Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Färbung der Marmorskulpinrcn.

Für diejenigen, welche aus dem vorliegenden Buche heraus persönlichen Anteil
an dein Schriftsteller gewinnen sollten, genügt es zu wissen, daß die zweite
Hälfte seines Lebens thätig und im ganzen glücklich verflossen ist, bis ihn im
H ^ ochsommer 1883 der Tod weiterem Wirken entraffte,




Die Färbung der Marmorskulpturen.
von Adolf Ro send erg.

is wir kürzlich an dieser Stelle bei einer Betrachtung des gegen¬
wärtigen Zustandes der deutschen Kunst zu dem unerfreulichen
Ergebnis gelangten, daß sich bei dem schnellen Wechsel der Mode
noch immer kein eigentümlicher Stil ausbilden will, bemerkten
wir zum Schluß, daß nur "der lebendige und unbefangne
Naturalismus unsrer Plastik, die wir augenblicklich am höchsten unter den
bildenden .Künsten stellen," uns mit einer gewissen Hoffnung auf die Zukunft
erfülle. Es ist aber der Fluch unsrer greisenhafter, von Pessimismus und
Hhperkritik durch und durch zerrütteten, zugleich bau- und zerstörungswütigen
Zeit, daß auf das zarteste Hvffuuugsgrün alsbald ein giftiger Mehlthau geworfen
wird. Wenn man nicht wüßte, daß unser Volk schon stärkere Schicksalsschläge
überwunden hat, ohne in seiner unverwüstlichen Lebenskraft tötlich getroffen zu
werden, möchte man an seiner Zukunft verzweifeln angesichts dieser unheimlichen,
auf allen Gebieten mit gleicher Zähigkeit auftretenden ManlwnrfSnrbeit. Auch
auf dem Gebiete der Kunst, mit welchem wir uus hier uur beschäftigen wollen.

Ein Dresdner Archäologe, welcher seine Wissenschaft von dem Vorwurfe
befreien will, daß sie nur trockne Pflanzen in ihr großes Herbarium sammle
und für das praktische Lebe", also für die ausübenden Künstler im besondern
und die Fortentwicklung der modernen Kunst im allgemeinen, nichts thue, hat
die Künstler, zunächst diejenigen seiner engern Umgebung, zur Lösung eines
Problems aufgefordert, das auf rein wissenschaftlichem Wege hcransdestillirt
worden ist. In einer auf Grund eines Vortrages herausgegebnen Broschüre
unter dem Titel "Sollen wir unsre Statuen, bemalen?" hat er alles zusammen¬
getragen, was von alten Schriftstellern über die Pvlhchromie der antiken
Skulptur beiläufig erwähnt worden ist, und hat überdies alles sorgsam verwertet,
was uns die Ausgrabungen zu dem Kapitel der Bemalung der Schöpfungen
griechisch-römischer Architektur und Skulptur an thatsächlichem Material bei-


Die Färbung der Marmorskulpinrcn.

Für diejenigen, welche aus dem vorliegenden Buche heraus persönlichen Anteil
an dein Schriftsteller gewinnen sollten, genügt es zu wissen, daß die zweite
Hälfte seines Lebens thätig und im ganzen glücklich verflossen ist, bis ihn im
H ^ ochsommer 1883 der Tod weiterem Wirken entraffte,




Die Färbung der Marmorskulpturen.
von Adolf Ro send erg.

