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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Zur Währungsfrage.

>i le Währungsfrage, ipezicll die Frage, ob wir in Deutschland die
beabsichtigte und im wesentlichen beendigte Goldwährungsreform
zu Ende führen oder zur allgemeinen Doppelwährung hinsteuern
sollen, setzt noch immer manche Feder und manche Zunge in Be
wegnng. Diese Frage wird keinem als leicht erscheinen, der be¬
merkt hat, daß äußerst gelehrte und erfahrene Männer, wie Ad. Wagner, A, Schäffle,
W. Lexis, ans die Seite der Doppelwährung übergetreten sind, und daß viele
ebenso tüchtige Männer ans allen politischen Parteien sich eifrig der Gold¬
währung zuneigen. Es könnte für eine erfreuliche Sache gelten, daß fortwährend
so viele Broschüren erscheinen, die das Problem vor dem Publikum erörtern.
Aber dieser Gewinn ist doch fraglich. Denn wenn man so von allen Seiten in
die Leute hineinruft, so entsteht zwar ein verstärkter Schall, aber die Verständ¬
lichkeit des Rufes nimmt dadurch nicht immer zu, und sie setzt in diesem Falle
so viel Kritik und Wissen voraus, daß doch vou einer wachsenden Verständigung
nicht mit Zuversicht gesprochen werden kann. So viel wir sehen, ist es nnter
diesen Umständen das beste, vorläufig keinen gewaltsamen Schritt zu thun, um
neue Bahnen zu wandeln, sondern bei dem, was wir haben, zu bleiben. Wir
können diese realpolitische Betrachtung der Münzpolitik freilich nur dann mit
gutem Gewissen verfolgen, wenn wir uns auch über die beiden andern Arten,
wie man diese schwierige Materie behandelt hat, etwas orientiren, wir meinen
die kritisch-retrospektive und die doktrinäre Art der Betrachtung. Aber die eigent¬
liche Aufgabe wird doch in einer Zeitschrift, die nicht Fachzeitschrift ist, sein, zu
fragen: Was kann und soll geschehen? läßt sich in der Währungsfrage eine Stelle
entdecken, wo wir Reformen nötig haben, die nicht bloß ausführbar siud, sondern
auch unzweifelhaft dem Vaterlande bleibenden Nutzen schaffen? Darüber ver-


Grmzboten I. 183V. 43


Zur Währungsfrage.

>i le Währungsfrage, ipezicll die Frage, ob wir in Deutschland die
beabsichtigte und im wesentlichen beendigte Goldwährungsreform
zu Ende führen oder zur allgemeinen Doppelwährung hinsteuern
sollen, setzt noch immer manche Feder und manche Zunge in Be
wegnng. Diese Frage wird keinem als leicht erscheinen, der be¬
merkt hat, daß äußerst gelehrte und erfahrene Männer, wie Ad. Wagner, A, Schäffle,
W. Lexis, ans die Seite der Doppelwährung übergetreten sind, und daß viele
ebenso tüchtige Männer ans allen politischen Parteien sich eifrig der Gold¬
währung zuneigen. Es könnte für eine erfreuliche Sache gelten, daß fortwährend
so viele Broschüren erscheinen, die das Problem vor dem Publikum erörtern.
Aber dieser Gewinn ist doch fraglich. Denn wenn man so von allen Seiten in
die Leute hineinruft, so entsteht zwar ein verstärkter Schall, aber die Verständ¬
lichkeit des Rufes nimmt dadurch nicht immer zu, und sie setzt in diesem Falle
so viel Kritik und Wissen voraus, daß doch vou einer wachsenden Verständigung
nicht mit Zuversicht gesprochen werden kann. So viel wir sehen, ist es nnter
diesen Umständen das beste, vorläufig keinen gewaltsamen Schritt zu thun, um
neue Bahnen zu wandeln, sondern bei dem, was wir haben, zu bleiben. Wir
können diese realpolitische Betrachtung der Münzpolitik freilich nur dann mit
gutem Gewissen verfolgen, wenn wir uns auch über die beiden andern Arten,
wie man diese schwierige Materie behandelt hat, etwas orientiren, wir meinen
die kritisch-retrospektive und die doktrinäre Art der Betrachtung. Aber die eigent¬
liche Aufgabe wird doch in einer Zeitschrift, die nicht Fachzeitschrift ist, sein, zu
fragen: Was kann und soll geschehen? läßt sich in der Währungsfrage eine Stelle
entdecken, wo wir Reformen nötig haben, die nicht bloß ausführbar siud, sondern
auch unzweifelhaft dem Vaterlande bleibenden Nutzen schaffen? Darüber ver-


Grmzboten I. 183V. 43
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[0345] [Abbildung] Zur Währungsfrage. >i le Währungsfrage, ipezicll die Frage, ob wir in Deutschland die beabsichtigte und im wesentlichen beendigte Goldwährungsreform zu Ende führen oder zur allgemeinen Doppelwährung hinsteuern sollen, setzt noch immer manche Feder und manche Zunge in Be wegnng. Diese Frage wird keinem als leicht erscheinen, der be¬ merkt hat, daß äußerst gelehrte und erfahrene Männer, wie Ad. Wagner, A, Schäffle, W. Lexis, ans die Seite der Doppelwährung übergetreten sind, und daß viele ebenso tüchtige Männer ans allen politischen Parteien sich eifrig der Gold¬ währung zuneigen. Es könnte für eine erfreuliche Sache gelten, daß fortwährend so viele Broschüren erscheinen, die das Problem vor dem Publikum erörtern. Aber dieser Gewinn ist doch fraglich. Denn wenn man so von allen Seiten in die Leute hineinruft, so entsteht zwar ein verstärkter Schall, aber die Verständ¬ lichkeit des Rufes nimmt dadurch nicht immer zu, und sie setzt in diesem Falle so viel Kritik und Wissen voraus, daß doch vou einer wachsenden Verständigung nicht mit Zuversicht gesprochen werden kann. So viel wir sehen, ist es nnter diesen Umständen das beste, vorläufig keinen gewaltsamen Schritt zu thun, um neue Bahnen zu wandeln, sondern bei dem, was wir haben, zu bleiben. Wir können diese realpolitische Betrachtung der Münzpolitik freilich nur dann mit gutem Gewissen verfolgen, wenn wir uns auch über die beiden andern Arten, wie man diese schwierige Materie behandelt hat, etwas orientiren, wir meinen die kritisch-retrospektive und die doktrinäre Art der Betrachtung. Aber die eigent¬ liche Aufgabe wird doch in einer Zeitschrift, die nicht Fachzeitschrift ist, sein, zu fragen: Was kann und soll geschehen? läßt sich in der Währungsfrage eine Stelle entdecken, wo wir Reformen nötig haben, die nicht bloß ausführbar siud, sondern auch unzweifelhaft dem Vaterlande bleibenden Nutzen schaffen? Darüber ver- Grmzboten I. 183V. 43

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/345>, abgerufen am 19.05.2024.