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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Notizen.

schützen, gestern wurden ich und Gräfin Catarina vor einem Stummen des
Emirs, der sich in den Palast eingeschlichen, nur eben noch gerettet. Die Her¬
zogin übergiebt mich deinem Schutze, Herr! Ich aber komme zu dir, wie Ruth
zu Boas kam, du wirst thun, was dir gefällt!

Von einem nie gekannten, halb hangenden, halb glückseligen Schauer er¬
griffen, sah Senhor Manuel die zarte, jugendliche Gestalt zu seinen Füßen, sah
ihr Gesicht, ihre strahlenden Augen mit rührender Bitte auf die seinen gerichtet,
er suchte nur zu verhindern, daß Esmah seine Füße umklammerte. Ihr Ausruf
wie Ruth zu Bons! und der Strahl ihrer Augen wirkten auf ihn wie Lenz-
Hauch und berauschender Wein, er faßte Esmahs zu ihm emporgestrecktc Hände
und sagte: Mein Schutz ist dir gewiß, Esmah! Du sagst, daß du zu mir
kommst wie Ruth zu Boas, ich verstehe es nicht, Kind, was du damit meinst.
Willst du meine Tochter, willst dn mein Weib sein? -- du selbst mußt in dieser
ersten Stunde entscheiden, und wie du entscheidest, wird es gehalten werden im
Angesicht Gottes und der allerheiligsten Jungfrau.

Dabei ging doch ein Zittern dnrch den Leib des Fragers, seine Augen,
in denen ein Hoffnuugsglauz war, hingen an den Lippen des Mädchens. Esmah
neigte das Haupt noch einmal auf ihre heimische Art, dann flüsterte sie: Dir
allein vertraue ich, Herr, dir aber ganz! Deine Tochter würde ich sein, wenn
du es befiehlst, dein Weib, wenn du es willst!

schamvoll und vom süßesten Liebreiz umflossen, saß sie in ergebener
Haltung vor ihm -- ihre erste Bewegung war gewesen, ihr Gesicht wieder vor
den Augen des entzückten Mannes zu verhüllen, zu dem sie dies gesprochen.
Dann besann sie sich, daß der, welchem sie sich zum Kinde oder zum Weibe
gegeben, selbst unter ihrem Volke ein Recht habe, sie unverhüllt zu schauen.
Und so schlug sie nur die Augen nieder und heftete sie auf den Teppich zu
Füßen des Lagers. Manuel Barretv aber, der in diesem Augenblicke draußen
Schritte vernahm, zog unbekümmert um alles den Kopf Esmahs an seine
mächtige Brust und rief ihr ins Ohr: So sollst du sein, was mir das beste
Recht giebt, dich zu schützen -- mein Weib, Esmah! und alle meine Jahre
mögen ein Dank sür diese gesegnete Stunde werden! (Fortsetzung folgt.)




Notizen.
Ein Stammbuchblatt Goethes.

An Herrn Dr. G. Wustmnnn in Leipzig.
Hochgeehrtester Herr! Nach den eben aus dem Goethe-Archiv erschienenen Briefen
des Leipziger Studenten an seine Schwester und seineu Jmmthnn Behrisch müssen
die Blätter über Goethes Leben in Leipzig völlig ungeschrieben werden, da manche
Berichte, die wir in seiner eignen Lebensbeschreibung lesen, sich als irrig ergeben,
vieles bisher Unbekannte, und darunter manches sehr Bedeutende, in die Erzählung


Notizen.

schützen, gestern wurden ich und Gräfin Catarina vor einem Stummen des
Emirs, der sich in den Palast eingeschlichen, nur eben noch gerettet. Die Her¬
zogin übergiebt mich deinem Schutze, Herr! Ich aber komme zu dir, wie Ruth
zu Boas kam, du wirst thun, was dir gefällt!

Von einem nie gekannten, halb hangenden, halb glückseligen Schauer er¬
griffen, sah Senhor Manuel die zarte, jugendliche Gestalt zu seinen Füßen, sah
ihr Gesicht, ihre strahlenden Augen mit rührender Bitte auf die seinen gerichtet,
er suchte nur zu verhindern, daß Esmah seine Füße umklammerte. Ihr Ausruf
wie Ruth zu Bons! und der Strahl ihrer Augen wirkten auf ihn wie Lenz-
Hauch und berauschender Wein, er faßte Esmahs zu ihm emporgestrecktc Hände
und sagte: Mein Schutz ist dir gewiß, Esmah! Du sagst, daß du zu mir
kommst wie Ruth zu Boas, ich verstehe es nicht, Kind, was du damit meinst.
Willst du meine Tochter, willst dn mein Weib sein? — du selbst mußt in dieser
ersten Stunde entscheiden, und wie du entscheidest, wird es gehalten werden im
Angesicht Gottes und der allerheiligsten Jungfrau.

