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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Die Honntagsarbeit.

egen die Sonntagsarbeit wird von drei Gesichtspunkte ans ge¬
arbeitet: mit Rücksicht auf die Sonntagsheiligung, die Sonntags¬
ruhe und, leugnen wir es nicht, um dem "Arbeiter" mehr als
bisher Gelegenheit zum materiellen Lebensgenusse zu bieten. Bei
dieser gemeinsamen Arbeit von allen Seiten, wenn mich von den
verschiedensten Gesichtspunkten aus, wird die Frage nicht zur Ruhe kommen,
bis sie ihre Lösung gefunden hat. Es ist schon so viel darüber geschrieben
worden, daß es einer ausführlichen Erörterung der Angelegenheit nicht mehr
bedarf. Hier sollen nur einige gegen die Einführung der Sonntagsruhe geltend
gemachten Punkte kurz besprochen werden.

Zunächst stört es viele, von einer Sountagsheiligung reden zu hören; das
sind die Menschen, welche es überhaupt nicht mehr für zeitgemäß halten, von
Religion und Befriedigung religiöser Bedürfnisse zu reden, wenigstens wenn es
sich um christliche Religion handelt, welche aber die strenge Beobachtung jüdischer
Religionsvorschriften, namentlich auch des jüdischen Sabbaths, für etwas höchst
anerkennenswertes erklären; die Träger solcher Anschauungen sind meist so liberal,
daß sie vor lauter Liberalismus illiberal werden, und es ist deshalb mit ihnen
nicht zu streiten. Umso entschiedner aber muß ihnen gegenüber betont werden,
daß wir, die wir noch den christlichen Sonntag anerkennen, uns die Freiheit,
diesen Sonntag zu heiligen, nicht nehmen lassen wollen, und da die überwiegende
Mehrheit unsers Volkes bis jetzt noch ihr christliches Bewußtsein auch bezüglich
des Sonntags gewahrt hat, eine Sonntagsfeier ohne Sonntagsruhe aber un¬
möglich ist, so hat der Staat bei aller ihm sonst zukommenden Neutralität gegen
die einzelnen Konfessionen diese für die Mehrheit des Volkes notwendige Sonntags¬
ruhe unter seinen Schutz zu nehmen. Will jemand außer unserm Sonntag noch
einen andern Wochentag heilig halten, so bleibt ihm das ja unbenommen, es
ist aber kein Grund vorhanden, z, B. wegen der jüdischen Sabbathfeier unsern
Sonntag herabzusetzen. Damit wollen wir noch lange nicht für einen puritanisch
streng gehaltenen Sonntag eintreten. Es giebt ja auch unter uns einzelne
Leute, welche an einer solchen Art Sonntagsbegehung (eine Feier kann man das
nicht mehr nennen), an einer solchen Selbstquälerei Gefallen haben; die Freiheit,
ihren Sonntag auf diese Weise hinzubringen, wird man diesen Leuten nicht
nehmen können, aber daß sie viel Nachahmer finden sollten, ist nicht zu be¬
fürchten. Puritanische Svnntagsheiligung entspricht dem deutschen Charakter
zu wenig, als daß man zu fürchten hätte, sie könne bei uns epidemisch werden;
ohnehin hat man es ja in der Hand, die Vorschriften über die Sonntagsfeier


Die Honntagsarbeit.

egen die Sonntagsarbeit wird von drei Gesichtspunkte ans ge¬
arbeitet: mit Rücksicht auf die Sonntagsheiligung, die Sonntags¬
ruhe und, leugnen wir es nicht, um dem „Arbeiter" mehr als
bisher Gelegenheit zum materiellen Lebensgenusse zu bieten. Bei
dieser gemeinsamen Arbeit von allen Seiten, wenn mich von den
verschiedensten Gesichtspunkten aus, wird die Frage nicht zur Ruhe kommen,
bis sie ihre Lösung gefunden hat. Es ist schon so viel darüber geschrieben
worden, daß es einer ausführlichen Erörterung der Angelegenheit nicht mehr
bedarf. Hier sollen nur einige gegen die Einführung der Sonntagsruhe geltend
gemachten Punkte kurz besprochen werden.

