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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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wirds jetzt noch gehen -- über ein paar Jahre wahrscheinlich nicht mehr, weil
die Leute bis dahin in vergeblichem Abzappeln Vertrauen und Mut verloren
haben werden. Dann, wenn eine Anzahl Junnngsgcnossenschaften im Betriebe
ist, an die "Klinke der Gesetzgebung," um eine durchgreifende Entfaltung der
Sache zu ermöglichen!




Die Deutschen in Newyork.

eder, der es unternimmt, über die Stellung des Deutschtums in
den nordamerikanischen Freistaaten ein Urteil abzugeben, darf
zwei Dinge vor allem nie aus den Augen lassen: einmal daß
jeder Einzelne, welcher drüben Grundeigentum erwerbe" will,
amerikanischer Bürger werden muß, daß also jeder Landwirt, der
selbständig wirtschaften, und jeder Städter, der sich zu einem eignen lloiuo auf¬
schwingen will -- mag es ihm nun schwer ankommen oder nichr --, den ver¬
hängnisvollen Schritt der Bewerbung um jenes Bürgerrecht thun muß; zweitens,
daß jeder Deutsche, den sein Ehrgeiz in das öffentliche Leben hinaustreibt,
und wenn er auch nur seinen eignen Landsleuten in weitern Kreisen zu nützen
wünscht, vor allem lernen muß, die amerikanischen Verhältnisse zu beherrsche",
und daß es, vielleicht mit Ausschluß einiger Plätze im Westen, ganz undenkbar
für ihn ist, auch nur den bescheidensten Einfluß zu gewinnen, wenn die Ameri¬
kaner, die überall den Ton angeben und die leitenden Stellen innehaben, ihn
nicht als einen der ihrigen betrachten.

Somit kann sich nur derjenige erlaube", seinem Deutschtum auch äußerlich
politisch treu zu bleiben, welcher, von Hause aus mit reichliche" Mitteln ver¬
sehen, weder die Landwirtschaft noch überhaupt den Erwerb von Grundbesitz zu
seinem Gedeihen nötig hat, und ferner derjenige, der mit gründlichen Keniit-
nifsen und vollkommener Bildung ausgestattet, nicht erst der schweren Schulung
des amerikanischen Lebens bedarf. Der erste Fall wird nicht häufig sein; die
allermeisten Deutschen bringen bestenfalls ein kleines Anlagekapital mit, und das
Ansinnen, auf Prosperität zu verzichten, um ihrem frühern Staatsverbande treu
zu bleiben, würde gerade diejenigen außerordentlich befremden, welche um ma¬
terieller Rücksichten willen ihr Vaterland verlassen haben; der zweite Fall aber
wird womöglich noch seltener sein, denn abgesehen allein von den Jahren 1848
bis 1851 gehörten und gehören noch heute mindestens 99 Prozent der deutschen
Auswandrer den weniger gebildeten Volksklassen an; es sind Bauern, Hand-


wirds jetzt noch gehen — über ein paar Jahre wahrscheinlich nicht mehr, weil
die Leute bis dahin in vergeblichem Abzappeln Vertrauen und Mut verloren
haben werden. Dann, wenn eine Anzahl Junnngsgcnossenschaften im Betriebe
ist, an die „Klinke der Gesetzgebung," um eine durchgreifende Entfaltung der
Sache zu ermöglichen!




Die Deutschen in Newyork.

eder, der es unternimmt, über die Stellung des Deutschtums in
den nordamerikanischen Freistaaten ein Urteil abzugeben, darf
zwei Dinge vor allem nie aus den Augen lassen: einmal daß
jeder Einzelne, welcher drüben Grundeigentum erwerbe» will,
amerikanischer Bürger werden muß, daß also jeder Landwirt, der
selbständig wirtschaften, und jeder Städter, der sich zu einem eignen lloiuo auf¬
schwingen will — mag es ihm nun schwer ankommen oder nichr —, den ver¬
hängnisvollen Schritt der Bewerbung um jenes Bürgerrecht thun muß; zweitens,
daß jeder Deutsche, den sein Ehrgeiz in das öffentliche Leben hinaustreibt,
und wenn er auch nur seinen eignen Landsleuten in weitern Kreisen zu nützen
wünscht, vor allem lernen muß, die amerikanischen Verhältnisse zu beherrsche»,
und daß es, vielleicht mit Ausschluß einiger Plätze im Westen, ganz undenkbar
für ihn ist, auch nur den bescheidensten Einfluß zu gewinnen, wenn die Ameri¬
kaner, die überall den Ton angeben und die leitenden Stellen innehaben, ihn
nicht als einen der ihrigen betrachten.

Somit kann sich nur derjenige erlaube», seinem Deutschtum auch äußerlich
politisch treu zu bleiben, welcher, von Hause aus mit reichliche» Mitteln ver¬
sehen, weder die Landwirtschaft noch überhaupt den Erwerb von Grundbesitz zu
seinem Gedeihen nötig hat, und ferner derjenige, der mit gründlichen Keniit-
nifsen und vollkommener Bildung ausgestattet, nicht erst der schweren Schulung
des amerikanischen Lebens bedarf. Der erste Fall wird nicht häufig sein; die
allermeisten Deutschen bringen bestenfalls ein kleines Anlagekapital mit, und das
Ansinnen, auf Prosperität zu verzichten, um ihrem frühern Staatsverbande treu
zu bleiben, würde gerade diejenigen außerordentlich befremden, welche um ma¬
terieller Rücksichten willen ihr Vaterland verlassen haben; der zweite Fall aber
wird womöglich noch seltener sein, denn abgesehen allein von den Jahren 1848
bis 1851 gehörten und gehören noch heute mindestens 99 Prozent der deutschen
Auswandrer den weniger gebildeten Volksklassen an; es sind Bauern, Hand-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/458>, abgerufen am 19.05.2024.