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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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alle technologischen Museen n, dergl. keinen Ersatz. Lehrreich war es vornehm¬
lich, zu beobachten, mit welcher unermüdlichen Genauigkeit die Arbeiter zu Werke
gehen, so die Zimmerleute und Tischler beim Zurichten des Holzes, auch wenn
es sich nur um das Anpassen einer Leiste, um Nut und Feder u> dergl, han¬
delt (was wir bereits bewundern konnten, als im Frühling 1873 die kleine japa¬
nische Ansiedlung im Wiener Prater eingerichtet wurde); so die Seidensticker, die,
vor dem großen mit Stoff bespannten Rahmen kauernd, ohne Vorlage, nnr nach
flüchtigen Umrißandeutnngen, den Faden mittels einer winzigen Nadel Hinunter¬
und heraufführen, stets überlegend, da sie das Detail ja erst während der
Arbeit komponiren; so die Formschneider und Bilddrucker. Während der eine
höchst sauber eine Holzplatte schnitt, druckte sein Nachbar eines jener Farbenbilder,
die zu Fächern, Schirmen, Laternen n. dergl. verarbeitet werden. Mit einem
Pinsel trug dieser die Farbe auf die in seinem Schoße ruhende Platte auf,
breitete das Papierblatt darüber und bearbeitete dies auf der Rückseite mit
einem Ballen: mithin genau dieselbe Manipulation, welche vor Einführung
der Druckpresse bei Herstellung der sogenannten Neibcrdruckc gebräuchlich war.
Jener Arbeiter lieferte uur ordinäre Waare, wie denn begreiflicherweise in dem
"japanischen Dorfe" nicht eben die größten Künstler vereinigt waren. Aber es
leuchtet ein, daß bei diesem Verfahren, wo nicht die Farbenwalze alle erhabenen
Partien gleichmäßig mit Farbe bedeckt, dem Drucker die Möglichkeit gegeben
ist, durch stärkeren oder schwächeren, feuchteren oder trockeneren Farbenauftrag,
durch teilweises Wegwischen u. s. w. das Kolorit sich verlaufen zu lassen, all¬
mähliche Abtönungen und Übergänge zu bewirken. Aber es wird gleicherweise
klar, welchen Zeitaufwand alle die japanischen Arbeiten erfordern, und daß deren
Wohlfeilheit ungeachtet der Geschicklichkeit und des ausdauernden Fleißes der
Künstler und Handwerker nnr durch deren Bedürfnislosigkeit erreichbar ist.

(Schluß folgt.)




Gladstone und die irische Frage.

er bisherige Erfolg des neuen englischen Ministeriums beruht
augenscheinlich damnf, daß sein Programm keinen bestimmten
Plan in Betreff der irische" Frage enthält oder auch nur an¬
deutet. Keiner der Liberalen und Radikalen, welche das Kabinet
Gladstone bilden, tritt irgendwie gebunden an die Forderung nach
einem Irland ins Amt, das von einem eignen Parlamente regiert wird. Man
will in Bezug auf die Ansprüche der Homeruler eine Unterstützung und Prüfung
anstellen, das ist alles, was vorsichtigerweise bis jetzt versprochen wurde. Ist
es möglich, dem Verlangen der Parnclliten Gehör zu geben, ohne die Supre¬
matie des Neichsparlaments über eine Lokalgesetzgebnng zu beeinträchtigen, der


alle technologischen Museen n, dergl. keinen Ersatz. Lehrreich war es vornehm¬
lich, zu beobachten, mit welcher unermüdlichen Genauigkeit die Arbeiter zu Werke
gehen, so die Zimmerleute und Tischler beim Zurichten des Holzes, auch wenn
es sich nur um das Anpassen einer Leiste, um Nut und Feder u> dergl, han¬
delt (was wir bereits bewundern konnten, als im Frühling 1873 die kleine japa¬
nische Ansiedlung im Wiener Prater eingerichtet wurde); so die Seidensticker, die,
vor dem großen mit Stoff bespannten Rahmen kauernd, ohne Vorlage, nnr nach
flüchtigen Umrißandeutnngen, den Faden mittels einer winzigen Nadel Hinunter¬
und heraufführen, stets überlegend, da sie das Detail ja erst während der
Arbeit komponiren; so die Formschneider und Bilddrucker. Während der eine
höchst sauber eine Holzplatte schnitt, druckte sein Nachbar eines jener Farbenbilder,
die zu Fächern, Schirmen, Laternen n. dergl. verarbeitet werden. Mit einem
Pinsel trug dieser die Farbe auf die in seinem Schoße ruhende Platte auf,
breitete das Papierblatt darüber und bearbeitete dies auf der Rückseite mit
einem Ballen: mithin genau dieselbe Manipulation, welche vor Einführung
der Druckpresse bei Herstellung der sogenannten Neibcrdruckc gebräuchlich war.
Jener Arbeiter lieferte uur ordinäre Waare, wie denn begreiflicherweise in dem
„japanischen Dorfe" nicht eben die größten Künstler vereinigt waren. Aber es
leuchtet ein, daß bei diesem Verfahren, wo nicht die Farbenwalze alle erhabenen
Partien gleichmäßig mit Farbe bedeckt, dem Drucker die Möglichkeit gegeben
ist, durch stärkeren oder schwächeren, feuchteren oder trockeneren Farbenauftrag,
durch teilweises Wegwischen u. s. w. das Kolorit sich verlaufen zu lassen, all¬
mähliche Abtönungen und Übergänge zu bewirken. Aber es wird gleicherweise
klar, welchen Zeitaufwand alle die japanischen Arbeiten erfordern, und daß deren
Wohlfeilheit ungeachtet der Geschicklichkeit und des ausdauernden Fleißes der
Künstler und Handwerker nnr durch deren Bedürfnislosigkeit erreichbar ist.

