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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Aus der Chronik derer von Riffelshausen.

ich in Fragen der Moral ebenso streng denke wie du. Es ist sehr traurig, daß
Da'ita sich von den Ausschweifungen seiner Zeit nicht frei zu halten wußte.
Er war jung, gefährlich schön und ganz sein eigner Herr, aber es ist immer
schlimm genug. Nun, dies Kapitel gehört der Vergangenheit an. Danda hat
gegen mich die edelsten Grundsätze ausgesprochen. Glaube mir, er ist Kavalier
vom Scheitel bis zur Sohle.

Georg machte eine leichte Bewegung mit den Schultern, die Zweifel aus¬
zudrücken schien.

Nein, nimm mirs nicht übel, fuhr der Hofmarschall fort, du hast dich leider
in den letzten Jahren so ausschließlich auf den Verkehr mit deinen Inspektoren
und Bauern beschränkt, daß dir der Sinn für das echt Aristokratische darüber
abhanden gekommen ist. Aber denke an mich, die Zeit wird kommen, wo auch
du den wahren Kavalier schätzen wirst.

Georg schwieg noch immer, und des Hofmarschalls Stimme zitterte vor
Erregung, als er von neuem begann: Dieser Danda, sage ich dir --

In diesem Augenblicke trat Cäcilie ins Zimmer. Wie, ihr ereifert euch
über den Moosdorfer? Ein scharmanter Mensch, der Dalda; aber ein Haupt¬
windbeutel.




Fünftes Aapitel.

Cäcilie stand im Zimmer ihrer Schwägerin. Meine liebe Therese, du mußt
mir schou erlauben, hierin eine eigne Meinung zu haben. Kinder unter acht
Jahren --

Neun vorbei.

Nun, acht oder neun oder meinethalben auch zehn, gehören nicht an den
Tisch der Erwachsenen. Wenn du bis jetzt dein ganzes Hauspersonal zur
Tafel zugezogen hast, so kann ich nur sagen, daß Bohemund ein merkwürdig
nachsichtiger Ehemann ist. Unserm Georg dürfte man derartiges nicht zumuten.

Während dieser Auseinandersetzung sah sich Cäcilie in dem ihr so wohl¬
bekannten Raume um, der durch seine neue Bewohnerin bereits einen etwas
andern Charakter gewonnen hatte. Ob sie alle diese unnützen Kinkerlitzchen
selbst abstäubt, oder sollte sie das von ihrer Kammerjungfer verlangen? dachte
Cäcilie.

Therese, das glänzend braune Haar glatt gescheitelt, saß am Fenster und
nähte.

Beiläufig gesagt, fing Cäcilie wieder an, ist denn die Französin auch reinlich?
Sie sieht immer so schwarz aus!

Daran ist nur ihre südländische Hautfarbe schuld. Adeline ist ein liebes
Mädchen, geschickt und anstellig. Findest du sie nicht auch sehr hübsch?


Aus der Chronik derer von Riffelshausen.

ich in Fragen der Moral ebenso streng denke wie du. Es ist sehr traurig, daß
Da'ita sich von den Ausschweifungen seiner Zeit nicht frei zu halten wußte.
Er war jung, gefährlich schön und ganz sein eigner Herr, aber es ist immer
schlimm genug. Nun, dies Kapitel gehört der Vergangenheit an. Danda hat
gegen mich die edelsten Grundsätze ausgesprochen. Glaube mir, er ist Kavalier
vom Scheitel bis zur Sohle.

Georg machte eine leichte Bewegung mit den Schultern, die Zweifel aus¬
zudrücken schien.

Nein, nimm mirs nicht übel, fuhr der Hofmarschall fort, du hast dich leider
in den letzten Jahren so ausschließlich auf den Verkehr mit deinen Inspektoren
und Bauern beschränkt, daß dir der Sinn für das echt Aristokratische darüber
abhanden gekommen ist. Aber denke an mich, die Zeit wird kommen, wo auch
du den wahren Kavalier schätzen wirst.

Georg schwieg noch immer, und des Hofmarschalls Stimme zitterte vor
Erregung, als er von neuem begann: Dieser Danda, sage ich dir —

In diesem Augenblicke trat Cäcilie ins Zimmer. Wie, ihr ereifert euch
über den Moosdorfer? Ein scharmanter Mensch, der Dalda; aber ein Haupt¬
windbeutel.