is wir kürzlich an dieser Stelle bei einer Betrachtung des gegen¬
wärtigen Zustandes der deutschen Kunst zu dem unerfreulichen
Ergebnis gelangten, daß sich bei dem schnellen Wechsel der Mode
noch immer kein eigentümlicher Stil ausbilden will, bemerkten
wir zum Schluß, daß nur „der lebendige und unbefangne
Naturalismus unsrer Plastik, die wir augenblicklich am höchsten unter den
bildenden .Künsten stellen," uns mit einer gewissen Hoffnung auf die Zukunft
erfülle. Es ist aber der Fluch unsrer greisenhafter, von Pessimismus und
Hhperkritik durch und durch zerrütteten, zugleich bau- und zerstörungswütigen
Zeit, daß auf das zarteste Hvffuuugsgrün alsbald ein giftiger Mehlthau geworfen
wird. Wenn man nicht wüßte, daß unser Volk schon stärkere Schicksalsschläge
überwunden hat, ohne in seiner unverwüstlichen Lebenskraft tötlich getroffen zu
werden, möchte man an seiner Zukunft verzweifeln angesichts dieser unheimlichen,
auf allen Gebieten mit gleicher Zähigkeit auftretenden ManlwnrfSnrbeit. Auch
auf dem Gebiete der Kunst, mit welchem wir uus hier uur beschäftigen wollen.

