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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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wein- und andre Fälschungen.

und Ehre. Indes war hier wie dort zu bedenken, daß diese Kriegsleute einem
Volke angehörten, welches bis dahin ein durchaus friedliches Leben geführt und
Waffen kaum in deu Händen gehabt, geschweige denn gebraucht hatte. Daß sich
aus ihm gute Soldaten machen ließen und daß es sich in Wirklichkeit tüchtig zu
schlage" gelernt hatte, als es durch die von Nußland geliehenen Offiziere ge¬
hörig organisirt und geübt worden war, bewies der Krieg mit Serbien, mögen
die Siege bei Sliwnitzci und Pirol auch mehr auf die Schwäche und das Un¬
geschick der letzteren als auf die wohl etwas zu viel gepriesene Tapferkeit ihrer
Gegner zurückzuführen sein.




Wem- und andre Fälschungen.

s ist eine eigentümliche Erscheinung, daß gerade in manchen ent¬
schieden freisinnigen und freihändlerischen Blättern so energisch für
das rücksichtsloseste Verbot aller Behandlung und künstlichen Ver¬
edlung des Weines eingetreten wird. Wir stellen nicht in Abrede,
daß es Gesichtspnnke giebt, von denen ein derartiges absolutes
Verbot sich würde rechtfertige!? lassen, aber wir glauben behaupten zu dürfen,
daß mit dem nämliche" Rechte dann nicht nur gegen eine Menge von Surro¬
gaten, sondern gegen das ganze freihändlerische Prinzip vorgegangen werde"
müßte, und daß alle diese Feinde der Weinvercdlung unbewußt den Ast ab¬
sägen, auf dem sie selbst sitzen. Um das darzuthun, fassen wir zunächst einmal
Art und Zweck der Weiuveredlung ins Auge und suchen dann den Punkt zu
gewinnen, von dem aus dieses Verfahren demjenigen in unzähligen andern
Fällen, ja den vom freihändlerischen Standpunkte aus recht eigentlich als "zeit¬
gemäß" angesehenen, analog ist.

Nicht zu bestreiten ist, daß der Begriff "Wein" scharf und klar festgestellt
werden kauu: Wein ist gcgohrciier Trcmbeiisaft. Es mag a"es zugestanden
werden, daß das bischen für die Haltbarkeit der Fässer erforderliche Schwefeln
an diesem Begriffe nichts ändert. Sowie wir aber den Satz streng durchführen
wollen, daß der Wein mit andern Stoffen nicht vermengt oder versetzt werden
dürfe, so geben wir damit kund, daß wir auf alle südlichen Weine verzichten,
denn diese lassen sich bekanntlich ohne einen Zusatz von Spiritus weder ver¬
senden noch aufbewahren. Sei es -- wir trinken also "ur rheinisches Trcmbcn-
blnt. Wir müssen es auch in der That selbst trinken, denn versendnngsfähig
ist auch unser Wein ohne Behandlung nicht. Soll nämlich ein Wein im Welt-


Grcnzbvtm IV. 1886. 21
wein- und andre Fälschungen.

und Ehre. Indes war hier wie dort zu bedenken, daß diese Kriegsleute einem
Volke angehörten, welches bis dahin ein durchaus friedliches Leben geführt und
Waffen kaum in deu Händen gehabt, geschweige denn gebraucht hatte. Daß sich
aus ihm gute Soldaten machen ließen und daß es sich in Wirklichkeit tüchtig zu
schlage» gelernt hatte, als es durch die von Nußland geliehenen Offiziere ge¬
hörig organisirt und geübt worden war, bewies der Krieg mit Serbien, mögen
die Siege bei Sliwnitzci und Pirol auch mehr auf die Schwäche und das Un¬
geschick der letzteren als auf die wohl etwas zu viel gepriesene Tapferkeit ihrer
Gegner zurückzuführen sein.




Wem- und andre Fälschungen.

s ist eine eigentümliche Erscheinung, daß gerade in manchen ent¬
schieden freisinnigen und freihändlerischen Blättern so energisch für
das rücksichtsloseste Verbot aller Behandlung und künstlichen Ver¬
edlung des Weines eingetreten wird. Wir stellen nicht in Abrede,
daß es Gesichtspnnke giebt, von denen ein derartiges absolutes
Verbot sich würde rechtfertige!? lassen, aber wir glauben behaupten zu dürfen,
daß mit dem nämliche» Rechte dann nicht nur gegen eine Menge von Surro¬
gaten, sondern gegen das ganze freihändlerische Prinzip vorgegangen werde»
müßte, und daß alle diese Feinde der Weinvercdlung unbewußt den Ast ab¬
sägen, auf dem sie selbst sitzen. Um das darzuthun, fassen wir zunächst einmal
Art und Zweck der Weiuveredlung ins Auge und suchen dann den Punkt zu
gewinnen, von dem aus dieses Verfahren demjenigen in unzähligen andern
Fällen, ja den vom freihändlerischen Standpunkte aus recht eigentlich als „zeit¬
gemäß" angesehenen, analog ist.

