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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Aus der Chronik derer von Riffelshausen.
Dreizehntes Aapitel.

In den beiden Kaminen des Siebenhofer Saales brannte ein lustiges Feuer,
aus dem es von Zeit zu Zeit krachte wie ein Schuß, denn die Kinder hatten
Roßkastanien hineingeworfen.

Der Wind fuhr um das Haus und sang im Schlote, daß man wohl auf
den Gedanken kommen konnte, er besenfze das mannichfache Unglück, das er auf
seinen Wegen angetroffen.

In dem Saale leuchteten zwei altmodische Lampen auf den beiden Tischen,
um die sich die Familie gruppirt hatte, Therese und Cäcilie an dem einen, die
Kinder unter Mademoiselle Adelines Aufsicht an dem andern,

Mathilde stützte beide Ellbogen auf die Tischkante, hielt sich die Ohren
zu und deklamirte halblaut ein englisches Gedicht, Julie und Valer waren
weniger der Tugend beflissen. Erstere berechnete auf einem selbstangefertigten
Kalender die Tage bis zu den Weihnachtsferien, während Valer sie durch laute
Bemerkungen über die Aufsichtsdame zum Lachen brachte. Diese war in die
Lektüre des Grafen von Montcchristo so vertieft, daß sie erst aufsah, als das
Gespräch über die Nähe der Weihnachtstage auch Mathilde erfaßte und diese
in ein nur halb unterdrücktes Hurrah! ausbrach,

^M<z! VÄWLn! silsnos, s'it vous xI<M. 0t>W los Louclo" as ig. t,Mo,
KMüIäs, Ihr strenger Ton stellte die Ordnung wieder her. Sie blickte ernst
über die drei gesenkten Köpfe und dann erleichtert in das Buch zurück,

Sie sollte lieber stricken, meinte Cäcilie, nach dem andern Tisch hinüber-
schanend, das viele Lesen ist gar nicht gut für das Mädchen.

Therese sah aufmerksam nach dem Fenster, Welch ein Wetter! Der In¬
spektor wird einen bösen Rückweg haben.

Die paar Schritt nach dem Gutshöfe hinüber? Es ist gut, daß nicht
alle Menschen von Glas sind.

Therese errötete. Sie wußte, daß Cäcilie auf eine Erkältung anspielte,
die sie kaum erst überstanden hatte.

Sag' mal, lernen unsre Kinder denn auch Weihnachtslieder? fragte nach
längerem Schweigen Cäcilie.

Ich glaube, daß Herr Trcckelberg --

Dieser Trakelberg! Was gäbe ich darum, sein langes Gesicht ferner nicht
mehr sehen zu müssen. Allein der Ölkonsum, den dieser Mensch verursacht!
Gestern Nacht, oder war es vorgestern, wache ich auf und erblicke einen hellen
Schein an der Wand, der, wie ich gleich bemerke, durch das Fenster fällt. Im
ersten Augenblick denke ich: es ist spät, da mußt du dich mit dem Aufstehen be¬
eilen! Darauf fällt mir ein, daß es nur Trakelbergs Fenster sein kann, das
sein Licht zu mir entsendet. Ich sehe also nach der Uhr, und was glaubst du?
Fünf Minuten über zwei Uhr ist es, und er sitzt noch über seinen Büchern!


Aus der Chronik derer von Riffelshausen.
Dreizehntes Aapitel.

In den beiden Kaminen des Siebenhofer Saales brannte ein lustiges Feuer,
aus dem es von Zeit zu Zeit krachte wie ein Schuß, denn die Kinder hatten
Roßkastanien hineingeworfen.

Der Wind fuhr um das Haus und sang im Schlote, daß man wohl auf
den Gedanken kommen konnte, er besenfze das mannichfache Unglück, das er auf
seinen Wegen angetroffen.

In dem Saale leuchteten zwei altmodische Lampen auf den beiden Tischen,
um die sich die Familie gruppirt hatte, Therese und Cäcilie an dem einen, die
Kinder unter Mademoiselle Adelines Aufsicht an dem andern,

Mathilde stützte beide Ellbogen auf die Tischkante, hielt sich die Ohren
zu und deklamirte halblaut ein englisches Gedicht, Julie und Valer waren
weniger der Tugend beflissen. Erstere berechnete auf einem selbstangefertigten
Kalender die Tage bis zu den Weihnachtsferien, während Valer sie durch laute
Bemerkungen über die Aufsichtsdame zum Lachen brachte. Diese war in die
Lektüre des Grafen von Montcchristo so vertieft, daß sie erst aufsah, als das
Gespräch über die Nähe der Weihnachtstage auch Mathilde erfaßte und diese
in ein nur halb unterdrücktes Hurrah! ausbrach,

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KMüIäs, Ihr strenger Ton stellte die Ordnung wieder her. Sie blickte ernst
über die drei gesenkten Köpfe und dann erleichtert in das Buch zurück,

Sie sollte lieber stricken, meinte Cäcilie, nach dem andern Tisch hinüber-
schanend, das viele Lesen ist gar nicht gut für das Mädchen.

Therese sah aufmerksam nach dem Fenster, Welch ein Wetter! Der In¬
spektor wird einen bösen Rückweg haben.

Die paar Schritt nach dem Gutshöfe hinüber? Es ist gut, daß nicht
alle Menschen von Glas sind.

Therese errötete. Sie wußte, daß Cäcilie auf eine Erkältung anspielte,
die sie kaum erst überstanden hatte.

Sag' mal, lernen unsre Kinder denn auch Weihnachtslieder? fragte nach
längerem Schweigen Cäcilie.

Ich glaube, daß Herr Trcckelberg —

Dieser Trakelberg! Was gäbe ich darum, sein langes Gesicht ferner nicht
mehr sehen zu müssen. Allein der Ölkonsum, den dieser Mensch verursacht!
Gestern Nacht, oder war es vorgestern, wache ich auf und erblicke einen hellen
Schein an der Wand, der, wie ich gleich bemerke, durch das Fenster fällt. Im
ersten Augenblick denke ich: es ist spät, da mußt du dich mit dem Aufstehen be¬
eilen! Darauf fällt mir ein, daß es nur Trakelbergs Fenster sein kann, das
sein Licht zu mir entsendet. Ich sehe also nach der Uhr, und was glaubst du?
Fünf Minuten über zwei Uhr ist es, und er sitzt noch über seinen Büchern!


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/532>, abgerufen am 02.05.2024.