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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Japanische Künste.

Schöpfungen legt. Als Lessing in "Minna von Barnhelm" und Goethe in
"Hermann nud Dorothea" unmittelbar aus dem Leben schöpften, fiel ihr hellerer
Blick auf glücklichere Vorgänge und Gestalten, und im Vergleich mit jener
Lebenswahrheit, die uns die klassischen Realisten vor Augen stellten, bleibt die
im "Sterufteinhof" gebotene unerquicklich genug. Vergleichen wir jedoch Erfindung
und Charakteristik der Auzeugruberschm Erzählung mit den Kraftprodukten des
jüngsten papiernen Sturmes und Dranges, so wird der österreichische Dichter
f _x. ast zum Idealisten.




Japanische Künste.
von Bruno Bucher. (Schluß.)

usre genauere Bekanntschaft mit japanischen Holzschnittwerkeu datirt
von den Expeditionen her, welche zum Abschluß von Handels¬
verträgen unternommen wurden (vou Preußen 1859--1861, von
Österreich 1868--1871 u. f. w.). Wir erhielten damals außer der
vielbändige" Euchtlopädie eine Anzahl von Skizzen-- und Muster¬
bücher", deren Darstellungen zum Teil durch Naturwahrheit überraschte", zum
Teil aber auch den Eindruck arger Karikaturen machten. Allerdings ist bei
ihren Zeichnern die Neigung zum Kariliren ziemlich häufig, doch auch diese
Sachen sehen wir jetzt mit andern Augen an. Viele solcher Bilder geben nur
die phantastischen Thpcu oder Szenen ihrer Pantomimen, auf andern Blättern
erkennen wir ihre Gymnastiker und Jongleure wieder; und dn müssen wir be¬
kennen, daß wohl ein sozusagen michelangelesker Zug zum Übertreiben vorkommt,
in der Hauptsache aber wieder das treueste Naturstudium zu bewundern ist, und
nicht minder die Sicherheit der Zeichnung mit ihren freilich ganz vorzügliche"
Pinseln, welche bald mit der feinsten Feder wetteifern, bald flott und breit
arbeiten. Vielfach ist auch das, was uus anfangs befremdete, nur die scharfe
Ausprägung des Rcisfentypus. I" alledem, auch in der Fäesimilewiedcrgabe
der Zeichnungen im Holzschnitt und i" der diskreten Farbengebung, haben aber
die japanischen Künstler, soweit wir nach den importirten Erzeugnisse" zu ur¬
teilen vermögen, im Verlaufe der letzten Jahrzehnte noch erstaunliche Fortschritte
gemacht. Um dieselben nachzuweisen, müßte mau allerdings die Bücher selbst
zur Anschauung bringen und in manchem Seite für Seite aufzeigen können.
Indessen befinden sich solche gegenwärtig in so vielen Händen oder sind doch


Grenzboten I. 1886. 52
Japanische Künste.

Schöpfungen legt. Als Lessing in „Minna von Barnhelm" und Goethe in
„Hermann nud Dorothea" unmittelbar aus dem Leben schöpften, fiel ihr hellerer
Blick auf glücklichere Vorgänge und Gestalten, und im Vergleich mit jener
Lebenswahrheit, die uns die klassischen Realisten vor Augen stellten, bleibt die
im „Sterufteinhof" gebotene unerquicklich genug. Vergleichen wir jedoch Erfindung
und Charakteristik der Auzeugruberschm Erzählung mit den Kraftprodukten des
jüngsten papiernen Sturmes und Dranges, so wird der österreichische Dichter
f _x. ast zum Idealisten.




Japanische Künste.
von Bruno Bucher. (Schluß.)

