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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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die braune Heidin ins Paradies kommen soll, so hätte eine minder edle Hand
als die Eure hingereicht, ihr die Pforte zu öffnen!

Unterdes hatten Zahme Lciras und der Falkner unausgesetzt den näher
kommenden Reitertrupp im Auge behalten. Der erstere rief Barreto bereits zu,
daß es Landsleute und keine Mauren seien, welche im Trabe das Thal durch-
maßen. Der Falkner aber stand auf einem der Felsblöcke, streckte den Kopf
immer weiter vor und riß die Augen auf, als ob er etwas ganz besondres
wahrnehme. Noch einmal blickte er den Heranreitenden scharf entgegen, dann
rief er mit einem Ton, in dem sich Entzücken und plötzlicher Schreck wundersam
paarten: Der König -- der König!

Eine Minute später erkannten alle hier versammelten, daß es Dom Sebastian
war, der auf einem Rappen dem hinter ihm dreinkommenden Gefolge voran¬
jagte, und der fein Ziel offenbar an Jocmas Hütte zu finden gedachte.




Sechstes Aapitel,

Dom Sebastians Augen schweifte", als er unter dem Schatten einer der
zerwetterten Eichen plötzlich sei" Pferd zurückriß und dann das dampfende Tier
im Schritt heran lenkte, nicht wie sonst über das Ziel hinaus. Sie hefteten
sich fest lind prüfend auf die Gruppe seiner Unterthanen. Sein von der Jagd
und dem scharfen Ritt frisch gerötetes Gesicht zeigte einen eigentümlichen Aus¬
druck: das Entzücken über den Anblick der jungen Gräfin Palmeirim war noch
nicht völlig von dem Mißbehagen verscheucht, mit dem er Camoens und Barreto
in der Gesellschaft Catarinas bemerkt hatte. Ganz unerklärlich war dem Könige
die Anwesenheit eines dienenden Priesters vom Christusvrden -- in seiner Seele
zuckte ein Argwohn ans, den er nur mühsam hinter einem Scherz verbarg:
Meinen Morgengruß, Donna Catarina! Wie oft habe ich vergeblich gestrebt,
Euch, schöne Gräfin, auf einem Jagdzuge zu begegnen -- heute finde ich Euch
unverhofft mit diesen Edelleuten und dem Hochwürdigen hier. Ich will hoffen,
Pater, daß du nicht für die Gräfin und einen von ihnen deines Amtes ge¬
waltet hast?

Aus dem Tone des erregten Fürsten klang es wie eine verhaltene Drohung.
Catarina richtete unerschrocken und mit so Heller Fröhlichkeit im Gesichte ihre
Augen auf den König, daß er die seinen unwillkürlich niederschlug. Erhabner
Herr, sagte sie mit anmutiger Verneigung, Ihr wißt wohl, daß die Gräfin
Palmeirim nicht zum Traualtar treten wird, ohne ihres Königs Zustimmung
eingeholt zu haben. Ew. Majestät werden sich nicht erinnern, daß ich um Er¬
laubnis zu meiner Vermählung gebeten habe.

Die stolze Fassung des jungen Mädchens befreite auch die Männer, wenigstens
die drei, welche mit Catarina unmittelbar vor dem Könige standen, von der


die braune Heidin ins Paradies kommen soll, so hätte eine minder edle Hand
als die Eure hingereicht, ihr die Pforte zu öffnen!

Unterdes hatten Zahme Lciras und der Falkner unausgesetzt den näher
kommenden Reitertrupp im Auge behalten. Der erstere rief Barreto bereits zu,
daß es Landsleute und keine Mauren seien, welche im Trabe das Thal durch-
maßen. Der Falkner aber stand auf einem der Felsblöcke, streckte den Kopf
immer weiter vor und riß die Augen auf, als ob er etwas ganz besondres
wahrnehme. Noch einmal blickte er den Heranreitenden scharf entgegen, dann
rief er mit einem Ton, in dem sich Entzücken und plötzlicher Schreck wundersam
paarten: Der König — der König!

Eine Minute später erkannten alle hier versammelten, daß es Dom Sebastian
war, der auf einem Rappen dem hinter ihm dreinkommenden Gefolge voran¬
jagte, und der fein Ziel offenbar an Jocmas Hütte zu finden gedachte.




Sechstes Aapitel,

Dom Sebastians Augen schweifte», als er unter dem Schatten einer der
zerwetterten Eichen plötzlich sei» Pferd zurückriß und dann das dampfende Tier
im Schritt heran lenkte, nicht wie sonst über das Ziel hinaus. Sie hefteten
sich fest lind prüfend auf die Gruppe seiner Unterthanen. Sein von der Jagd
und dem scharfen Ritt frisch gerötetes Gesicht zeigte einen eigentümlichen Aus¬
druck: das Entzücken über den Anblick der jungen Gräfin Palmeirim war noch
nicht völlig von dem Mißbehagen verscheucht, mit dem er Camoens und Barreto
in der Gesellschaft Catarinas bemerkt hatte. Ganz unerklärlich war dem Könige
die Anwesenheit eines dienenden Priesters vom Christusvrden — in seiner Seele
zuckte ein Argwohn ans, den er nur mühsam hinter einem Scherz verbarg:
Meinen Morgengruß, Donna Catarina! Wie oft habe ich vergeblich gestrebt,
Euch, schöne Gräfin, auf einem Jagdzuge zu begegnen — heute finde ich Euch
unverhofft mit diesen Edelleuten und dem Hochwürdigen hier. Ich will hoffen,
Pater, daß du nicht für die Gräfin und einen von ihnen deines Amtes ge¬
waltet hast?

Aus dem Tone des erregten Fürsten klang es wie eine verhaltene Drohung.
Catarina richtete unerschrocken und mit so Heller Fröhlichkeit im Gesichte ihre
Augen auf den König, daß er die seinen unwillkürlich niederschlug. Erhabner
Herr, sagte sie mit anmutiger Verneigung, Ihr wißt wohl, daß die Gräfin
Palmeirim nicht zum Traualtar treten wird, ohne ihres Königs Zustimmung
eingeholt zu haben. Ew. Majestät werden sich nicht erinnern, daß ich um Er¬
laubnis zu meiner Vermählung gebeten habe.

Die stolze Fassung des jungen Mädchens befreite auch die Männer, wenigstens
die drei, welche mit Catarina unmittelbar vor dem Könige standen, von der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/574>, abgerufen am 19.05.2024.