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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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(Lamoens.
Roman von Adolf Stern. (Schluß.)

nheimlich widerspruchsvoll, wie niemals zuvor, war es jetzt
Ccnnoens inmitten dieses Getümmels zu Mute. Er empfand
wie die klagenden Tausende, zwischen denen er sich hindurch und
wieder nach dem Hafen drängte, und dennoch verschieden von
ihnen! Das Unheil der Niederlage, die düstre Aussicht in die
Zukunft, in der sein Vaterland in spanische Hände fallen mußte, brannten in
seiner Seele, er sah im Geiste das Schlachtfeld vou Aleaeer mit den Leichen
derer bedeckt, die vor kurzen Wochen streitfroh und ruhmesdurstig durch eben
diese Straßen gezogen waren, die glutroten Wolken, in denen die Sonne nieder¬
ging, gemähnten ihn heute so seltsam an Blut -- und doch war es ihm. als
habe mit einemmale sein Dasein, mitten in all dem Jammer, wieder einen Zweck
erhalten. Er erblickte in dem trostlosen Dunkel ein Licht, flackernd und
schwankend, aber dennoch erreichbar. Er schlug abermals den Weg zum
Hafen ein, nicht um in dumpfer Spannung neuen erschütternden Nachrichten
aus Afrika entgegenzuharren, sondern um zu erforschen, wie bald ein Schiff
nach Tanger hinübergehen werde. Ein paarmal blickte er auf die Spange
seines Wamses, in welcher der große Smaragd des Maharadscha von Dharwar
noch funkelte, und ein schwaches Lächeln stahl sich über sein Gesicht. Es war
gut, daß er dies einzige Kleinod noch zu opfern hatte, denn völlig mittellos
durfte er die Ausfahrt nach Catarina Palmeirim nicht wagen.

Fort und fort kehrte" seine Gedanken zu ihr zurück: aus den kurzen, ver¬
ächtlichen Worten des ehemaligen königlichen Beichtvaters erriet er, was vor¬
gegangen war, was die Ärmste gelitten haben mußte. Sie hatte dem Könige
ihr volles, reines Herz, ihre Jugend und Schönheit freudig hingegeben, um
nach wenigen Tagen den Ermahnungen Fras Tellcz Almeidas schnöde aufge-




(Lamoens.
Roman von Adolf Stern. (Schluß.)

nheimlich widerspruchsvoll, wie niemals zuvor, war es jetzt
Ccnnoens inmitten dieses Getümmels zu Mute. Er empfand
wie die klagenden Tausende, zwischen denen er sich hindurch und
wieder nach dem Hafen drängte, und dennoch verschieden von
ihnen! Das Unheil der Niederlage, die düstre Aussicht in die
Zukunft, in der sein Vaterland in spanische Hände fallen mußte, brannten in
seiner Seele, er sah im Geiste das Schlachtfeld vou Aleaeer mit den Leichen
derer bedeckt, die vor kurzen Wochen streitfroh und ruhmesdurstig durch eben
diese Straßen gezogen waren, die glutroten Wolken, in denen die Sonne nieder¬
ging, gemähnten ihn heute so seltsam an Blut — und doch war es ihm. als
habe mit einemmale sein Dasein, mitten in all dem Jammer, wieder einen Zweck
erhalten. Er erblickte in dem trostlosen Dunkel ein Licht, flackernd und
schwankend, aber dennoch erreichbar. Er schlug abermals den Weg zum
Hafen ein, nicht um in dumpfer Spannung neuen erschütternden Nachrichten
aus Afrika entgegenzuharren, sondern um zu erforschen, wie bald ein Schiff
nach Tanger hinübergehen werde. Ein paarmal blickte er auf die Spange
seines Wamses, in welcher der große Smaragd des Maharadscha von Dharwar
noch funkelte, und ein schwaches Lächeln stahl sich über sein Gesicht. Es war
gut, daß er dies einzige Kleinod noch zu opfern hatte, denn völlig mittellos
durfte er die Ausfahrt nach Catarina Palmeirim nicht wagen.

Fort und fort kehrte» seine Gedanken zu ihr zurück: aus den kurzen, ver¬
ächtlichen Worten des ehemaligen königlichen Beichtvaters erriet er, was vor¬
gegangen war, was die Ärmste gelitten haben mußte. Sie hatte dem Könige
ihr volles, reines Herz, ihre Jugend und Schönheit freudig hingegeben, um
nach wenigen Tagen den Ermahnungen Fras Tellcz Almeidas schnöde aufge-


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[0279] [Abbildung] (Lamoens. Roman von Adolf Stern. (Schluß.) nheimlich widerspruchsvoll, wie niemals zuvor, war es jetzt Ccnnoens inmitten dieses Getümmels zu Mute. Er empfand wie die klagenden Tausende, zwischen denen er sich hindurch und wieder nach dem Hafen drängte, und dennoch verschieden von ihnen! Das Unheil der Niederlage, die düstre Aussicht in die Zukunft, in der sein Vaterland in spanische Hände fallen mußte, brannten in seiner Seele, er sah im Geiste das Schlachtfeld vou Aleaeer mit den Leichen derer bedeckt, die vor kurzen Wochen streitfroh und ruhmesdurstig durch eben diese Straßen gezogen waren, die glutroten Wolken, in denen die Sonne nieder¬ ging, gemähnten ihn heute so seltsam an Blut — und doch war es ihm. als habe mit einemmale sein Dasein, mitten in all dem Jammer, wieder einen Zweck erhalten. Er erblickte in dem trostlosen Dunkel ein Licht, flackernd und schwankend, aber dennoch erreichbar. Er schlug abermals den Weg zum Hafen ein, nicht um in dumpfer Spannung neuen erschütternden Nachrichten aus Afrika entgegenzuharren, sondern um zu erforschen, wie bald ein Schiff nach Tanger hinübergehen werde. Ein paarmal blickte er auf die Spange seines Wamses, in welcher der große Smaragd des Maharadscha von Dharwar noch funkelte, und ein schwaches Lächeln stahl sich über sein Gesicht. Es war gut, daß er dies einzige Kleinod noch zu opfern hatte, denn völlig mittellos durfte er die Ausfahrt nach Catarina Palmeirim nicht wagen. Fort und fort kehrte» seine Gedanken zu ihr zurück: aus den kurzen, ver¬ ächtlichen Worten des ehemaligen königlichen Beichtvaters erriet er, was vor¬ gegangen war, was die Ärmste gelitten haben mußte. Sie hatte dem Könige ihr volles, reines Herz, ihre Jugend und Schönheit freudig hingegeben, um nach wenigen Tagen den Ermahnungen Fras Tellcz Almeidas schnöde aufge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/279>, abgerufen am 02.05.2024.