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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Frankreich und die Orleans.

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Mleder einmal sieht es aus, als ob das Damoklesschwert, welches
über den Häuptern der Prinzen schwebt, die von den monarchischen
Parteien Frankreichs als Erben der Republik betrachtet werden,
sich demnächst senken würde. Ohne Bild gesprochen, schon seit
einigen Wochen dringt die "öffentliche Meinung," d. h. die Presse
der opportunistischen und der roten Republikaner, wieder lebhaft auf die Ver¬
bannung dieser Mitglieder der früher herrschenden Dynastien. Die betreffenden
Persönlichkeiten sind zunächst die Herren vom Hause Orleans: der Graf von
Paris, der Herzog von Orleans, der Prinz Ferdinand von Orleans, der Herzog
von Chartres und seine beiden Söhne, der Herzog von Nemours, der Herzog,
von Alenyon und sein Sohn, der Prinz von Joinville und die Herzöge von
Penthievre und von Aumale, dann Prinz Napoleon Bonaparte nebst seinen
beiden Söhnen, den Prinzen Victor und Louis Napoleon, sowie Prinz Roland
Bonaparte. Die Gefahr einer Ausweisung richtet sich diesmal in erster Reihe
gegen die Fürstlichkeiten aus dem Hause Orleans, welche in der That einigen
Anlaß gegeben haben, daß der Argwohn der Republikaner wieder erwachte.
In den Salons des Hotels Galliera, der Wohnung des Grafen von Paris,
fand am 15. Mai eine große royalistische Kundgebung statt, indem die Prin¬
zessin Amelie, die älteste Tochter eines Enkels Ludwig Philipps, vor ihrer
Abreise nach Lissabon, wo sie seitdem mit dem Herzoge von Braganza, dem
Thronfolger des Königs von Portugal, vermählt worden ist, die "Huldigungen"
der aristokratischen Kreise von Paris entgegennahm, die ihren Vater als recht¬
mäßigen König der Franzosen ansehen. Der Empfang der vielen Hunderte,
die bei dieser Gelegenheit erschienen, entsprach ganz der Etikette, die in der
Zeit der Restauration herrschte, und es schien, als ob der Hof Karls des
Zehnten wieder ausgelebt wäre. Der orleanistische ?ig"ro feierte "die Tochter
Frankreichs, die den heimatlichen Boden verläßt, um dereinst über ein Nachbar¬
volk zu herrschen," und meinte, jetzt sei das Morgenrot der Auferstehung für
das französische Königtum emporgestiegen. Das war eine starke Unvorsichtig¬
keit, ein vorschneller Jnbel und eine Herausforderung der Republikaner, die
in ihren Blättern ohne Verzug den Handschuh aufnahmen und die Regierung
mit allem Ernste aufforderten, Maßregeln gegen die Prinzen zu ergreifen.
Besonders energisch gingen die Radikalen vom Volt-uro und der I.-uiwrno vor,
aber auch die opportunistische Presse verlangte ein kräftiges Handeln. Beide
Parteien hatten indes dabei Nebenzwecke egoistischer Natur vor Augen, die sie
einander vorwarfen. Die Radikalen wollten sich den Ruhm nicht entgehen


Frankreich und die Orleans.

