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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Japanische Künste.
von Bruno Buch er.

ehr als einmal ist das große Inselreich im fernsten Osten für
Europa entdeckt worden. Entdeckt, darf man sagen, obwohl dessen
Existenz nie wieder in Vergessenheit geraten war, seitdem Marco
Polo, der Venezianer, zu Anfang des vierzehnten Jahrhunderts
dnrch seine Nachrichten von der Insel Zipangu, wo es Dächer
und Wnndvertäfelungcn von gediegenem Golde geben sollte, die Phantasie seiner
Landsleute entzündet hatte. Selbst hatte er das Wunderland nicht berührt;
er erzählte nur wieder, was ihm in China mitgeteilt worden war, und Zipangu
ist auch in venezianischer Schreibart der chinesische Name des Landes: ^ixang-.
Dieses Zipangu suchte uoch beinahe zweihundert Jahre später der Geruche
Columbus, als er Westindien entdeckte; und nach abermals fünfzig Jahren
(154L) gelangten portugiesische Seefahrer wirklich ans Ziel. Aber der Ent¬
deckung und der Anknüpfung von Handelsverbindungen durch die Portugiesen,
dann durch die Holländer, folgte wieder eine lange, bis in die Mitte unsers
Jahrhunderts reichende Periode fast gänzlicher Abgeschlossenheit des Landes.

Um den Kontrast zwischen der Zeit vor dreißig Jahren und heute recht
augenfällig zu machen, muß man sich erinnern, daß im Kataloge der ersten
Industrieausstellung, zu welcher alle Völker des Erdballs eingeladen worden
waren, Japan nur wie ein Anhängsel Chinas erschien, und zwar alles in allem
mit vier Artikeln: Kupfer, vegetarischem Wachs, Laclfiruiß und einem Faser¬
stoff, über den ich in den Berichten über jene Ausstellung von 1851 nichts
finde -- vielleicht war es Chinagras oder Jute, die ja eben damals bekannt
geworden waren. Noch erhöht wird der geradezu komische Eindruck, welchen diese
Repräsentation eiues so gewerbfleißigen Landes machen muß, wenn wir hören,
daß die Holländer für gut gefunden hatten, von den Exporterzeugnissen Japans
nichts weiter zu zeigen als Seife. Und doch waren sie die einzigen, welche
damals Faktoreien auf Dezima bei Ncmgcisaki haben durften, freilich unter so
erschwerenden Bedingungen, daß jene Faktoreien wohl Gefängnisse genannt
werden konnten.

Der Zufall wollte aber, daß eben in dem Jahre der Ausstellung und
ebenfalls in London ein Werk publizirt wurde, Nsmoirs ok til<z ZZmxirs cet ^axM,
welches über die Gründe der Absperrung der Japaner gegen Fremde und vor
allem gegen europäische Nationen dokumentarische Auskunft erteilte. Den ersten
Portugiesen, welche das Land betraten, wurde von der Bevölkerung nichts in
den Weg gelegt, und auch der Mikado schlitzte die Fremdlinge gegen die Bonzen.
Diese erhoben nämlich gegen die Zulassung christlicher Missionäre, welche den


Grenzboten I. 1886. 40
Japanische Künste.
von Bruno Buch er.

ehr als einmal ist das große Inselreich im fernsten Osten für
Europa entdeckt worden. Entdeckt, darf man sagen, obwohl dessen
Existenz nie wieder in Vergessenheit geraten war, seitdem Marco
Polo, der Venezianer, zu Anfang des vierzehnten Jahrhunderts
dnrch seine Nachrichten von der Insel Zipangu, wo es Dächer
und Wnndvertäfelungcn von gediegenem Golde geben sollte, die Phantasie seiner
Landsleute entzündet hatte. Selbst hatte er das Wunderland nicht berührt;
er erzählte nur wieder, was ihm in China mitgeteilt worden war, und Zipangu
ist auch in venezianischer Schreibart der chinesische Name des Landes: ^ixang-.
Dieses Zipangu suchte uoch beinahe zweihundert Jahre später der Geruche
Columbus, als er Westindien entdeckte; und nach abermals fünfzig Jahren
(154L) gelangten portugiesische Seefahrer wirklich ans Ziel. Aber der Ent¬
deckung und der Anknüpfung von Handelsverbindungen durch die Portugiesen,
dann durch die Holländer, folgte wieder eine lange, bis in die Mitte unsers
Jahrhunderts reichende Periode fast gänzlicher Abgeschlossenheit des Landes.