Nicht zu bestreiten ist, daß der Begriff „Wein" scharf und klar festgestellt
werden kauu: Wein ist gcgohrciier Trcmbeiisaft. Es mag a»es zugestanden
werden, daß das bischen für die Haltbarkeit der Fässer erforderliche Schwefeln
an diesem Begriffe nichts ändert. Sowie wir aber den Satz streng durchführen
wollen, daß der Wein mit andern Stoffen nicht vermengt oder versetzt werden
dürfe, so geben wir damit kund, daß wir auf alle südlichen Weine verzichten,
denn diese lassen sich bekanntlich ohne einen Zusatz von Spiritus weder ver¬
senden noch aufbewahren. Sei es — wir trinken also »ur rheinisches Trcmbcn-
blnt. Wir müssen es auch in der That selbst trinken, denn versendnngsfähig
ist auch unser Wein ohne Behandlung nicht. Soll nämlich ein Wein im Welt-


Grcnzbvtm IV. 1886. 21
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[0169] wein- und andre Fälschungen. und Ehre. Indes war hier wie dort zu bedenken, daß diese Kriegsleute einem Volke angehörten, welches bis dahin ein durchaus friedliches Leben geführt und Waffen kaum in deu Händen gehabt, geschweige denn gebraucht hatte. Daß sich aus ihm gute Soldaten machen ließen und daß es sich in Wirklichkeit tüchtig zu schlage» gelernt hatte, als es durch die von Nußland geliehenen Offiziere ge¬ hörig organisirt und geübt worden war, bewies der Krieg mit Serbien, mögen die Siege bei Sliwnitzci und Pirol auch mehr auf die Schwäche und das Un¬ geschick der letzteren als auf die wohl etwas zu viel gepriesene Tapferkeit ihrer Gegner zurückzuführen sein. Wem- und andre Fälschungen. s ist eine eigentümliche Erscheinung, daß gerade in manchen ent¬ schieden freisinnigen und freihändlerischen Blättern so energisch für das rücksichtsloseste Verbot aller Behandlung und künstlichen Ver¬ edlung des Weines eingetreten wird. Wir stellen nicht in Abrede, daß es Gesichtspnnke giebt, von denen ein derartiges absolutes Verbot sich würde rechtfertige!? lassen, aber wir glauben behaupten zu dürfen, daß mit dem nämliche» Rechte dann nicht nur gegen eine Menge von Surro¬ gaten, sondern gegen das ganze freihändlerische Prinzip vorgegangen werde» müßte, und daß alle diese Feinde der Weinvercdlung unbewußt den Ast ab¬ sägen, auf dem sie selbst sitzen. Um das darzuthun, fassen wir zunächst einmal Art und Zweck der Weiuveredlung ins Auge und suchen dann den Punkt zu gewinnen, von dem aus dieses Verfahren demjenigen in unzähligen andern Fällen, ja den vom freihändlerischen Standpunkte aus recht eigentlich als „zeit¬ gemäß" angesehenen, analog ist. Nicht zu bestreiten ist, daß der Begriff „Wein" scharf und klar festgestellt werden kauu: Wein ist gcgohrciier Trcmbeiisaft. Es mag a»es zugestanden werden, daß das bischen für die Haltbarkeit der Fässer erforderliche Schwefeln an diesem Begriffe nichts ändert. Sowie wir aber den Satz streng durchführen wollen, daß der Wein mit andern Stoffen nicht vermengt oder versetzt werden dürfe, so geben wir damit kund, daß wir auf alle südlichen Weine verzichten, denn diese lassen sich bekanntlich ohne einen Zusatz von Spiritus weder ver¬ senden noch aufbewahren. Sei es — wir trinken also »ur rheinisches Trcmbcn- blnt. Wir müssen es auch in der That selbst trinken, denn versendnngsfähig ist auch unser Wein ohne Behandlung nicht. Soll nämlich ein Wein im Welt- Grcnzbvtm IV. 1886. 21

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/169>, abgerufen am 29.04.2024.