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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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(Lamoens.
Roman von Adolf Stern. (Fortsetzung.)
Zehntes Kapitel.

in hochsommerlicher Sonnenuntergang tauchte den weiten Hafen
von Lissabon, die angrenzenden Teile der Stadt und den könig¬
lichen Palast in funkelndes Licht und rote Glut. Die Masten
und die halbgchißten Segel der großen Flotte, deren Schiffe in
drei langen Reihen den Hafen fast erfüllten, schienen in Brand
zu stehen, und tausende von müßigen Zuschauern, welche sich um und zwischen
tausende von Geschäftigen drängte", richteten ihre Augen nach den überglühten
Mastspitzen, den rosig schimmernden Leinwandflächen, unter denen sich am Bord
der dunkeln Schiffe ein wirres Getümmel bewegte. Die Einschiffung des Heeres,
mit dem König Sebastian nach Afrika segeln wollte, sollte morgen im Laufe
des Tages erfolgen, doch schon heute fuhren Hunderte von Booten unablässig
zwischen den steinernen Uferbrüstungen und den Schiffen hin und her, tausend¬
stimmiges Geschrei erfüllte deu Platz vor der Kirche und die abschüssigen Straßen,
welche zum Hafen führten. Geschütze, Waffen, Zelte. Lebensmittel wurden mit
tobenden Lärm zum Ufer gebracht, endlose Züge von zweirädrigen Karren,
von Maultieren und Lastcseln teilten die am Hafen versammelten Massen. Vou
schwatzenden, rufenden und gebietenden Stimmen, von dem Rasseln der plumpen
Räder, dein Wiehern der Tiere, demi Klatschen der Nuder und tausendfältigen
Geräusch ward beinahe das Avelänteu auf den Türmen übertönt. Und selbst
als endlich die Lärmenden und Geschäftigen die Mahnung vernahmen, tausend
Häupter sich senkten, tausend Hände sich falteten, währte die Stille nur wenige
Minuten; unmittelbar nach dem Gebet erhob sich aufs neue das Getöse, das
vom Palast nach dem Hafen und vom Hafen nach dem Palast zurückzufinden
schien. Aus allen Straßen, die aus dem Königsschloß zu überschauen waren,




(Lamoens.
Roman von Adolf Stern. (Fortsetzung.)
Zehntes Kapitel.

in hochsommerlicher Sonnenuntergang tauchte den weiten Hafen
von Lissabon, die angrenzenden Teile der Stadt und den könig¬
lichen Palast in funkelndes Licht und rote Glut. Die Masten
und die halbgchißten Segel der großen Flotte, deren Schiffe in
drei langen Reihen den Hafen fast erfüllten, schienen in Brand
zu stehen, und tausende von müßigen Zuschauern, welche sich um und zwischen
tausende von Geschäftigen drängte», richteten ihre Augen nach den überglühten
Mastspitzen, den rosig schimmernden Leinwandflächen, unter denen sich am Bord
der dunkeln Schiffe ein wirres Getümmel bewegte. Die Einschiffung des Heeres,
mit dem König Sebastian nach Afrika segeln wollte, sollte morgen im Laufe
des Tages erfolgen, doch schon heute fuhren Hunderte von Booten unablässig
zwischen den steinernen Uferbrüstungen und den Schiffen hin und her, tausend¬
stimmiges Geschrei erfüllte deu Platz vor der Kirche und die abschüssigen Straßen,
welche zum Hafen führten. Geschütze, Waffen, Zelte. Lebensmittel wurden mit
tobenden Lärm zum Ufer gebracht, endlose Züge von zweirädrigen Karren,
von Maultieren und Lastcseln teilten die am Hafen versammelten Massen. Vou
schwatzenden, rufenden und gebietenden Stimmen, von dem Rasseln der plumpen
Räder, dein Wiehern der Tiere, demi Klatschen der Nuder und tausendfältigen
Geräusch ward beinahe das Avelänteu auf den Türmen übertönt. Und selbst
als endlich die Lärmenden und Geschäftigen die Mahnung vernahmen, tausend
Häupter sich senkten, tausend Hände sich falteten, währte die Stille nur wenige
Minuten; unmittelbar nach dem Gebet erhob sich aufs neue das Getöse, das
vom Palast nach dem Hafen und vom Hafen nach dem Palast zurückzufinden
schien. Aus allen Straßen, die aus dem Königsschloß zu überschauen waren,


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[0043] [Abbildung] (Lamoens. Roman von Adolf Stern. (Fortsetzung.) Zehntes Kapitel. in hochsommerlicher Sonnenuntergang tauchte den weiten Hafen von Lissabon, die angrenzenden Teile der Stadt und den könig¬ lichen Palast in funkelndes Licht und rote Glut. Die Masten und die halbgchißten Segel der großen Flotte, deren Schiffe in drei langen Reihen den Hafen fast erfüllten, schienen in Brand zu stehen, und tausende von müßigen Zuschauern, welche sich um und zwischen tausende von Geschäftigen drängte», richteten ihre Augen nach den überglühten Mastspitzen, den rosig schimmernden Leinwandflächen, unter denen sich am Bord der dunkeln Schiffe ein wirres Getümmel bewegte. Die Einschiffung des Heeres, mit dem König Sebastian nach Afrika segeln wollte, sollte morgen im Laufe des Tages erfolgen, doch schon heute fuhren Hunderte von Booten unablässig zwischen den steinernen Uferbrüstungen und den Schiffen hin und her, tausend¬ stimmiges Geschrei erfüllte deu Platz vor der Kirche und die abschüssigen Straßen, welche zum Hafen führten. Geschütze, Waffen, Zelte. Lebensmittel wurden mit tobenden Lärm zum Ufer gebracht, endlose Züge von zweirädrigen Karren, von Maultieren und Lastcseln teilten die am Hafen versammelten Massen. Vou schwatzenden, rufenden und gebietenden Stimmen, von dem Rasseln der plumpen Räder, dein Wiehern der Tiere, demi Klatschen der Nuder und tausendfältigen Geräusch ward beinahe das Avelänteu auf den Türmen übertönt. Und selbst als endlich die Lärmenden und Geschäftigen die Mahnung vernahmen, tausend Häupter sich senkten, tausend Hände sich falteten, währte die Stille nur wenige Minuten; unmittelbar nach dem Gebet erhob sich aufs neue das Getöse, das vom Palast nach dem Hafen und vom Hafen nach dem Palast zurückzufinden schien. Aus allen Straßen, die aus dem Königsschloß zu überschauen waren,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/43>, abgerufen am 02.05.2024.