Um den Kontrast zwischen der Zeit vor dreißig Jahren und heute recht
augenfällig zu machen, muß man sich erinnern, daß im Kataloge der ersten
Industrieausstellung, zu welcher alle Völker des Erdballs eingeladen worden
waren, Japan nur wie ein Anhängsel Chinas erschien, und zwar alles in allem
mit vier Artikeln: Kupfer, vegetarischem Wachs, Laclfiruiß und einem Faser¬
stoff, über den ich in den Berichten über jene Ausstellung von 1851 nichts
finde — vielleicht war es Chinagras oder Jute, die ja eben damals bekannt
geworden waren. Noch erhöht wird der geradezu komische Eindruck, welchen diese
Repräsentation eiues so gewerbfleißigen Landes machen muß, wenn wir hören,
daß die Holländer für gut gefunden hatten, von den Exporterzeugnissen Japans
nichts weiter zu zeigen als Seife. Und doch waren sie die einzigen, welche
damals Faktoreien auf Dezima bei Ncmgcisaki haben durften, freilich unter so
erschwerenden Bedingungen, daß jene Faktoreien wohl Gefängnisse genannt
werden konnten.

Der Zufall wollte aber, daß eben in dem Jahre der Ausstellung und
ebenfalls in London ein Werk publizirt wurde, Nsmoirs ok til<z ZZmxirs cet ^axM,
welches über die Gründe der Absperrung der Japaner gegen Fremde und vor
allem gegen europäische Nationen dokumentarische Auskunft erteilte. Den ersten
Portugiesen, welche das Land betraten, wurde von der Bevölkerung nichts in
den Weg gelegt, und auch der Mikado schlitzte die Fremdlinge gegen die Bonzen.
Diese erhoben nämlich gegen die Zulassung christlicher Missionäre, welche den


Grenzboten I. 1886. 40
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[0369] Japanische Künste. von Bruno Buch er. ehr als einmal ist das große Inselreich im fernsten Osten für Europa entdeckt worden. Entdeckt, darf man sagen, obwohl dessen Existenz nie wieder in Vergessenheit geraten war, seitdem Marco Polo, der Venezianer, zu Anfang des vierzehnten Jahrhunderts dnrch seine Nachrichten von der Insel Zipangu, wo es Dächer und Wnndvertäfelungcn von gediegenem Golde geben sollte, die Phantasie seiner Landsleute entzündet hatte. Selbst hatte er das Wunderland nicht berührt; er erzählte nur wieder, was ihm in China mitgeteilt worden war, und Zipangu ist auch in venezianischer Schreibart der chinesische Name des Landes: ^ixang-. Dieses Zipangu suchte uoch beinahe zweihundert Jahre später der Geruche Columbus, als er Westindien entdeckte; und nach abermals fünfzig Jahren (154L) gelangten portugiesische Seefahrer wirklich ans Ziel. Aber der Ent¬ deckung und der Anknüpfung von Handelsverbindungen durch die Portugiesen, dann durch die Holländer, folgte wieder eine lange, bis in die Mitte unsers Jahrhunderts reichende Periode fast gänzlicher Abgeschlossenheit des Landes. Um den Kontrast zwischen der Zeit vor dreißig Jahren und heute recht augenfällig zu machen, muß man sich erinnern, daß im Kataloge der ersten Industrieausstellung, zu welcher alle Völker des Erdballs eingeladen worden waren, Japan nur wie ein Anhängsel Chinas erschien, und zwar alles in allem mit vier Artikeln: Kupfer, vegetarischem Wachs, Laclfiruiß und einem Faser¬ stoff, über den ich in den Berichten über jene Ausstellung von 1851 nichts finde — vielleicht war es Chinagras oder Jute, die ja eben damals bekannt geworden waren. Noch erhöht wird der geradezu komische Eindruck, welchen diese Repräsentation eiues so gewerbfleißigen Landes machen muß, wenn wir hören, daß die Holländer für gut gefunden hatten, von den Exporterzeugnissen Japans nichts weiter zu zeigen als Seife. Und doch waren sie die einzigen, welche damals Faktoreien auf Dezima bei Ncmgcisaki haben durften, freilich unter so erschwerenden Bedingungen, daß jene Faktoreien wohl Gefängnisse genannt werden konnten. Der Zufall wollte aber, daß eben in dem Jahre der Ausstellung und ebenfalls in London ein Werk publizirt wurde, Nsmoirs ok til<z ZZmxirs cet ^axM, welches über die Gründe der Absperrung der Japaner gegen Fremde und vor allem gegen europäische Nationen dokumentarische Auskunft erteilte. Den ersten Portugiesen, welche das Land betraten, wurde von der Bevölkerung nichts in den Weg gelegt, und auch der Mikado schlitzte die Fremdlinge gegen die Bonzen. Diese erhoben nämlich gegen die Zulassung christlicher Missionäre, welche den Grenzboten I. 1886. 40

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/369>, abgerufen am 19.05.2024.