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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Konservatorien und Rünstlerproletariat.

aber selbst dabei den Tod; Gatten, der in demselben Hanse wohnt, wird als
Arzt zu ihm geholt und wird beim Anblicke des Unglücklichen mürbe. Außer¬
dem hat Zirbel die Korrektur von Sältens neuestem Werke in der Hand und
versieht sie mit Randglossen, indes der gemeinsame Verleger beider Zirbels
Werk, eine Verteidigung des Idealismus und des Glaubens, dem Doktor Gatten
im Manuskript zur Beurteilung giebt. Aber erst nach Zirbels Tode wird es
publizirt. Steinhausen hat auch hier einige treffende Satiren auf unsre
literarischen Zustände eingewebt.

Damit wäre unsre Übersicht über die bisherigen Schriften Steinhaufens
beendet. Gewiß wird seine beschauliche Zurückgezogenheit noch manches zeitigen.
Am willkommensten aber wären uns neue ausgiebige "Herzcnserleichterungen"
seines grundgescheiteu und humorvoll gcmütsinnigen Einsiedlers Knieen.


Moritz Necker.


Konservatorien und Künstlervroletariat.

us dem Nachlaß der Frau Johanna Kinkel geborene Mockel
veröffentlichte das Feuilleton der "Frankfurter Zeitung" vor
einigen Wochen einen Aussatz "Hausfrau und Künstlerin," der
wie ein Nachhall aus Märchcuzciten erklang und wirkte und von
Zuständen und Verhältnissen erzählte, welche in einem wunder¬
lichen und -- alles wohl erwogen -- glücklichen Gegensatze zur Gegenwart
standen. Die 1858 in London verstorbene erste Gattin des Dichters Gottfried
Kinkel war bekanntlich nicht nur eine geistvolle Schriftstellerin, deren mit dem
Gatten gemeinsam verfaßte Erzählungen und deren Roman "Hans Jbeles" weit
über die gewöhnliche Frauenbelletristik hinausragten, sondern auch und vor allem
eine vorzügliche Mnsikerin. Von ihren großem und kleinern Kompositionen ist die
"Vogellantatc" noch unvergessen, ihre Operette "Otto der Schütz" hat in den
vierziger Jahren große Teilnahme erregt, ihre Briefe an eine Freundin über
Klavierunterricht (18S2) sind ein bleibendes Zeugnis dafür, wie ernst die mannich-
fach geprüfte und bewährte Frau ihren Beruf als Musiklehrerin nahm. Nie¬
mand, der sich an das Leben und Wirken von Johanna Kinkel erinnert (noch
leben zahlreiche ihrer Schülerinnen), wird je zu dem Eindrucke kommen, daß es
sich hier um ein verfehltes oder unfertig gcblicbnes Streben gehandelt habe.
Vielmehr darf man sagen, daß es ihr in seltner Weise gelungen sei, das ihr
innewohnende Talent zur Geltung und tüchtigen Verwertung zu bringen. Gleich-


Konservatorien und Rünstlerproletariat.

aber selbst dabei den Tod; Gatten, der in demselben Hanse wohnt, wird als
Arzt zu ihm geholt und wird beim Anblicke des Unglücklichen mürbe. Außer¬
dem hat Zirbel die Korrektur von Sältens neuestem Werke in der Hand und
versieht sie mit Randglossen, indes der gemeinsame Verleger beider Zirbels
Werk, eine Verteidigung des Idealismus und des Glaubens, dem Doktor Gatten
im Manuskript zur Beurteilung giebt. Aber erst nach Zirbels Tode wird es
publizirt. Steinhausen hat auch hier einige treffende Satiren auf unsre
literarischen Zustände eingewebt.

Damit wäre unsre Übersicht über die bisherigen Schriften Steinhaufens
beendet. Gewiß wird seine beschauliche Zurückgezogenheit noch manches zeitigen.
Am willkommensten aber wären uns neue ausgiebige „Herzcnserleichterungen"
seines grundgescheiteu und humorvoll gcmütsinnigen Einsiedlers Knieen.


Moritz Necker.