Zunächst stört es viele, von einer Sountagsheiligung reden zu hören; das
sind die Menschen, welche es überhaupt nicht mehr für zeitgemäß halten, von
Religion und Befriedigung religiöser Bedürfnisse zu reden, wenigstens wenn es
sich um christliche Religion handelt, welche aber die strenge Beobachtung jüdischer
Religionsvorschriften, namentlich auch des jüdischen Sabbaths, für etwas höchst
anerkennenswertes erklären; die Träger solcher Anschauungen sind meist so liberal,
daß sie vor lauter Liberalismus illiberal werden, und es ist deshalb mit ihnen
nicht zu streiten. Umso entschiedner aber muß ihnen gegenüber betont werden,
daß wir, die wir noch den christlichen Sonntag anerkennen, uns die Freiheit,
diesen Sonntag zu heiligen, nicht nehmen lassen wollen, und da die überwiegende
Mehrheit unsers Volkes bis jetzt noch ihr christliches Bewußtsein auch bezüglich
des Sonntags gewahrt hat, eine Sonntagsfeier ohne Sonntagsruhe aber un¬
möglich ist, so hat der Staat bei aller ihm sonst zukommenden Neutralität gegen
die einzelnen Konfessionen diese für die Mehrheit des Volkes notwendige Sonntags¬
ruhe unter seinen Schutz zu nehmen. Will jemand außer unserm Sonntag noch
einen andern Wochentag heilig halten, so bleibt ihm das ja unbenommen, es
ist aber kein Grund vorhanden, z, B. wegen der jüdischen Sabbathfeier unsern
Sonntag herabzusetzen. Damit wollen wir noch lange nicht für einen puritanisch
streng gehaltenen Sonntag eintreten. Es giebt ja auch unter uns einzelne
Leute, welche an einer solchen Art Sonntagsbegehung (eine Feier kann man das
nicht mehr nennen), an einer solchen Selbstquälerei Gefallen haben; die Freiheit,
ihren Sonntag auf diese Weise hinzubringen, wird man diesen Leuten nicht
nehmen können, aber daß sie viel Nachahmer finden sollten, ist nicht zu be¬
fürchten. Puritanische Svnntagsheiligung entspricht dem deutschen Charakter
zu wenig, als daß man zu fürchten hätte, sie könne bei uns epidemisch werden;
ohnehin hat man es ja in der Hand, die Vorschriften über die Sonntagsfeier


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[0114] Die Honntagsarbeit. egen die Sonntagsarbeit wird von drei Gesichtspunkte ans ge¬ arbeitet: mit Rücksicht auf die Sonntagsheiligung, die Sonntags¬ ruhe und, leugnen wir es nicht, um dem „Arbeiter" mehr als bisher Gelegenheit zum materiellen Lebensgenusse zu bieten. Bei dieser gemeinsamen Arbeit von allen Seiten, wenn mich von den verschiedensten Gesichtspunkten aus, wird die Frage nicht zur Ruhe kommen, bis sie ihre Lösung gefunden hat. Es ist schon so viel darüber geschrieben worden, daß es einer ausführlichen Erörterung der Angelegenheit nicht mehr bedarf. Hier sollen nur einige gegen die Einführung der Sonntagsruhe geltend gemachten Punkte kurz besprochen werden. Zunächst stört es viele, von einer Sountagsheiligung reden zu hören; das sind die Menschen, welche es überhaupt nicht mehr für zeitgemäß halten, von Religion und Befriedigung religiöser Bedürfnisse zu reden, wenigstens wenn es sich um christliche Religion handelt, welche aber die strenge Beobachtung jüdischer Religionsvorschriften, namentlich auch des jüdischen Sabbaths, für etwas höchst anerkennenswertes erklären; die Träger solcher Anschauungen sind meist so liberal, daß sie vor lauter Liberalismus illiberal werden, und es ist deshalb mit ihnen nicht zu streiten. Umso entschiedner aber muß ihnen gegenüber betont werden, daß wir, die wir noch den christlichen Sonntag anerkennen, uns die Freiheit, diesen Sonntag zu heiligen, nicht nehmen lassen wollen, und da die überwiegende Mehrheit unsers Volkes bis jetzt noch ihr christliches Bewußtsein auch bezüglich des Sonntags gewahrt hat, eine Sonntagsfeier ohne Sonntagsruhe aber un¬ möglich ist, so hat der Staat bei aller ihm sonst zukommenden Neutralität gegen die einzelnen Konfessionen diese für die Mehrheit des Volkes notwendige Sonntags¬ ruhe unter seinen Schutz zu nehmen. Will jemand außer unserm Sonntag noch einen andern Wochentag heilig halten, so bleibt ihm das ja unbenommen, es ist aber kein Grund vorhanden, z, B. wegen der jüdischen Sabbathfeier unsern Sonntag herabzusetzen. Damit wollen wir noch lange nicht für einen puritanisch streng gehaltenen Sonntag eintreten. Es giebt ja auch unter uns einzelne Leute, welche an einer solchen Art Sonntagsbegehung (eine Feier kann man das nicht mehr nennen), an einer solchen Selbstquälerei Gefallen haben; die Freiheit, ihren Sonntag auf diese Weise hinzubringen, wird man diesen Leuten nicht nehmen können, aber daß sie viel Nachahmer finden sollten, ist nicht zu be¬ fürchten. Puritanische Svnntagsheiligung entspricht dem deutschen Charakter zu wenig, als daß man zu fürchten hätte, sie könne bei uns epidemisch werden; ohnehin hat man es ja in der Hand, die Vorschriften über die Sonntagsfeier

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/114>, abgerufen am 02.05.2024.