(Schluß folgt.)




Gladstone und die irische Frage.

er bisherige Erfolg des neuen englischen Ministeriums beruht
augenscheinlich damnf, daß sein Programm keinen bestimmten
Plan in Betreff der irische» Frage enthält oder auch nur an¬
deutet. Keiner der Liberalen und Radikalen, welche das Kabinet
Gladstone bilden, tritt irgendwie gebunden an die Forderung nach
einem Irland ins Amt, das von einem eignen Parlamente regiert wird. Man
will in Bezug auf die Ansprüche der Homeruler eine Unterstützung und Prüfung
anstellen, das ist alles, was vorsichtigerweise bis jetzt versprochen wurde. Ist
es möglich, dem Verlangen der Parnclliten Gehör zu geben, ohne die Supre¬
matie des Neichsparlaments über eine Lokalgesetzgebnng zu beeinträchtigen, der


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[0378] alle technologischen Museen n, dergl. keinen Ersatz. Lehrreich war es vornehm¬ lich, zu beobachten, mit welcher unermüdlichen Genauigkeit die Arbeiter zu Werke gehen, so die Zimmerleute und Tischler beim Zurichten des Holzes, auch wenn es sich nur um das Anpassen einer Leiste, um Nut und Feder u> dergl, han¬ delt (was wir bereits bewundern konnten, als im Frühling 1873 die kleine japa¬ nische Ansiedlung im Wiener Prater eingerichtet wurde); so die Seidensticker, die, vor dem großen mit Stoff bespannten Rahmen kauernd, ohne Vorlage, nnr nach flüchtigen Umrißandeutnngen, den Faden mittels einer winzigen Nadel Hinunter¬ und heraufführen, stets überlegend, da sie das Detail ja erst während der Arbeit komponiren; so die Formschneider und Bilddrucker. Während der eine höchst sauber eine Holzplatte schnitt, druckte sein Nachbar eines jener Farbenbilder, die zu Fächern, Schirmen, Laternen n. dergl. verarbeitet werden. Mit einem Pinsel trug dieser die Farbe auf die in seinem Schoße ruhende Platte auf, breitete das Papierblatt darüber und bearbeitete dies auf der Rückseite mit einem Ballen: mithin genau dieselbe Manipulation, welche vor Einführung der Druckpresse bei Herstellung der sogenannten Neibcrdruckc gebräuchlich war. Jener Arbeiter lieferte uur ordinäre Waare, wie denn begreiflicherweise in dem „japanischen Dorfe" nicht eben die größten Künstler vereinigt waren. Aber es leuchtet ein, daß bei diesem Verfahren, wo nicht die Farbenwalze alle erhabenen Partien gleichmäßig mit Farbe bedeckt, dem Drucker die Möglichkeit gegeben ist, durch stärkeren oder schwächeren, feuchteren oder trockeneren Farbenauftrag, durch teilweises Wegwischen u. s. w. das Kolorit sich verlaufen zu lassen, all¬ mähliche Abtönungen und Übergänge zu bewirken. Aber es wird gleicherweise klar, welchen Zeitaufwand alle die japanischen Arbeiten erfordern, und daß deren Wohlfeilheit ungeachtet der Geschicklichkeit und des ausdauernden Fleißes der Künstler und Handwerker nnr durch deren Bedürfnislosigkeit erreichbar ist. (Schluß folgt.) Gladstone und die irische Frage. er bisherige Erfolg des neuen englischen Ministeriums beruht augenscheinlich damnf, daß sein Programm keinen bestimmten Plan in Betreff der irische» Frage enthält oder auch nur an¬ deutet. Keiner der Liberalen und Radikalen, welche das Kabinet Gladstone bilden, tritt irgendwie gebunden an die Forderung nach einem Irland ins Amt, das von einem eignen Parlamente regiert wird. Man will in Bezug auf die Ansprüche der Homeruler eine Unterstützung und Prüfung anstellen, das ist alles, was vorsichtigerweise bis jetzt versprochen wurde. Ist es möglich, dem Verlangen der Parnclliten Gehör zu geben, ohne die Supre¬ matie des Neichsparlaments über eine Lokalgesetzgebnng zu beeinträchtigen, der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/378>, abgerufen am 19.05.2024.