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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Ungehaltene Reden eines Nichtgewcihlten.

erstreckende Bedeutung einer Vorbildung, wie er sie erstrebt, aufmerksam macht.
"Diese Vorbildung, sagt er, wie sie hier gefordert wurde zu Nutz und Frommen
der Archäologie, in welcher Wissenschaft, ja in welcher Lebensstellung kann sie
überhaupt entbehrt werden? Zunächst alle naturwissenschaftlichen Disziplinen:
gehen sie nicht aus von der sichtbaren Gestalt des Steines, der Pflanze, des
Tieres? Und der angehende Mediziner, soll er sich nicht Rechenschaft geben
von der Gestalt eines Knochens, von dem Gefüge eines Muskelgebildes und
weiter von dem gesamten lebendigen Organismus? Nicht weniger ist aber auch
unser geistiges Wesen durch tausend Fäden mit der äußern Erscheinung, mit
seinen physischen Grundlagen verknüpft, sodaß, um nur eine Spitze wissenschaft¬
licher Entwicklung zu berühren, neben der Psychologie eine Psychophhsik Aner¬
kennung zu fordern begonnen hat. Also auch der Arzt am Krankenbett, der
Jurist als Richter, der Theologe als Seelsorger, alle müssen sie die Hilfe des
Auges in Anspruch nehmen und bedürfen daher der Übung im Sehen und
Beobachten. So wird die Schule, wenn sie der Pflege des Anschauungs-
vermögens eine erhöhte Sorgfalt widmet, nicht bloß mit der Wissenschaft,
sondern auch mit den verschiedensten Kreisen des Lebens nähere Fühlung ge¬
winnen."

Möchten diese Mahnungen des berühmten Gelehrten an der Stelle, an die
sie gerichtet sind, die Beachtung finden, welche sie verdienen.


Hugo Blümnev.


Ungehaltene Reden eines Nichtgewählten.
14.

es habe mir das Wort erbeten, um über das Branntweinmonopol
zu sprechen, ich brauche kaum hinzuzusetzen, daß das heißt: gegen.
Das Gesetz ist eine Regierungsvorlage, und dies genügt für einen
wahren Volksvertreter, es zu verwerfen. Allein ich habe nicht
nur diesen Grund, sondern noch so viele, daß die Aufzählung
aller mehr Zeit in Anspruch nehmen würde, als ich der hohen Versammlung
zu rauben gewohnt bin. Daher werde ich mich auf die wichtigsten Argumente
beschränken. Kaum jemals ist uns ein Gesetzentwurf vorgelegt worden, welcher
so schlagend den Beweis führte, daß das ganze Sinnen und Trachten der Ne-


Ungehaltene Reden eines Nichtgewcihlten.

erstreckende Bedeutung einer Vorbildung, wie er sie erstrebt, aufmerksam macht.
„Diese Vorbildung, sagt er, wie sie hier gefordert wurde zu Nutz und Frommen
der Archäologie, in welcher Wissenschaft, ja in welcher Lebensstellung kann sie
überhaupt entbehrt werden? Zunächst alle naturwissenschaftlichen Disziplinen:
gehen sie nicht aus von der sichtbaren Gestalt des Steines, der Pflanze, des
Tieres? Und der angehende Mediziner, soll er sich nicht Rechenschaft geben
von der Gestalt eines Knochens, von dem Gefüge eines Muskelgebildes und
weiter von dem gesamten lebendigen Organismus? Nicht weniger ist aber auch
unser geistiges Wesen durch tausend Fäden mit der äußern Erscheinung, mit
seinen physischen Grundlagen verknüpft, sodaß, um nur eine Spitze wissenschaft¬
licher Entwicklung zu berühren, neben der Psychologie eine Psychophhsik Aner¬
kennung zu fordern begonnen hat. Also auch der Arzt am Krankenbett, der
Jurist als Richter, der Theologe als Seelsorger, alle müssen sie die Hilfe des
Auges in Anspruch nehmen und bedürfen daher der Übung im Sehen und
Beobachten. So wird die Schule, wenn sie der Pflege des Anschauungs-
vermögens eine erhöhte Sorgfalt widmet, nicht bloß mit der Wissenschaft,
sondern auch mit den verschiedensten Kreisen des Lebens nähere Fühlung ge¬
winnen."

