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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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(Lamoens.
Rommi von Adolf Stern. (Fortsetzung,)

ausend Dank, edle Herren, sagte die Kleine, mis Barreto jetzt dicht
neben ihr stand und dem fröhlich dreinblickenden Mädchen freund¬
lich die Hand auf den Kopf legte. Unsre arme Flüchtige ist
glückselig, daß ihr Pater Heuriques in ihrer eignen Zunge zuredet
und sie die Gebete lehrt.

Und Ihr habt Euch die zwei Tage daher Wohl vertragen? fragte Barreto
heitern Tones. Ihr seid gut ausgekommen mit dem Wenigen, was wir Euch
durch Jcchme Leiras heraufsendcn konnten?

Die Hirtin lachte hell auf: Nicht die Hälfte von allem haben wir an¬
rühren können, Senhor! Esmah braucht nicht viel mehr als eine wilde Tcinbe
und bringt keinen Tropfen Euers guten Weines über ihre Lippen. Ich habe
hoch gelebt, wie sonst nur am Festtage der heiligen Euscmia, und hätte ich
nicht beständig die Furcht der armen schönen Fremden vor ihren Verfolger"
geteilt, so müßte ich ja kugelrund geworden sein.

So plaudernd setzten sie den Weg über die grüne Fläche fort, welche sich
jetzt zu erhellen begann. Das Morgenlicht floß von den Bergen herab, blitzende
Strahlen fielen wie erste Pfeile der Sonne über die riesigen Steinblöcke des
Hochthals. Jayme Leiras deutete auf eine rote Wolke, die breit über die letzte
Spitze am Thalrandc lagerte und sich verdunkelte, statt sich zu vergolden. Er
verkündete gleichmütig, daß dort ein Mittagsgewitter herausziehe. Barreto ent-
gegnete, daß bis Mittag noch viele Stunden verstreichen müßten, und mahnte
nur den jungen Burschen, ihnen rascher zu folgen. Indem sie Jvanas Hütte
näher kamen, sahen sie, daß an dem Bache, welcher von dort in die kleine
Waldschlncht herabranschte, aus der die Ziegenhirtin vor einigen Tagen Barreto
und Camoens zu Hilfe gerufen hatte, ein greiser Manu in priesterlicher Tracht




(Lamoens.
Rommi von Adolf Stern. (Fortsetzung,)

ausend Dank, edle Herren, sagte die Kleine, mis Barreto jetzt dicht
neben ihr stand und dem fröhlich dreinblickenden Mädchen freund¬
lich die Hand auf den Kopf legte. Unsre arme Flüchtige ist
glückselig, daß ihr Pater Heuriques in ihrer eignen Zunge zuredet
und sie die Gebete lehrt.

Und Ihr habt Euch die zwei Tage daher Wohl vertragen? fragte Barreto
heitern Tones. Ihr seid gut ausgekommen mit dem Wenigen, was wir Euch
durch Jcchme Leiras heraufsendcn konnten?

Die Hirtin lachte hell auf: Nicht die Hälfte von allem haben wir an¬
rühren können, Senhor! Esmah braucht nicht viel mehr als eine wilde Tcinbe
und bringt keinen Tropfen Euers guten Weines über ihre Lippen. Ich habe
hoch gelebt, wie sonst nur am Festtage der heiligen Euscmia, und hätte ich
nicht beständig die Furcht der armen schönen Fremden vor ihren Verfolger«
geteilt, so müßte ich ja kugelrund geworden sein.

So plaudernd setzten sie den Weg über die grüne Fläche fort, welche sich
jetzt zu erhellen begann. Das Morgenlicht floß von den Bergen herab, blitzende
Strahlen fielen wie erste Pfeile der Sonne über die riesigen Steinblöcke des
Hochthals. Jayme Leiras deutete auf eine rote Wolke, die breit über die letzte
Spitze am Thalrandc lagerte und sich verdunkelte, statt sich zu vergolden. Er
verkündete gleichmütig, daß dort ein Mittagsgewitter herausziehe. Barreto ent-
gegnete, daß bis Mittag noch viele Stunden verstreichen müßten, und mahnte
nur den jungen Burschen, ihnen rascher zu folgen. Indem sie Jvanas Hütte
näher kamen, sahen sie, daß an dem Bache, welcher von dort in die kleine
Waldschlncht herabranschte, aus der die Ziegenhirtin vor einigen Tagen Barreto
und Camoens zu Hilfe gerufen hatte, ein greiser Manu in priesterlicher Tracht


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[0527] [Abbildung] (Lamoens. Rommi von Adolf Stern. (Fortsetzung,) ausend Dank, edle Herren, sagte die Kleine, mis Barreto jetzt dicht neben ihr stand und dem fröhlich dreinblickenden Mädchen freund¬ lich die Hand auf den Kopf legte. Unsre arme Flüchtige ist glückselig, daß ihr Pater Heuriques in ihrer eignen Zunge zuredet und sie die Gebete lehrt. Und Ihr habt Euch die zwei Tage daher Wohl vertragen? fragte Barreto heitern Tones. Ihr seid gut ausgekommen mit dem Wenigen, was wir Euch durch Jcchme Leiras heraufsendcn konnten? Die Hirtin lachte hell auf: Nicht die Hälfte von allem haben wir an¬ rühren können, Senhor! Esmah braucht nicht viel mehr als eine wilde Tcinbe und bringt keinen Tropfen Euers guten Weines über ihre Lippen. Ich habe hoch gelebt, wie sonst nur am Festtage der heiligen Euscmia, und hätte ich nicht beständig die Furcht der armen schönen Fremden vor ihren Verfolger« geteilt, so müßte ich ja kugelrund geworden sein. So plaudernd setzten sie den Weg über die grüne Fläche fort, welche sich jetzt zu erhellen begann. Das Morgenlicht floß von den Bergen herab, blitzende Strahlen fielen wie erste Pfeile der Sonne über die riesigen Steinblöcke des Hochthals. Jayme Leiras deutete auf eine rote Wolke, die breit über die letzte Spitze am Thalrandc lagerte und sich verdunkelte, statt sich zu vergolden. Er verkündete gleichmütig, daß dort ein Mittagsgewitter herausziehe. Barreto ent- gegnete, daß bis Mittag noch viele Stunden verstreichen müßten, und mahnte nur den jungen Burschen, ihnen rascher zu folgen. Indem sie Jvanas Hütte näher kamen, sahen sie, daß an dem Bache, welcher von dort in die kleine Waldschlncht herabranschte, aus der die Ziegenhirtin vor einigen Tagen Barreto und Camoens zu Hilfe gerufen hatte, ein greiser Manu in priesterlicher Tracht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/527>, abgerufen am 28.05.2024.