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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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(Lamoens.
Roman von Adolf Stern. (Fortsetzung.)

as Hochamt, welches der Patriarch selbst abhielt, dehnte sich sür
Camoens, dessen Stirn glühte, dessen dumpfe Erregung von Augen¬
blick zu Augenblick wuchs, fast endlos aus. Längst, ehe mit
vollem Glockengeläute und stärkerem Geschützdonner die Wandlung
verkündet ward, brauste und dröhnte es vor seinen Ohren, das
überangestrengte Auge begann den Dienst zu versagen, schon unterschied er
zwischen den Säulenreihen nur noch ein buntes Gewirr von glänzenden Trachten,
von demutvoll geneigten Häuptern. Über den Gruppen auf den Stufen der
Kirche kreisten Schwärme unruhig flatternder Taube", sie waren um diese
Stunde gewohnt, auf diesem Platze zu rasten und fanden ihn bis auf die letzte
Steinplatte unzugänglich. Camoens dünkte es, als sehe er seine wild durch¬
einander schwirrenden Gedanken lebendig vor sich. Er versuchte umsonst, sich
ans der pressenden Reihe, in der er stand, zu einer freiern Stellung durch¬
zuarbeiten ; erst als drinnen in der Kirche endlich der Segen gesprochen war und
die Trabanten, welche dem Zuge des Königs voranschritten, aus dem Portal
der Kirche auftauchten, fühlte er sich plötzlich die Stufen herabgetragen und
ward in dem breiten Raume zwischen Kirche und Hafen seiner selbst wieder
mächtig. Eilend stürmte er dem Hafen zu, und es gelang ihm, einen Platz am
Ufer zu gewinnen, von dem aus er das prächtige Flutbecken mit der Flotte und
das wogende Meer von Köpfen und Leibern ringsumher gleich gut überschaute,
ohne so unfrei zu sein wie eben vor den Pforten der Allerheiligenkirche. Sein
Blick ward wiederum scharf und hell und flog über die Reihe der Wagen hin,
die hinter den Zuschauermassen aufgefahren waren und aus denen Frauen die
Einschiffung des Königs und seiner Edelleute sehen wollten. Doch so erwartungs-




(Lamoens.
Roman von Adolf Stern. (Fortsetzung.)

as Hochamt, welches der Patriarch selbst abhielt, dehnte sich sür
Camoens, dessen Stirn glühte, dessen dumpfe Erregung von Augen¬
blick zu Augenblick wuchs, fast endlos aus. Längst, ehe mit
vollem Glockengeläute und stärkerem Geschützdonner die Wandlung
verkündet ward, brauste und dröhnte es vor seinen Ohren, das
überangestrengte Auge begann den Dienst zu versagen, schon unterschied er
zwischen den Säulenreihen nur noch ein buntes Gewirr von glänzenden Trachten,
von demutvoll geneigten Häuptern. Über den Gruppen auf den Stufen der
Kirche kreisten Schwärme unruhig flatternder Taube», sie waren um diese
Stunde gewohnt, auf diesem Platze zu rasten und fanden ihn bis auf die letzte
Steinplatte unzugänglich. Camoens dünkte es, als sehe er seine wild durch¬
einander schwirrenden Gedanken lebendig vor sich. Er versuchte umsonst, sich
ans der pressenden Reihe, in der er stand, zu einer freiern Stellung durch¬
zuarbeiten ; erst als drinnen in der Kirche endlich der Segen gesprochen war und
die Trabanten, welche dem Zuge des Königs voranschritten, aus dem Portal
der Kirche auftauchten, fühlte er sich plötzlich die Stufen herabgetragen und
ward in dem breiten Raume zwischen Kirche und Hafen seiner selbst wieder
mächtig. Eilend stürmte er dem Hafen zu, und es gelang ihm, einen Platz am
Ufer zu gewinnen, von dem aus er das prächtige Flutbecken mit der Flotte und
das wogende Meer von Köpfen und Leibern ringsumher gleich gut überschaute,
ohne so unfrei zu sein wie eben vor den Pforten der Allerheiligenkirche. Sein
Blick ward wiederum scharf und hell und flog über die Reihe der Wagen hin,
die hinter den Zuschauermassen aufgefahren waren und aus denen Frauen die
Einschiffung des Königs und seiner Edelleute sehen wollten. Doch so erwartungs-


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[0144] [Abbildung] (Lamoens. Roman von Adolf Stern. (Fortsetzung.) as Hochamt, welches der Patriarch selbst abhielt, dehnte sich sür Camoens, dessen Stirn glühte, dessen dumpfe Erregung von Augen¬ blick zu Augenblick wuchs, fast endlos aus. Längst, ehe mit vollem Glockengeläute und stärkerem Geschützdonner die Wandlung verkündet ward, brauste und dröhnte es vor seinen Ohren, das überangestrengte Auge begann den Dienst zu versagen, schon unterschied er zwischen den Säulenreihen nur noch ein buntes Gewirr von glänzenden Trachten, von demutvoll geneigten Häuptern. Über den Gruppen auf den Stufen der Kirche kreisten Schwärme unruhig flatternder Taube», sie waren um diese Stunde gewohnt, auf diesem Platze zu rasten und fanden ihn bis auf die letzte Steinplatte unzugänglich. Camoens dünkte es, als sehe er seine wild durch¬ einander schwirrenden Gedanken lebendig vor sich. Er versuchte umsonst, sich ans der pressenden Reihe, in der er stand, zu einer freiern Stellung durch¬ zuarbeiten ; erst als drinnen in der Kirche endlich der Segen gesprochen war und die Trabanten, welche dem Zuge des Königs voranschritten, aus dem Portal der Kirche auftauchten, fühlte er sich plötzlich die Stufen herabgetragen und ward in dem breiten Raume zwischen Kirche und Hafen seiner selbst wieder mächtig. Eilend stürmte er dem Hafen zu, und es gelang ihm, einen Platz am Ufer zu gewinnen, von dem aus er das prächtige Flutbecken mit der Flotte und das wogende Meer von Köpfen und Leibern ringsumher gleich gut überschaute, ohne so unfrei zu sein wie eben vor den Pforten der Allerheiligenkirche. Sein Blick ward wiederum scharf und hell und flog über die Reihe der Wagen hin, die hinter den Zuschauermassen aufgefahren waren und aus denen Frauen die Einschiffung des Königs und seiner Edelleute sehen wollten. Doch so erwartungs-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/144>, abgerufen am 02.05.2024.