Konservatorien und Künstlervroletariat.

us dem Nachlaß der Frau Johanna Kinkel geborene Mockel
veröffentlichte das Feuilleton der „Frankfurter Zeitung" vor
einigen Wochen einen Aussatz „Hausfrau und Künstlerin," der
wie ein Nachhall aus Märchcuzciten erklang und wirkte und von
Zuständen und Verhältnissen erzählte, welche in einem wunder¬
lichen und — alles wohl erwogen — glücklichen Gegensatze zur Gegenwart
standen. Die 1858 in London verstorbene erste Gattin des Dichters Gottfried
Kinkel war bekanntlich nicht nur eine geistvolle Schriftstellerin, deren mit dem
Gatten gemeinsam verfaßte Erzählungen und deren Roman „Hans Jbeles" weit
über die gewöhnliche Frauenbelletristik hinausragten, sondern auch und vor allem
eine vorzügliche Mnsikerin. Von ihren großem und kleinern Kompositionen ist die
„Vogellantatc" noch unvergessen, ihre Operette „Otto der Schütz" hat in den
vierziger Jahren große Teilnahme erregt, ihre Briefe an eine Freundin über
Klavierunterricht (18S2) sind ein bleibendes Zeugnis dafür, wie ernst die mannich-
fach geprüfte und bewährte Frau ihren Beruf als Musiklehrerin nahm. Nie¬
mand, der sich an das Leben und Wirken von Johanna Kinkel erinnert (noch
leben zahlreiche ihrer Schülerinnen), wird je zu dem Eindrucke kommen, daß es
sich hier um ein verfehltes oder unfertig gcblicbnes Streben gehandelt habe.
Vielmehr darf man sagen, daß es ihr in seltner Weise gelungen sei, das ihr
innewohnende Talent zur Geltung und tüchtigen Verwertung zu bringen. Gleich-


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[0039] Konservatorien und Rünstlerproletariat. aber selbst dabei den Tod; Gatten, der in demselben Hanse wohnt, wird als Arzt zu ihm geholt und wird beim Anblicke des Unglücklichen mürbe. Außer¬ dem hat Zirbel die Korrektur von Sältens neuestem Werke in der Hand und versieht sie mit Randglossen, indes der gemeinsame Verleger beider Zirbels Werk, eine Verteidigung des Idealismus und des Glaubens, dem Doktor Gatten im Manuskript zur Beurteilung giebt. Aber erst nach Zirbels Tode wird es publizirt. Steinhausen hat auch hier einige treffende Satiren auf unsre literarischen Zustände eingewebt. Damit wäre unsre Übersicht über die bisherigen Schriften Steinhaufens beendet. Gewiß wird seine beschauliche Zurückgezogenheit noch manches zeitigen. Am willkommensten aber wären uns neue ausgiebige „Herzcnserleichterungen" seines grundgescheiteu und humorvoll gcmütsinnigen Einsiedlers Knieen. Moritz Necker. Konservatorien und Künstlervroletariat. us dem Nachlaß der Frau Johanna Kinkel geborene Mockel veröffentlichte das Feuilleton der „Frankfurter Zeitung" vor einigen Wochen einen Aussatz „Hausfrau und Künstlerin," der wie ein Nachhall aus Märchcuzciten erklang und wirkte und von Zuständen und Verhältnissen erzählte, welche in einem wunder¬ lichen und — alles wohl erwogen — glücklichen Gegensatze zur Gegenwart standen. Die 1858 in London verstorbene erste Gattin des Dichters Gottfried Kinkel war bekanntlich nicht nur eine geistvolle Schriftstellerin, deren mit dem Gatten gemeinsam verfaßte Erzählungen und deren Roman „Hans Jbeles" weit über die gewöhnliche Frauenbelletristik hinausragten, sondern auch und vor allem eine vorzügliche Mnsikerin. Von ihren großem und kleinern Kompositionen ist die „Vogellantatc" noch unvergessen, ihre Operette „Otto der Schütz" hat in den vierziger Jahren große Teilnahme erregt, ihre Briefe an eine Freundin über Klavierunterricht (18S2) sind ein bleibendes Zeugnis dafür, wie ernst die mannich- fach geprüfte und bewährte Frau ihren Beruf als Musiklehrerin nahm. Nie¬ mand, der sich an das Leben und Wirken von Johanna Kinkel erinnert (noch leben zahlreiche ihrer Schülerinnen), wird je zu dem Eindrucke kommen, daß es sich hier um ein verfehltes oder unfertig gcblicbnes Streben gehandelt habe. Vielmehr darf man sagen, daß es ihr in seltner Weise gelungen sei, das ihr innewohnende Talent zur Geltung und tüchtigen Verwertung zu bringen. Gleich-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/39>, abgerufen am 29.05.2024.