Dabei ging doch ein Zittern dnrch den Leib des Fragers, seine Augen,
in denen ein Hoffnuugsglauz war, hingen an den Lippen des Mädchens. Esmah
neigte das Haupt noch einmal auf ihre heimische Art, dann flüsterte sie: Dir
allein vertraue ich, Herr, dir aber ganz! Deine Tochter würde ich sein, wenn
du es befiehlst, dein Weib, wenn du es willst!

schamvoll und vom süßesten Liebreiz umflossen, saß sie in ergebener
Haltung vor ihm — ihre erste Bewegung war gewesen, ihr Gesicht wieder vor
den Augen des entzückten Mannes zu verhüllen, zu dem sie dies gesprochen.
Dann besann sie sich, daß der, welchem sie sich zum Kinde oder zum Weibe
gegeben, selbst unter ihrem Volke ein Recht habe, sie unverhüllt zu schauen.
Und so schlug sie nur die Augen nieder und heftete sie auf den Teppich zu
Füßen des Lagers. Manuel Barretv aber, der in diesem Augenblicke draußen
Schritte vernahm, zog unbekümmert um alles den Kopf Esmahs an seine
mächtige Brust und rief ihr ins Ohr: So sollst du sein, was mir das beste
Recht giebt, dich zu schützen — mein Weib, Esmah! und alle meine Jahre
mögen ein Dank sür diese gesegnete Stunde werden! (Fortsetzung folgt.)




Notizen.
Ein Stammbuchblatt Goethes.

An Herrn Dr. G. Wustmnnn in Leipzig.
Hochgeehrtester Herr! Nach den eben aus dem Goethe-Archiv erschienenen Briefen
des Leipziger Studenten an seine Schwester und seineu Jmmthnn Behrisch müssen
die Blätter über Goethes Leben in Leipzig völlig ungeschrieben werden, da manche
Berichte, die wir in seiner eignen Lebensbeschreibung lesen, sich als irrig ergeben,
vieles bisher Unbekannte, und darunter manches sehr Bedeutende, in die Erzählung


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[0596] Notizen. schützen, gestern wurden ich und Gräfin Catarina vor einem Stummen des Emirs, der sich in den Palast eingeschlichen, nur eben noch gerettet. Die Her¬ zogin übergiebt mich deinem Schutze, Herr! Ich aber komme zu dir, wie Ruth zu Boas kam, du wirst thun, was dir gefällt! Von einem nie gekannten, halb hangenden, halb glückseligen Schauer er¬ griffen, sah Senhor Manuel die zarte, jugendliche Gestalt zu seinen Füßen, sah ihr Gesicht, ihre strahlenden Augen mit rührender Bitte auf die seinen gerichtet, er suchte nur zu verhindern, daß Esmah seine Füße umklammerte. Ihr Ausruf wie Ruth zu Bons! und der Strahl ihrer Augen wirkten auf ihn wie Lenz- Hauch und berauschender Wein, er faßte Esmahs zu ihm emporgestrecktc Hände und sagte: Mein Schutz ist dir gewiß, Esmah! Du sagst, daß du zu mir kommst wie Ruth zu Boas, ich verstehe es nicht, Kind, was du damit meinst. Willst du meine Tochter, willst dn mein Weib sein? — du selbst mußt in dieser ersten Stunde entscheiden, und wie du entscheidest, wird es gehalten werden im Angesicht Gottes und der allerheiligsten Jungfrau. Dabei ging doch ein Zittern dnrch den Leib des Fragers, seine Augen, in denen ein Hoffnuugsglauz war, hingen an den Lippen des Mädchens. Esmah neigte das Haupt noch einmal auf ihre heimische Art, dann flüsterte sie: Dir allein vertraue ich, Herr, dir aber ganz! Deine Tochter würde ich sein, wenn du es befiehlst, dein Weib, wenn du es willst! schamvoll und vom süßesten Liebreiz umflossen, saß sie in ergebener Haltung vor ihm — ihre erste Bewegung war gewesen, ihr Gesicht wieder vor den Augen des entzückten Mannes zu verhüllen, zu dem sie dies gesprochen. Dann besann sie sich, daß der, welchem sie sich zum Kinde oder zum Weibe gegeben, selbst unter ihrem Volke ein Recht habe, sie unverhüllt zu schauen. Und so schlug sie nur die Augen nieder und heftete sie auf den Teppich zu Füßen des Lagers. Manuel Barretv aber, der in diesem Augenblicke draußen Schritte vernahm, zog unbekümmert um alles den Kopf Esmahs an seine mächtige Brust und rief ihr ins Ohr: So sollst du sein, was mir das beste Recht giebt, dich zu schützen — mein Weib, Esmah! und alle meine Jahre mögen ein Dank sür diese gesegnete Stunde werden! (Fortsetzung folgt.) Notizen. Ein Stammbuchblatt Goethes. An Herrn Dr. G. Wustmnnn in Leipzig. Hochgeehrtester Herr! Nach den eben aus dem Goethe-Archiv erschienenen Briefen des Leipziger Studenten an seine Schwester und seineu Jmmthnn Behrisch müssen die Blätter über Goethes Leben in Leipzig völlig ungeschrieben werden, da manche Berichte, die wir in seiner eignen Lebensbeschreibung lesen, sich als irrig ergeben, vieles bisher Unbekannte, und darunter manches sehr Bedeutende, in die Erzählung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/596>, abgerufen am 02.05.2024.