Ein Dresdner Archäologe, welcher seine Wissenschaft von dem Vorwurfe
befreien will, daß sie nur trockne Pflanzen in ihr großes Herbarium sammle
und für das praktische Lebe», also für die ausübenden Künstler im besondern
und die Fortentwicklung der modernen Kunst im allgemeinen, nichts thue, hat
die Künstler, zunächst diejenigen seiner engern Umgebung, zur Lösung eines
Problems aufgefordert, das auf rein wissenschaftlichem Wege hcransdestillirt
worden ist. In einer auf Grund eines Vortrages herausgegebnen Broschüre
unter dem Titel „Sollen wir unsre Statuen, bemalen?" hat er alles zusammen¬
getragen, was von alten Schriftstellern über die Pvlhchromie der antiken
Skulptur beiläufig erwähnt worden ist, und hat überdies alles sorgsam verwertet,
was uns die Ausgrabungen zu dem Kapitel der Bemalung der Schöpfungen
griechisch-römischer Architektur und Skulptur an thatsächlichem Material bei-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0282" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197706"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Färbung der Marmorskulpinrcn.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_828" prev="#ID_827"> Für diejenigen, welche aus dem vorliegenden Buche heraus persönlichen Anteil<lb/>
an dein Schriftsteller gewinnen sollten, genügt es zu wissen, daß die zweite<lb/>
Hälfte seines Lebens thätig und im ganzen glücklich verflossen ist, bis ihn im<lb/>
H<note type="byline"> ^</note> ochsommer 1883 der Tod weiterem Wirken entraffte, </p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Färbung der Marmorskulpturen.<lb/><note type="byline"> von Adolf Ro send erg.</note></head><lb/>
          <p xml:id="ID_829"> is wir kürzlich an dieser Stelle bei einer Betrachtung des gegen¬<lb/>
wärtigen Zustandes der deutschen Kunst zu dem unerfreulichen<lb/>
Ergebnis gelangten, daß sich bei dem schnellen Wechsel der Mode<lb/>
noch immer kein eigentümlicher Stil ausbilden will, bemerkten<lb/>
wir zum Schluß, daß nur &#x201E;der lebendige und unbefangne<lb/>
Naturalismus unsrer Plastik, die wir augenblicklich am höchsten unter den<lb/>
bildenden .Künsten stellen," uns mit einer gewissen Hoffnung auf die Zukunft<lb/>
erfülle. Es ist aber der Fluch unsrer greisenhafter, von Pessimismus und<lb/>
Hhperkritik durch und durch zerrütteten, zugleich bau- und zerstörungswütigen<lb/>
Zeit, daß auf das zarteste Hvffuuugsgrün alsbald ein giftiger Mehlthau geworfen<lb/>
wird. Wenn man nicht wüßte, daß unser Volk schon stärkere Schicksalsschläge<lb/>
überwunden hat, ohne in seiner unverwüstlichen Lebenskraft tötlich getroffen zu<lb/>
werden, möchte man an seiner Zukunft verzweifeln angesichts dieser unheimlichen,<lb/>
auf allen Gebieten mit gleicher Zähigkeit auftretenden ManlwnrfSnrbeit. Auch<lb/>
auf dem Gebiete der Kunst, mit welchem wir uus hier uur beschäftigen wollen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_830" next="#ID_831"> Ein Dresdner Archäologe, welcher seine Wissenschaft von dem Vorwurfe<lb/>
befreien will, daß sie nur trockne Pflanzen in ihr großes Herbarium sammle<lb/>
und für das praktische Lebe», also für die ausübenden Künstler im besondern<lb/>
und die Fortentwicklung der modernen Kunst im allgemeinen, nichts thue, hat<lb/>
die Künstler, zunächst diejenigen seiner engern Umgebung, zur Lösung eines<lb/>
Problems aufgefordert, das auf rein wissenschaftlichem Wege hcransdestillirt<lb/>
worden ist. In einer auf Grund eines Vortrages herausgegebnen Broschüre<lb/>
unter dem Titel &#x201E;Sollen wir unsre Statuen, bemalen?" hat er alles zusammen¬<lb/>
getragen, was von alten Schriftstellern über die Pvlhchromie der antiken<lb/>
Skulptur beiläufig erwähnt worden ist, und hat überdies alles sorgsam verwertet,<lb/>
was uns die Ausgrabungen zu dem Kapitel der Bemalung der Schöpfungen<lb/>
griechisch-römischer Architektur und Skulptur an thatsächlichem Material bei-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0282] Die Färbung der Marmorskulpinrcn. Für diejenigen, welche aus dem vorliegenden Buche heraus persönlichen Anteil an dein Schriftsteller gewinnen sollten, genügt es zu wissen, daß die zweite Hälfte seines Lebens thätig und im ganzen glücklich verflossen ist, bis ihn im H ^ ochsommer 1883 der Tod weiterem Wirken entraffte, Die Färbung der Marmorskulpturen. von Adolf Ro send erg. is wir kürzlich an dieser Stelle bei einer Betrachtung des gegen¬ wärtigen Zustandes der deutschen Kunst zu dem unerfreulichen Ergebnis gelangten, daß sich bei dem schnellen Wechsel der Mode noch immer kein eigentümlicher Stil ausbilden will, bemerkten wir zum Schluß, daß nur „der lebendige und unbefangne Naturalismus unsrer Plastik, die wir augenblicklich am höchsten unter den bildenden .Künsten stellen," uns mit einer gewissen Hoffnung auf die Zukunft erfülle. Es ist aber der Fluch unsrer greisenhafter, von Pessimismus und Hhperkritik durch und durch zerrütteten, zugleich bau- und zerstörungswütigen Zeit, daß auf das zarteste Hvffuuugsgrün alsbald ein giftiger Mehlthau geworfen wird. Wenn man nicht wüßte, daß unser Volk schon stärkere Schicksalsschläge überwunden hat, ohne in seiner unverwüstlichen Lebenskraft tötlich getroffen zu werden, möchte man an seiner Zukunft verzweifeln angesichts dieser unheimlichen, auf allen Gebieten mit gleicher Zähigkeit auftretenden ManlwnrfSnrbeit. Auch auf dem Gebiete der Kunst, mit welchem wir uus hier uur beschäftigen wollen. Ein Dresdner Archäologe, welcher seine Wissenschaft von dem Vorwurfe befreien will, daß sie nur trockne Pflanzen in ihr großes Herbarium sammle und für das praktische Lebe», also für die ausübenden Künstler im besondern und die Fortentwicklung der modernen Kunst im allgemeinen, nichts thue, hat die Künstler, zunächst diejenigen seiner engern Umgebung, zur Lösung eines Problems aufgefordert, das auf rein wissenschaftlichem Wege hcransdestillirt worden ist. In einer auf Grund eines Vortrages herausgegebnen Broschüre unter dem Titel „Sollen wir unsre Statuen, bemalen?" hat er alles zusammen¬ getragen, was von alten Schriftstellern über die Pvlhchromie der antiken Skulptur beiläufig erwähnt worden ist, und hat überdies alles sorgsam verwertet, was uns die Ausgrabungen zu dem Kapitel der Bemalung der Schöpfungen griechisch-römischer Architektur und Skulptur an thatsächlichem Material bei-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/282
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/282>, abgerufen am 19.05.2024.