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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Ginfamilienhäuser und großstädtische Villen.

n den sechziger Jahren, während der Blütezeit des Volkswirt¬
schaftlichen Kongresses, trat einmal die Frage des, selbst in den
Großstädten, an die Stelle der Mietetage zu setzenden Ein¬
familienhauses sehr in den Vordergrund, und niemand anders
als Julius Fancher nahm sich damals dieser Idee mit Leb¬
haftigkeit an. Damals wurde ernsthaft der Gedanke erwogen, ob nicht dem
übermäßigen Wachstum der Großstädte auf diese Weise, nämlich durch unver¬
hältnismäßige Ausdehnung ihres Flächenraumes, eine Grenze gezogen oder doch
eine von einen: gewissen Punkte ab nicht unwirksame Erschwerung bereitet
werden könnte; und daneben fand der sozialpolitische Gesichtspunkt, daß i"
Fabrikstädten und Industriebezirken vor allein andern an Errichtung von Ar-
bciterhänsern gedacht und dadurch das doppelte Ergebnis gesünderer Wohn-
stätten und eines Eigentums und Erbes der Arbeiterfamilien herbeigeführt werden
sollte, eine überaus lebhafte Vertretung. Darnach kam, wie immer, wieder eine
Periode der Ebbe. In den Versammlungen des Volkswirtschaftlichen Kongresses
wurden von Engel, Eras u. a. die r^tioues antik^mal geltend gemacht; Volks¬
wirte, welche es verstanden hatten, zugleich Berliner Hauseigentümer zu werden,
behaupteten, "die Etage sei in unsern Großstädten nun einmal die unvermeid¬
liche Wohnuugsform für die Masse der Bevölkerung geworden"; selbst die An¬
gelegenheit der Arbeiterhäuser fand zwar im einzelnen vielfach ihre Förderer,
aber doch auch ihre Zweifler, und zu umfassenden, gleichsam prinzipiellen Ver¬
anstaltungen nach Art der Ain ouvriöro zu Mülhausen kam es nirgends. Nur
i" einer deutschen Stadt entwickelte sich ans dem großen Wohlstande der Be¬
völkerung heraus ein praktisches Verhältnis, welches die Idee des Einfamilien¬
hauses in großem Umfange zur Verwirklichung brachte: in Hamburg; und in
Bremen draug zwar die Etage gegenüber dem alteingewöhnten Eiufamilienhaus-
systein mächtig vor, es gelang aber doch noch im wesentlichen, das gute alte System
aufrecht zu erhalten. So ist denn bis jetzt weiter nichts zu sagen, als daß
zwar viele einzelne Anläufe zur Errichtung von Arbeiter-Einfamilienhäusern ge¬
macht worden sind und in den größern Städten die "Villa" sich zu einer in
weiten Kreisen bekannten und beliebten WohnungSform ausgebildet hat, einst¬
weilen aber die Etage immer noch eher im Vor- als im Nückschreiten begriffen
ist, weil die Mietkaserne jetzt auch in die Mittel-, ja selbst schon in zahlreiche
Kleinstädte überzugreifen beginnt. Werfen wir zunächst auf diese Etagenhäuser
und ihren Einfluß auf Lebeusweise, öffentliche Errichtungen, Gesundheitsver-


Grenzbvten III. 1886. ^
Ginfamilienhäuser und großstädtische Villen.