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Mleder einmal sieht es aus, als ob das Damoklesschwert, welches
über den Häuptern der Prinzen schwebt, die von den monarchischen
Parteien Frankreichs als Erben der Republik betrachtet werden,
sich demnächst senken würde. Ohne Bild gesprochen, schon seit
einigen Wochen dringt die „öffentliche Meinung," d. h. die Presse
der opportunistischen und der roten Republikaner, wieder lebhaft auf die Ver¬
bannung dieser Mitglieder der früher herrschenden Dynastien. Die betreffenden
Persönlichkeiten sind zunächst die Herren vom Hause Orleans: der Graf von
Paris, der Herzog von Orleans, der Prinz Ferdinand von Orleans, der Herzog
von Chartres und seine beiden Söhne, der Herzog von Nemours, der Herzog,
von Alenyon und sein Sohn, der Prinz von Joinville und die Herzöge von
Penthievre und von Aumale, dann Prinz Napoleon Bonaparte nebst seinen
beiden Söhnen, den Prinzen Victor und Louis Napoleon, sowie Prinz Roland
Bonaparte. Die Gefahr einer Ausweisung richtet sich diesmal in erster Reihe
gegen die Fürstlichkeiten aus dem Hause Orleans, welche in der That einigen
Anlaß gegeben haben, daß der Argwohn der Republikaner wieder erwachte.
In den Salons des Hotels Galliera, der Wohnung des Grafen von Paris,
fand am 15. Mai eine große royalistische Kundgebung statt, indem die Prin¬
zessin Amelie, die älteste Tochter eines Enkels Ludwig Philipps, vor ihrer
Abreise nach Lissabon, wo sie seitdem mit dem Herzoge von Braganza, dem
Thronfolger des Königs von Portugal, vermählt worden ist, die „Huldigungen"
der aristokratischen Kreise von Paris entgegennahm, die ihren Vater als recht¬
mäßigen König der Franzosen ansehen. Der Empfang der vielen Hunderte,
die bei dieser Gelegenheit erschienen, entsprach ganz der Etikette, die in der
Zeit der Restauration herrschte, und es schien, als ob der Hof Karls des
Zehnten wieder ausgelebt wäre. Der orleanistische ?ig»ro feierte „die Tochter
Frankreichs, die den heimatlichen Boden verläßt, um dereinst über ein Nachbar¬
volk zu herrschen," und meinte, jetzt sei das Morgenrot der Auferstehung für
das französische Königtum emporgestiegen. Das war eine starke Unvorsichtig¬
keit, ein vorschneller Jnbel und eine Herausforderung der Republikaner, die
in ihren Blättern ohne Verzug den Handschuh aufnahmen und die Regierung
mit allem Ernste aufforderten, Maßregeln gegen die Prinzen zu ergreifen.
Besonders energisch gingen die Radikalen vom Volt-uro und der I.-uiwrno vor,
aber auch die opportunistische Presse verlangte ein kräftiges Handeln. Beide
Parteien hatten indes dabei Nebenzwecke egoistischer Natur vor Augen, die sie
einander vorwarfen. Die Radikalen wollten sich den Ruhm nicht entgehen


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[0486] Frankreich und die Orleans. > MiW^N »»» Z.-k^WZL^S-K' Mleder einmal sieht es aus, als ob das Damoklesschwert, welches über den Häuptern der Prinzen schwebt, die von den monarchischen Parteien Frankreichs als Erben der Republik betrachtet werden, sich demnächst senken würde. Ohne Bild gesprochen, schon seit einigen Wochen dringt die „öffentliche Meinung," d. h. die Presse der opportunistischen und der roten Republikaner, wieder lebhaft auf die Ver¬ bannung dieser Mitglieder der früher herrschenden Dynastien. Die betreffenden Persönlichkeiten sind zunächst die Herren vom Hause Orleans: der Graf von Paris, der Herzog von Orleans, der Prinz Ferdinand von Orleans, der Herzog von Chartres und seine beiden Söhne, der Herzog von Nemours, der Herzog, von Alenyon und sein Sohn, der Prinz von Joinville und die Herzöge von Penthievre und von Aumale, dann Prinz Napoleon Bonaparte nebst seinen beiden Söhnen, den Prinzen Victor und Louis Napoleon, sowie Prinz Roland Bonaparte. Die Gefahr einer Ausweisung richtet sich diesmal in erster Reihe gegen die Fürstlichkeiten aus dem Hause Orleans, welche in der That einigen Anlaß gegeben haben, daß der Argwohn der Republikaner wieder erwachte. In den Salons des Hotels Galliera, der Wohnung des Grafen von Paris, fand am 15. Mai eine große royalistische Kundgebung statt, indem die Prin¬ zessin Amelie, die älteste Tochter eines Enkels Ludwig Philipps, vor ihrer Abreise nach Lissabon, wo sie seitdem mit dem Herzoge von Braganza, dem Thronfolger des Königs von Portugal, vermählt worden ist, die „Huldigungen" der aristokratischen Kreise von Paris entgegennahm, die ihren Vater als recht¬ mäßigen König der Franzosen ansehen. Der Empfang der vielen Hunderte, die bei dieser Gelegenheit erschienen, entsprach ganz der Etikette, die in der Zeit der Restauration herrschte, und es schien, als ob der Hof Karls des Zehnten wieder ausgelebt wäre. Der orleanistische ?ig»ro feierte „die Tochter Frankreichs, die den heimatlichen Boden verläßt, um dereinst über ein Nachbar¬ volk zu herrschen," und meinte, jetzt sei das Morgenrot der Auferstehung für das französische Königtum emporgestiegen. Das war eine starke Unvorsichtig¬ keit, ein vorschneller Jnbel und eine Herausforderung der Republikaner, die in ihren Blättern ohne Verzug den Handschuh aufnahmen und die Regierung mit allem Ernste aufforderten, Maßregeln gegen die Prinzen zu ergreifen. Besonders energisch gingen die Radikalen vom Volt-uro und der I.-uiwrno vor, aber auch die opportunistische Presse verlangte ein kräftiges Handeln. Beide Parteien hatten indes dabei Nebenzwecke egoistischer Natur vor Augen, die sie einander vorwarfen. Die Radikalen wollten sich den Ruhm nicht entgehen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/486>, abgerufen am 02.05.2024.