usre genauere Bekanntschaft mit japanischen Holzschnittwerkeu datirt
von den Expeditionen her, welche zum Abschluß von Handels¬
verträgen unternommen wurden (vou Preußen 1859—1861, von
Österreich 1868—1871 u. f. w.). Wir erhielten damals außer der
vielbändige» Euchtlopädie eine Anzahl von Skizzen-- und Muster¬
bücher», deren Darstellungen zum Teil durch Naturwahrheit überraschte», zum
Teil aber auch den Eindruck arger Karikaturen machten. Allerdings ist bei
ihren Zeichnern die Neigung zum Kariliren ziemlich häufig, doch auch diese
Sachen sehen wir jetzt mit andern Augen an. Viele solcher Bilder geben nur
die phantastischen Thpcu oder Szenen ihrer Pantomimen, auf andern Blättern
erkennen wir ihre Gymnastiker und Jongleure wieder; und dn müssen wir be¬
kennen, daß wohl ein sozusagen michelangelesker Zug zum Übertreiben vorkommt,
in der Hauptsache aber wieder das treueste Naturstudium zu bewundern ist, und
nicht minder die Sicherheit der Zeichnung mit ihren freilich ganz vorzügliche»
Pinseln, welche bald mit der feinsten Feder wetteifern, bald flott und breit
arbeiten. Vielfach ist auch das, was uus anfangs befremdete, nur die scharfe
Ausprägung des Rcisfentypus. I» alledem, auch in der Fäesimilewiedcrgabe
der Zeichnungen im Holzschnitt und i» der diskreten Farbengebung, haben aber
die japanischen Künstler, soweit wir nach den importirten Erzeugnisse» zu ur¬
teilen vermögen, im Verlaufe der letzten Jahrzehnte noch erstaunliche Fortschritte
gemacht. Um dieselben nachzuweisen, müßte mau allerdings die Bücher selbst
zur Anschauung bringen und in manchem Seite für Seite aufzeigen können.
Indessen befinden sich solche gegenwärtig in so vielen Händen oder sind doch


Grenzboten I. 1886. 52
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[0417] Japanische Künste. Schöpfungen legt. Als Lessing in „Minna von Barnhelm" und Goethe in „Hermann nud Dorothea" unmittelbar aus dem Leben schöpften, fiel ihr hellerer Blick auf glücklichere Vorgänge und Gestalten, und im Vergleich mit jener Lebenswahrheit, die uns die klassischen Realisten vor Augen stellten, bleibt die im „Sterufteinhof" gebotene unerquicklich genug. Vergleichen wir jedoch Erfindung und Charakteristik der Auzeugruberschm Erzählung mit den Kraftprodukten des jüngsten papiernen Sturmes und Dranges, so wird der österreichische Dichter f _x. ast zum Idealisten. Japanische Künste. von Bruno Bucher. (Schluß.) usre genauere Bekanntschaft mit japanischen Holzschnittwerkeu datirt von den Expeditionen her, welche zum Abschluß von Handels¬ verträgen unternommen wurden (vou Preußen 1859—1861, von Österreich 1868—1871 u. f. w.). Wir erhielten damals außer der vielbändige» Euchtlopädie eine Anzahl von Skizzen-- und Muster¬ bücher», deren Darstellungen zum Teil durch Naturwahrheit überraschte», zum Teil aber auch den Eindruck arger Karikaturen machten. Allerdings ist bei ihren Zeichnern die Neigung zum Kariliren ziemlich häufig, doch auch diese Sachen sehen wir jetzt mit andern Augen an. Viele solcher Bilder geben nur die phantastischen Thpcu oder Szenen ihrer Pantomimen, auf andern Blättern erkennen wir ihre Gymnastiker und Jongleure wieder; und dn müssen wir be¬ kennen, daß wohl ein sozusagen michelangelesker Zug zum Übertreiben vorkommt, in der Hauptsache aber wieder das treueste Naturstudium zu bewundern ist, und nicht minder die Sicherheit der Zeichnung mit ihren freilich ganz vorzügliche» Pinseln, welche bald mit der feinsten Feder wetteifern, bald flott und breit arbeiten. Vielfach ist auch das, was uus anfangs befremdete, nur die scharfe Ausprägung des Rcisfentypus. I» alledem, auch in der Fäesimilewiedcrgabe der Zeichnungen im Holzschnitt und i» der diskreten Farbengebung, haben aber die japanischen Künstler, soweit wir nach den importirten Erzeugnisse» zu ur¬ teilen vermögen, im Verlaufe der letzten Jahrzehnte noch erstaunliche Fortschritte gemacht. Um dieselben nachzuweisen, müßte mau allerdings die Bücher selbst zur Anschauung bringen und in manchem Seite für Seite aufzeigen können. Indessen befinden sich solche gegenwärtig in so vielen Händen oder sind doch Grenzboten I. 1886. 52

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/417>, abgerufen am 19.05.2024.