Fünftes Aapitel.

Cäcilie stand im Zimmer ihrer Schwägerin. Meine liebe Therese, du mußt
mir schou erlauben, hierin eine eigne Meinung zu haben. Kinder unter acht
Jahren —

Neun vorbei.

Nun, acht oder neun oder meinethalben auch zehn, gehören nicht an den
Tisch der Erwachsenen. Wenn du bis jetzt dein ganzes Hauspersonal zur
Tafel zugezogen hast, so kann ich nur sagen, daß Bohemund ein merkwürdig
nachsichtiger Ehemann ist. Unserm Georg dürfte man derartiges nicht zumuten.

Während dieser Auseinandersetzung sah sich Cäcilie in dem ihr so wohl¬
bekannten Raume um, der durch seine neue Bewohnerin bereits einen etwas
andern Charakter gewonnen hatte. Ob sie alle diese unnützen Kinkerlitzchen
selbst abstäubt, oder sollte sie das von ihrer Kammerjungfer verlangen? dachte
Cäcilie.

Therese, das glänzend braune Haar glatt gescheitelt, saß am Fenster und
nähte.

Beiläufig gesagt, fing Cäcilie wieder an, ist denn die Französin auch reinlich?
Sie sieht immer so schwarz aus!

Daran ist nur ihre südländische Hautfarbe schuld. Adeline ist ein liebes
Mädchen, geschickt und anstellig. Findest du sie nicht auch sehr hübsch?


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[0383] Aus der Chronik derer von Riffelshausen. ich in Fragen der Moral ebenso streng denke wie du. Es ist sehr traurig, daß Da'ita sich von den Ausschweifungen seiner Zeit nicht frei zu halten wußte. Er war jung, gefährlich schön und ganz sein eigner Herr, aber es ist immer schlimm genug. Nun, dies Kapitel gehört der Vergangenheit an. Danda hat gegen mich die edelsten Grundsätze ausgesprochen. Glaube mir, er ist Kavalier vom Scheitel bis zur Sohle. Georg machte eine leichte Bewegung mit den Schultern, die Zweifel aus¬ zudrücken schien. Nein, nimm mirs nicht übel, fuhr der Hofmarschall fort, du hast dich leider in den letzten Jahren so ausschließlich auf den Verkehr mit deinen Inspektoren und Bauern beschränkt, daß dir der Sinn für das echt Aristokratische darüber abhanden gekommen ist. Aber denke an mich, die Zeit wird kommen, wo auch du den wahren Kavalier schätzen wirst. Georg schwieg noch immer, und des Hofmarschalls Stimme zitterte vor Erregung, als er von neuem begann: Dieser Danda, sage ich dir — In diesem Augenblicke trat Cäcilie ins Zimmer. Wie, ihr ereifert euch über den Moosdorfer? Ein scharmanter Mensch, der Dalda; aber ein Haupt¬ windbeutel. Fünftes Aapitel. Cäcilie stand im Zimmer ihrer Schwägerin. Meine liebe Therese, du mußt mir schou erlauben, hierin eine eigne Meinung zu haben. Kinder unter acht Jahren — Neun vorbei. Nun, acht oder neun oder meinethalben auch zehn, gehören nicht an den Tisch der Erwachsenen. Wenn du bis jetzt dein ganzes Hauspersonal zur Tafel zugezogen hast, so kann ich nur sagen, daß Bohemund ein merkwürdig nachsichtiger Ehemann ist. Unserm Georg dürfte man derartiges nicht zumuten. Während dieser Auseinandersetzung sah sich Cäcilie in dem ihr so wohl¬ bekannten Raume um, der durch seine neue Bewohnerin bereits einen etwas andern Charakter gewonnen hatte. Ob sie alle diese unnützen Kinkerlitzchen selbst abstäubt, oder sollte sie das von ihrer Kammerjungfer verlangen? dachte Cäcilie. Therese, das glänzend braune Haar glatt gescheitelt, saß am Fenster und nähte. Beiläufig gesagt, fing Cäcilie wieder an, ist denn die Französin auch reinlich? Sie sieht immer so schwarz aus! Daran ist nur ihre südländische Hautfarbe schuld. Adeline ist ein liebes Mädchen, geschickt und anstellig. Findest du sie nicht auch sehr hübsch?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/383>, abgerufen am 02.05.2024.