung behauptet, der König von Birma sei ihr tributpflichtiger
Schützling gewesen, nud die Engländer werden sich wegen der darauf sich grün¬
denden Ansprüche mit ihr verständigen müssen, wenn sie sich hier nicht eine Feind¬
schaft erweckt haben wollen, welche unter Umständen gefährlich für sie werden
könnte. Ohne eine Befriedigung der Chinesen wird man zunächst — erinnern wir
uns der Schwarzflaggen in Tonking — schwerlich die räuberischen Dakoits, d?e
das eroberte Birma jetzt unsicher machen, niederwerfen und dauernd niederhalten
können, sodann aber die Pforten zu den neuen Absatzgebieten in China den eng¬
lischen Kaufleuten und Fabrikanten sich nicht öffnen sehen. Der Umsicht der
britischen Diplomatie dürfen wir indes zutrauen, daß sie den rechten Weg finden


Grenzboten I. 138«. 13
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[0105] [Abbildung] Die Engländer in Virma und im 5utan. le Londoner Presse jubelt. Durch Erlaß des Vizeköuigs von Indien ist das nach kurzem Feldzuge eroberte Oberbirma dem britischen Reiche einverleibt worden. Es ist ein stattliches Nen- jahrsgeschenk, welches Salisbury dem letztern damit gemacht hat, ^ anderseits hat er damit seine eigne Stellung vor den Parteien verbessert, da es immer eine gute Empfehlung für einen Minister war, als Mehrer oeö Reiches zu erscheinen. Es ist mit der Maßregel ein Land von etwa 11 500 Quadratmeilen, auf denen viertehalb Millionen Menschen wohnen, den asiatischen Besitzungen der Königin Viktoria angegliedert worden, und zu gleicher Zeit hat man sich eines gefährlichen Konkurrenten an der Westgrenze Chinas, des französischen Einflusses, entledigt und sich in den Besitz der wich¬ tigen Wasserstraße nach dem Lande der himmlischen Mitte gesetzt, welche der Jrawaddy darbietet. Doch hat die Sache auch ihre Schattenseite. England hat alle Ursache, in gutem Einvernehmen mit dem neuen Nachbar zu bleiben, und dieser scheint Einspruch gegen die Einverleibung erheben zu wollen. Die chinesische Regierung behauptet, der König von Birma sei ihr tributpflichtiger Schützling gewesen, nud die Engländer werden sich wegen der darauf sich grün¬ denden Ansprüche mit ihr verständigen müssen, wenn sie sich hier nicht eine Feind¬ schaft erweckt haben wollen, welche unter Umständen gefährlich für sie werden könnte. Ohne eine Befriedigung der Chinesen wird man zunächst — erinnern wir uns der Schwarzflaggen in Tonking — schwerlich die räuberischen Dakoits, d?e das eroberte Birma jetzt unsicher machen, niederwerfen und dauernd niederhalten können, sodann aber die Pforten zu den neuen Absatzgebieten in China den eng¬ lischen Kaufleuten und Fabrikanten sich nicht öffnen sehen. Der Umsicht der britischen Diplomatie dürfen wir indes zutrauen, daß sie den rechten Weg finden Grenzboten I. 138«. 13

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/105>, abgerufen am 19.05.2024.