Möchten diese Mahnungen des berühmten Gelehrten an der Stelle, an die
sie gerichtet sind, die Beachtung finden, welche sie verdienen.


Hugo Blümnev.


Ungehaltene Reden eines Nichtgewählten.
14.

es habe mir das Wort erbeten, um über das Branntweinmonopol
zu sprechen, ich brauche kaum hinzuzusetzen, daß das heißt: gegen.
Das Gesetz ist eine Regierungsvorlage, und dies genügt für einen
wahren Volksvertreter, es zu verwerfen. Allein ich habe nicht
nur diesen Grund, sondern noch so viele, daß die Aufzählung
aller mehr Zeit in Anspruch nehmen würde, als ich der hohen Versammlung
zu rauben gewohnt bin. Daher werde ich mich auf die wichtigsten Argumente
beschränken. Kaum jemals ist uns ein Gesetzentwurf vorgelegt worden, welcher
so schlagend den Beweis führte, daß das ganze Sinnen und Trachten der Ne-


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[0186] Ungehaltene Reden eines Nichtgewcihlten. erstreckende Bedeutung einer Vorbildung, wie er sie erstrebt, aufmerksam macht. „Diese Vorbildung, sagt er, wie sie hier gefordert wurde zu Nutz und Frommen der Archäologie, in welcher Wissenschaft, ja in welcher Lebensstellung kann sie überhaupt entbehrt werden? Zunächst alle naturwissenschaftlichen Disziplinen: gehen sie nicht aus von der sichtbaren Gestalt des Steines, der Pflanze, des Tieres? Und der angehende Mediziner, soll er sich nicht Rechenschaft geben von der Gestalt eines Knochens, von dem Gefüge eines Muskelgebildes und weiter von dem gesamten lebendigen Organismus? Nicht weniger ist aber auch unser geistiges Wesen durch tausend Fäden mit der äußern Erscheinung, mit seinen physischen Grundlagen verknüpft, sodaß, um nur eine Spitze wissenschaft¬ licher Entwicklung zu berühren, neben der Psychologie eine Psychophhsik Aner¬ kennung zu fordern begonnen hat. Also auch der Arzt am Krankenbett, der Jurist als Richter, der Theologe als Seelsorger, alle müssen sie die Hilfe des Auges in Anspruch nehmen und bedürfen daher der Übung im Sehen und Beobachten. So wird die Schule, wenn sie der Pflege des Anschauungs- vermögens eine erhöhte Sorgfalt widmet, nicht bloß mit der Wissenschaft, sondern auch mit den verschiedensten Kreisen des Lebens nähere Fühlung ge¬ winnen." Möchten diese Mahnungen des berühmten Gelehrten an der Stelle, an die sie gerichtet sind, die Beachtung finden, welche sie verdienen. Hugo Blümnev. Ungehaltene Reden eines Nichtgewählten. 14. es habe mir das Wort erbeten, um über das Branntweinmonopol zu sprechen, ich brauche kaum hinzuzusetzen, daß das heißt: gegen. Das Gesetz ist eine Regierungsvorlage, und dies genügt für einen wahren Volksvertreter, es zu verwerfen. Allein ich habe nicht nur diesen Grund, sondern noch so viele, daß die Aufzählung aller mehr Zeit in Anspruch nehmen würde, als ich der hohen Versammlung zu rauben gewohnt bin. Daher werde ich mich auf die wichtigsten Argumente beschränken. Kaum jemals ist uns ein Gesetzentwurf vorgelegt worden, welcher so schlagend den Beweis führte, daß das ganze Sinnen und Trachten der Ne-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/186>, abgerufen am 19.05.2024.