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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Zur Reform des juristischen Studiums.

in seit laugen Jahren in dem Volksorganismus schleichendes
Übel fängt an akut zu werden, an die Oberfläche zu treten und
Vorschläge zur Heilung hervorzurufen. Unser höheres Beamtentum
ist ein sehr wertvoller Teil in unserm Volks- und Staatsleben.
Als Träger obrigkeitlicher Gewalten und im Besitze hoher In¬
telligenz hat der Beamte eine Aufgabe, welche sich in ihren Zielen nicht bloß
auf die Gegenwart bezieht, sondern auch für die Zukunft baut. Das deutsche
Volk hat in seiner tausendjährigen Geschichte den Einfluß des Beamtentums
schon mehrfach in wahrhaft epochemachender Weise zu spüren gehabt. Durch
eine neue Beamteuorgnnisation hat Karl der Große der Macht des Besitzes
gegenüber die Grundlage für einen Rechtsstaat geschaffen, und wenn derselbe
seine Monarchie nur um ein weniges überdauerte, so lag eben der Grund darin,
daß sich das Amt wiederum mit dem Besitze verklitterte und staatliche Hoheits¬
rechte in das Privateigentum übergingen. Am Ausgange des Mittelalters war
es, als ein neu sich bildendes gelehrtes Beamtentum die Volksschöffen mit ihren
heimischen Gewohnheiten verdrängte und die fremden Rechte des czorxus M'iL
civilis und (Nnoruoj, an die Stelle der letztem setzte. Gar vielfache Klagen
über unsre heutigen Zustände werden in letzter Instanz auf jene fremde Rechts¬
grundlage zurückgeführt. Umgekehrt hatte die preußische Büreaukratie, erzogen
in Gehorsam und Tüchtigkeit durch das pflichterfüllte hohenzollernsche Königs¬
haus, den preußischen Staat geschaffen; die Erziehung des Volkes in Zucht und
Sparsamkeit, die Herstellung geordneter Finanzen, die Befreiung des Bauern¬
standes von den Feudnllasten, die Begründung von Gemeindefreiheit und bürger¬
licher Selbstregierung -- alles dies ist auf Rechnung des Beamtentums zu


Grmzbvwi IV. 1886. 19


Zur Reform des juristischen Studiums.

in seit laugen Jahren in dem Volksorganismus schleichendes
Übel fängt an akut zu werden, an die Oberfläche zu treten und
Vorschläge zur Heilung hervorzurufen. Unser höheres Beamtentum
ist ein sehr wertvoller Teil in unserm Volks- und Staatsleben.
Als Träger obrigkeitlicher Gewalten und im Besitze hoher In¬
telligenz hat der Beamte eine Aufgabe, welche sich in ihren Zielen nicht bloß
auf die Gegenwart bezieht, sondern auch für die Zukunft baut. Das deutsche
Volk hat in seiner tausendjährigen Geschichte den Einfluß des Beamtentums
schon mehrfach in wahrhaft epochemachender Weise zu spüren gehabt. Durch
eine neue Beamteuorgnnisation hat Karl der Große der Macht des Besitzes
gegenüber die Grundlage für einen Rechtsstaat geschaffen, und wenn derselbe
seine Monarchie nur um ein weniges überdauerte, so lag eben der Grund darin,
daß sich das Amt wiederum mit dem Besitze verklitterte und staatliche Hoheits¬
rechte in das Privateigentum übergingen. Am Ausgange des Mittelalters war
es, als ein neu sich bildendes gelehrtes Beamtentum die Volksschöffen mit ihren
heimischen Gewohnheiten verdrängte und die fremden Rechte des czorxus M'iL
civilis und (Nnoruoj, an die Stelle der letztem setzte. Gar vielfache Klagen
über unsre heutigen Zustände werden in letzter Instanz auf jene fremde Rechts¬
grundlage zurückgeführt. Umgekehrt hatte die preußische Büreaukratie, erzogen
in Gehorsam und Tüchtigkeit durch das pflichterfüllte hohenzollernsche Königs¬
haus, den preußischen Staat geschaffen; die Erziehung des Volkes in Zucht und
Sparsamkeit, die Herstellung geordneter Finanzen, die Befreiung des Bauern¬
standes von den Feudnllasten, die Begründung von Gemeindefreiheit und bürger¬
licher Selbstregierung — alles dies ist auf Rechnung des Beamtentums zu


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[0153] [Abbildung] Zur Reform des juristischen Studiums. in seit laugen Jahren in dem Volksorganismus schleichendes Übel fängt an akut zu werden, an die Oberfläche zu treten und Vorschläge zur Heilung hervorzurufen. Unser höheres Beamtentum ist ein sehr wertvoller Teil in unserm Volks- und Staatsleben. Als Träger obrigkeitlicher Gewalten und im Besitze hoher In¬ telligenz hat der Beamte eine Aufgabe, welche sich in ihren Zielen nicht bloß auf die Gegenwart bezieht, sondern auch für die Zukunft baut. Das deutsche Volk hat in seiner tausendjährigen Geschichte den Einfluß des Beamtentums schon mehrfach in wahrhaft epochemachender Weise zu spüren gehabt. Durch eine neue Beamteuorgnnisation hat Karl der Große der Macht des Besitzes gegenüber die Grundlage für einen Rechtsstaat geschaffen, und wenn derselbe seine Monarchie nur um ein weniges überdauerte, so lag eben der Grund darin, daß sich das Amt wiederum mit dem Besitze verklitterte und staatliche Hoheits¬ rechte in das Privateigentum übergingen. Am Ausgange des Mittelalters war es, als ein neu sich bildendes gelehrtes Beamtentum die Volksschöffen mit ihren heimischen Gewohnheiten verdrängte und die fremden Rechte des czorxus M'iL civilis und (Nnoruoj, an die Stelle der letztem setzte. Gar vielfache Klagen über unsre heutigen Zustände werden in letzter Instanz auf jene fremde Rechts¬ grundlage zurückgeführt. Umgekehrt hatte die preußische Büreaukratie, erzogen in Gehorsam und Tüchtigkeit durch das pflichterfüllte hohenzollernsche Königs¬ haus, den preußischen Staat geschaffen; die Erziehung des Volkes in Zucht und Sparsamkeit, die Herstellung geordneter Finanzen, die Befreiung des Bauern¬ standes von den Feudnllasten, die Begründung von Gemeindefreiheit und bürger¬ licher Selbstregierung — alles dies ist auf Rechnung des Beamtentums zu Grmzbvwi IV. 1886. 19

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/153>, abgerufen am 29.04.2024.