n den sechziger Jahren, während der Blütezeit des Volkswirt¬
schaftlichen Kongresses, trat einmal die Frage des, selbst in den
Großstädten, an die Stelle der Mietetage zu setzenden Ein¬
familienhauses sehr in den Vordergrund, und niemand anders
als Julius Fancher nahm sich damals dieser Idee mit Leb¬
haftigkeit an. Damals wurde ernsthaft der Gedanke erwogen, ob nicht dem
übermäßigen Wachstum der Großstädte auf diese Weise, nämlich durch unver¬
hältnismäßige Ausdehnung ihres Flächenraumes, eine Grenze gezogen oder doch
eine von einen: gewissen Punkte ab nicht unwirksame Erschwerung bereitet
werden könnte; und daneben fand der sozialpolitische Gesichtspunkt, daß i»
Fabrikstädten und Industriebezirken vor allein andern an Errichtung von Ar-
bciterhänsern gedacht und dadurch das doppelte Ergebnis gesünderer Wohn-
stätten und eines Eigentums und Erbes der Arbeiterfamilien herbeigeführt werden
sollte, eine überaus lebhafte Vertretung. Darnach kam, wie immer, wieder eine
Periode der Ebbe. In den Versammlungen des Volkswirtschaftlichen Kongresses
wurden von Engel, Eras u. a. die r^tioues antik^mal geltend gemacht; Volks¬
wirte, welche es verstanden hatten, zugleich Berliner Hauseigentümer zu werden,
behaupteten, „die Etage sei in unsern Großstädten nun einmal die unvermeid¬
liche Wohnuugsform für die Masse der Bevölkerung geworden"; selbst die An¬
gelegenheit der Arbeiterhäuser fand zwar im einzelnen vielfach ihre Förderer,
aber doch auch ihre Zweifler, und zu umfassenden, gleichsam prinzipiellen Ver¬
anstaltungen nach Art der Ain ouvriöro zu Mülhausen kam es nirgends. Nur
i» einer deutschen Stadt entwickelte sich ans dem großen Wohlstande der Be¬
völkerung heraus ein praktisches Verhältnis, welches die Idee des Einfamilien¬
hauses in großem Umfange zur Verwirklichung brachte: in Hamburg; und in
Bremen draug zwar die Etage gegenüber dem alteingewöhnten Eiufamilienhaus-
systein mächtig vor, es gelang aber doch noch im wesentlichen, das gute alte System
aufrecht zu erhalten. So ist denn bis jetzt weiter nichts zu sagen, als daß
zwar viele einzelne Anläufe zur Errichtung von Arbeiter-Einfamilienhäusern ge¬
macht worden sind und in den größern Städten die „Villa" sich zu einer in
weiten Kreisen bekannten und beliebten WohnungSform ausgebildet hat, einst¬
weilen aber die Etage immer noch eher im Vor- als im Nückschreiten begriffen
ist, weil die Mietkaserne jetzt auch in die Mittel-, ja selbst schon in zahlreiche
Kleinstädte überzugreifen beginnt. Werfen wir zunächst auf diese Etagenhäuser
und ihren Einfluß auf Lebeusweise, öffentliche Errichtungen, Gesundheitsver-


Grenzbvten III. 1886. ^
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[0113] Ginfamilienhäuser und großstädtische Villen. n den sechziger Jahren, während der Blütezeit des Volkswirt¬ schaftlichen Kongresses, trat einmal die Frage des, selbst in den Großstädten, an die Stelle der Mietetage zu setzenden Ein¬ familienhauses sehr in den Vordergrund, und niemand anders als Julius Fancher nahm sich damals dieser Idee mit Leb¬ haftigkeit an. Damals wurde ernsthaft der Gedanke erwogen, ob nicht dem übermäßigen Wachstum der Großstädte auf diese Weise, nämlich durch unver¬ hältnismäßige Ausdehnung ihres Flächenraumes, eine Grenze gezogen oder doch eine von einen: gewissen Punkte ab nicht unwirksame Erschwerung bereitet werden könnte; und daneben fand der sozialpolitische Gesichtspunkt, daß i» Fabrikstädten und Industriebezirken vor allein andern an Errichtung von Ar- bciterhänsern gedacht und dadurch das doppelte Ergebnis gesünderer Wohn- stätten und eines Eigentums und Erbes der Arbeiterfamilien herbeigeführt werden sollte, eine überaus lebhafte Vertretung. Darnach kam, wie immer, wieder eine Periode der Ebbe. In den Versammlungen des Volkswirtschaftlichen Kongresses wurden von Engel, Eras u. a. die r^tioues antik^mal geltend gemacht; Volks¬ wirte, welche es verstanden hatten, zugleich Berliner Hauseigentümer zu werden, behaupteten, „die Etage sei in unsern Großstädten nun einmal die unvermeid¬ liche Wohnuugsform für die Masse der Bevölkerung geworden"; selbst die An¬ gelegenheit der Arbeiterhäuser fand zwar im einzelnen vielfach ihre Förderer, aber doch auch ihre Zweifler, und zu umfassenden, gleichsam prinzipiellen Ver¬ anstaltungen nach Art der Ain ouvriöro zu Mülhausen kam es nirgends. Nur i» einer deutschen Stadt entwickelte sich ans dem großen Wohlstande der Be¬ völkerung heraus ein praktisches Verhältnis, welches die Idee des Einfamilien¬ hauses in großem Umfange zur Verwirklichung brachte: in Hamburg; und in Bremen draug zwar die Etage gegenüber dem alteingewöhnten Eiufamilienhaus- systein mächtig vor, es gelang aber doch noch im wesentlichen, das gute alte System aufrecht zu erhalten. So ist denn bis jetzt weiter nichts zu sagen, als daß zwar viele einzelne Anläufe zur Errichtung von Arbeiter-Einfamilienhäusern ge¬ macht worden sind und in den größern Städten die „Villa" sich zu einer in weiten Kreisen bekannten und beliebten WohnungSform ausgebildet hat, einst¬ weilen aber die Etage immer noch eher im Vor- als im Nückschreiten begriffen ist, weil die Mietkaserne jetzt auch in die Mittel-, ja selbst schon in zahlreiche Kleinstädte überzugreifen beginnt. Werfen wir zunächst auf diese Etagenhäuser und ihren Einfluß auf Lebeusweise, öffentliche Errichtungen, Gesundheitsver- Grenzbvten III. 1886. ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/113>, abgerufen am 02.05.2024.