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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Aus der Lhrouik derer von Riffelshausen,

beantwortete seine Frcige nicht. Er brummte daher etwas und rannte, sich unter¬
wegs den Rock zuknöpfend, nach dem Pferdeställe. Dort angelangt, fiel ihm ein,
daß er das Rezept in der Stube vergessen habe, worauf er wieder Kehrt machte.




Achtundzwanzigstes Aapitel.

In der Hausthür rannte Heinrich beinahe gegen die beiden jungen Herren,
die mit wirrem Haar und ungeordneter Kleidung an ihm vorbeistürmten. Anton
rief ihm ein paar Worte zu, aber der Heinrich war viel zu eilig, um darauf
zu hören. Er sagte nur, ohne im Laufe anzuhalten: Zu Befehl, Baron Anton,
und stürzte in sein Zimmer, aber das Rezept war verschwunden.

Während der Unglückliche in Todesängsten zwischen Stiefelwichse, Zylinder-
Putzern, Patronen und schwarzen Putzlappen herumsuchte, langten die Knaben
in dem Pferdestall an.

Der Frieder schläft, sagte Anton, indem er nach einer Ecke wies, ans welcher
lautes Schnarchen toute.

Weck ihn! Nein, es schadet nichts; wir brauche" kein Sattelzeug, haben
ja die Decken. Mach dir den Fuchs dort hinten los, das ist ein Kntschgaul,
ein frommer. Ich nehme Papas Schimmel.

Aber -

Mach nur schnell, sonst reite ich allein. Eile hat's.

Anton ergab sich in sein Schicksal. Bereits zog auch Valerian das wiehernde
Reitpferd des Hofmarschalls aus dem Stall, befahl dem Bruder, es zu halten,
und holte anch den Fuchs. Noch hatte der schnarchende Frieder, der erst vor
einigen Stunden den Herrn nach der Station gefahren hatte, seine Lebensgeister
nicht zusammengerafft, da sauste der Schimmel mit Valerian schon zum Thore
hinaus, glücklicherweise deu vielgewohnten Weg nach RummclShauseu einschlagend.
Der magere, gelenkige Junge hing wie eine Katze auf dem Pferde, während
Anton sich nur mit großer Mühe ans dem nachrückenden Fuchs hielt.

Durch die sonderbaren Rufe seines Reiters angefeuert, verfiel der Schimmel
in eine so beschleunigte Gangart, daß das Dorf mit Halloh und Schreien heraus¬
fand, die Pferde gingen durch. Einige liefen in größter Hast den schnaubenden
Rossen nach. Umsonst! Die Landstraße entlang ging's in wildem Jagen, und
ehe sie sich's versahen, langten die Reiter in Nummelshausen an. Dort stellte
sich ein mutiger Gärtner, der nebst Burschen und Gemttsekarren vor des Bürger¬
meisters Haus hielt, den Pferden entgegen.

Laßt uns! Wir müssen nach der Apotheke, schrie Valerian keuchend.
Dennoch benutzte er den gebotenen Halt, um sich mit dem Pferde in ein richtigeres
Verhältnis einzulassen. Er klopfte dem schnaubenden Schimmel auf deu Hals,
setzte sich zurecht und sah sich dann nach dem Bruder um. Der Fuchs stand
wie angewurzelt; einige Männer waren im Begriff, Anton vom Pferde zu heben.


Aus der Lhrouik derer von Riffelshausen,

beantwortete seine Frcige nicht. Er brummte daher etwas und rannte, sich unter¬
wegs den Rock zuknöpfend, nach dem Pferdeställe. Dort angelangt, fiel ihm ein,
daß er das Rezept in der Stube vergessen habe, worauf er wieder Kehrt machte.




Achtundzwanzigstes Aapitel.

In der Hausthür rannte Heinrich beinahe gegen die beiden jungen Herren,
die mit wirrem Haar und ungeordneter Kleidung an ihm vorbeistürmten. Anton
rief ihm ein paar Worte zu, aber der Heinrich war viel zu eilig, um darauf
zu hören. Er sagte nur, ohne im Laufe anzuhalten: Zu Befehl, Baron Anton,
und stürzte in sein Zimmer, aber das Rezept war verschwunden.

Während der Unglückliche in Todesängsten zwischen Stiefelwichse, Zylinder-
Putzern, Patronen und schwarzen Putzlappen herumsuchte, langten die Knaben
in dem Pferdestall an.

Der Frieder schläft, sagte Anton, indem er nach einer Ecke wies, ans welcher
lautes Schnarchen toute.

Weck ihn! Nein, es schadet nichts; wir brauche» kein Sattelzeug, haben
ja die Decken. Mach dir den Fuchs dort hinten los, das ist ein Kntschgaul,
ein frommer. Ich nehme Papas Schimmel.

Aber -

Mach nur schnell, sonst reite ich allein. Eile hat's.

Anton ergab sich in sein Schicksal. Bereits zog auch Valerian das wiehernde
Reitpferd des Hofmarschalls aus dem Stall, befahl dem Bruder, es zu halten,
und holte anch den Fuchs. Noch hatte der schnarchende Frieder, der erst vor
einigen Stunden den Herrn nach der Station gefahren hatte, seine Lebensgeister
nicht zusammengerafft, da sauste der Schimmel mit Valerian schon zum Thore
hinaus, glücklicherweise deu vielgewohnten Weg nach RummclShauseu einschlagend.
Der magere, gelenkige Junge hing wie eine Katze auf dem Pferde, während
Anton sich nur mit großer Mühe ans dem nachrückenden Fuchs hielt.

Durch die sonderbaren Rufe seines Reiters angefeuert, verfiel der Schimmel
in eine so beschleunigte Gangart, daß das Dorf mit Halloh und Schreien heraus¬
fand, die Pferde gingen durch. Einige liefen in größter Hast den schnaubenden
Rossen nach. Umsonst! Die Landstraße entlang ging's in wildem Jagen, und
ehe sie sich's versahen, langten die Reiter in Nummelshausen an. Dort stellte
sich ein mutiger Gärtner, der nebst Burschen und Gemttsekarren vor des Bürger¬
meisters Haus hielt, den Pferden entgegen.

Laßt uns! Wir müssen nach der Apotheke, schrie Valerian keuchend.
Dennoch benutzte er den gebotenen Halt, um sich mit dem Pferde in ein richtigeres
Verhältnis einzulassen. Er klopfte dem schnaubenden Schimmel auf deu Hals,
setzte sich zurecht und sah sich dann nach dem Bruder um. Der Fuchs stand
wie angewurzelt; einige Männer waren im Begriff, Anton vom Pferde zu heben.


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[0149] Aus der Lhrouik derer von Riffelshausen, beantwortete seine Frcige nicht. Er brummte daher etwas und rannte, sich unter¬ wegs den Rock zuknöpfend, nach dem Pferdeställe. Dort angelangt, fiel ihm ein, daß er das Rezept in der Stube vergessen habe, worauf er wieder Kehrt machte. Achtundzwanzigstes Aapitel. In der Hausthür rannte Heinrich beinahe gegen die beiden jungen Herren, die mit wirrem Haar und ungeordneter Kleidung an ihm vorbeistürmten. Anton rief ihm ein paar Worte zu, aber der Heinrich war viel zu eilig, um darauf zu hören. Er sagte nur, ohne im Laufe anzuhalten: Zu Befehl, Baron Anton, und stürzte in sein Zimmer, aber das Rezept war verschwunden. Während der Unglückliche in Todesängsten zwischen Stiefelwichse, Zylinder- Putzern, Patronen und schwarzen Putzlappen herumsuchte, langten die Knaben in dem Pferdestall an. Der Frieder schläft, sagte Anton, indem er nach einer Ecke wies, ans welcher lautes Schnarchen toute. Weck ihn! Nein, es schadet nichts; wir brauche» kein Sattelzeug, haben ja die Decken. Mach dir den Fuchs dort hinten los, das ist ein Kntschgaul, ein frommer. Ich nehme Papas Schimmel. Aber - Mach nur schnell, sonst reite ich allein. Eile hat's. Anton ergab sich in sein Schicksal. Bereits zog auch Valerian das wiehernde Reitpferd des Hofmarschalls aus dem Stall, befahl dem Bruder, es zu halten, und holte anch den Fuchs. Noch hatte der schnarchende Frieder, der erst vor einigen Stunden den Herrn nach der Station gefahren hatte, seine Lebensgeister nicht zusammengerafft, da sauste der Schimmel mit Valerian schon zum Thore hinaus, glücklicherweise deu vielgewohnten Weg nach RummclShauseu einschlagend. Der magere, gelenkige Junge hing wie eine Katze auf dem Pferde, während Anton sich nur mit großer Mühe ans dem nachrückenden Fuchs hielt. Durch die sonderbaren Rufe seines Reiters angefeuert, verfiel der Schimmel in eine so beschleunigte Gangart, daß das Dorf mit Halloh und Schreien heraus¬ fand, die Pferde gingen durch. Einige liefen in größter Hast den schnaubenden Rossen nach. Umsonst! Die Landstraße entlang ging's in wildem Jagen, und ehe sie sich's versahen, langten die Reiter in Nummelshausen an. Dort stellte sich ein mutiger Gärtner, der nebst Burschen und Gemttsekarren vor des Bürger¬ meisters Haus hielt, den Pferden entgegen. Laßt uns! Wir müssen nach der Apotheke, schrie Valerian keuchend. Dennoch benutzte er den gebotenen Halt, um sich mit dem Pferde in ein richtigeres Verhältnis einzulassen. Er klopfte dem schnaubenden Schimmel auf deu Hals, setzte sich zurecht und sah sich dann nach dem Bruder um. Der Fuchs stand wie angewurzelt; einige Männer waren im Begriff, Anton vom Pferde zu heben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/149>, abgerufen am 29.04.2024.