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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Die Briefe Turgenjews.

tiefste, und erbittert rufen sie Gesetz und Polizei ein, daß dieselben solchen un¬
erträglichen Zuständen ein Ende machen.

Wir unserseits sind für zweierlei: erstens für scharfe Durchführung des
Fälschungsgesetzes, sodaß der Verkauf verdorbener oder durch Zusätze in ihrem
Wert wesentlich beeinträchtigter Waaren energisch als straffällig behandelt werde,
zweitens für ein Verbot aller gröblich falschen Etikcttirungen. Es ist un¬
möglich zu verlangen, daß jeder Zusatz und jede Mischung in der Aufschrift
sorglich dokumentirt werde, aber Kunstwein sollte nur als Kunstwcin, Kunst¬
butter nur als Kuustbutter verkauft werden dürfe"; die Grenzlinie hierfür würde
sich schou finden lassen. Im übrigen aber sollte man nach unsrer Ansicht der
Auffindung neuer Darstellungs- und Behandlungsmethoden auf dem Gebiete der
Ncchrungs- und Genußmittel ebensowenig wie auf andern industriellen Gebieten
ein Hindernis in den Weg lege". Stets werden Wissenschaft und Staatsaufsicht
gleichen Schritt hiermit halten und sowohl Betrügerischem wie Gesundheits¬
schädlichem zu rechter Zeit die Wege weisen können. Eine andre Grenze giebt
es nicht und kann es nicht geben.

Was speziell den Wein betrifft, so sind wir in diesem Punkte ganz der
Ansicht eines Mannes, der sonst unser Mann nicht ist: des Herrn Justizrath
Dr. Karl Braun in Leipzig, der unleugbar -- möge man sonst von ihm halten,
was man will -- vom Wein etwas versteht. Dieser hat mit Recht gesagt,
wer in Bezug auf Wem vor Fälschung und Betrug absolut geschützt sein wolle,
der solle Wem trinken und beurteilen lernen, er solle also hingehen und seinen
Geschmack ausbilden. Für diejenigen, die dies nicht können, sei es ans Mangel
an Geld oder aus Mangel an Zunge, sorgt die Polizei insofern, als nichts
Gesundheitsschädliches und auch keine offenbare Fälschung verkauft werden darf.
Im übrigen ist der Weinkauf Vertrauenssache, und wer vom Wein nichts ver¬
steht, dem ist nicht zu helfen.




Die Briefe Turgenjews.

en Freunden der russischen Literatur ist soeben ein neues Werk
dargebracht wordeu, welches das Verständnis eines der größten
und edelsten Dichter Rußlands in vielfacher Beziehung zu fördern
geeignet sein dürfte, die deutsche Übersetzung der Briefe Iwan
Sergejewitsch Turgenjews.*)

Die Vorrede des russischen Herausgebers lautet: "In der Sitzung des
Komitees der "Gesellschaft zur Unterstützung hilfsbedürftiger Schriftsteller und



*) Briefe von I. S. Turgenjew. Erste Sammlung (1340--1883). Herausgegeben
von der "Gesellschaft zur Unterstützung hilfsbedürftiger Schriftsteller und Gelehrten." Aus
Die Briefe Turgenjews.

tiefste, und erbittert rufen sie Gesetz und Polizei ein, daß dieselben solchen un¬
erträglichen Zuständen ein Ende machen.

Wir unserseits sind für zweierlei: erstens für scharfe Durchführung des
Fälschungsgesetzes, sodaß der Verkauf verdorbener oder durch Zusätze in ihrem
Wert wesentlich beeinträchtigter Waaren energisch als straffällig behandelt werde,
zweitens für ein Verbot aller gröblich falschen Etikcttirungen. Es ist un¬
möglich zu verlangen, daß jeder Zusatz und jede Mischung in der Aufschrift
sorglich dokumentirt werde, aber Kunstwein sollte nur als Kunstwcin, Kunst¬
butter nur als Kuustbutter verkauft werden dürfe»; die Grenzlinie hierfür würde
sich schou finden lassen. Im übrigen aber sollte man nach unsrer Ansicht der
Auffindung neuer Darstellungs- und Behandlungsmethoden auf dem Gebiete der
Ncchrungs- und Genußmittel ebensowenig wie auf andern industriellen Gebieten
ein Hindernis in den Weg lege». Stets werden Wissenschaft und Staatsaufsicht
gleichen Schritt hiermit halten und sowohl Betrügerischem wie Gesundheits¬
schädlichem zu rechter Zeit die Wege weisen können. Eine andre Grenze giebt
es nicht und kann es nicht geben.

Was speziell den Wein betrifft, so sind wir in diesem Punkte ganz der
Ansicht eines Mannes, der sonst unser Mann nicht ist: des Herrn Justizrath
Dr. Karl Braun in Leipzig, der unleugbar — möge man sonst von ihm halten,
was man will — vom Wein etwas versteht. Dieser hat mit Recht gesagt,
wer in Bezug auf Wem vor Fälschung und Betrug absolut geschützt sein wolle,
der solle Wem trinken und beurteilen lernen, er solle also hingehen und seinen
Geschmack ausbilden. Für diejenigen, die dies nicht können, sei es ans Mangel
an Geld oder aus Mangel an Zunge, sorgt die Polizei insofern, als nichts
Gesundheitsschädliches und auch keine offenbare Fälschung verkauft werden darf.
Im übrigen ist der Weinkauf Vertrauenssache, und wer vom Wein nichts ver¬
steht, dem ist nicht zu helfen.




Die Briefe Turgenjews.

en Freunden der russischen Literatur ist soeben ein neues Werk
dargebracht wordeu, welches das Verständnis eines der größten
und edelsten Dichter Rußlands in vielfacher Beziehung zu fördern
geeignet sein dürfte, die deutsche Übersetzung der Briefe Iwan
Sergejewitsch Turgenjews.*)

Die Vorrede des russischen Herausgebers lautet: „In der Sitzung des
Komitees der »Gesellschaft zur Unterstützung hilfsbedürftiger Schriftsteller und



*) Briefe von I. S. Turgenjew. Erste Sammlung (1340—1883). Herausgegeben
von der „Gesellschaft zur Unterstützung hilfsbedürftiger Schriftsteller und Gelehrten." Aus
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[0174] Die Briefe Turgenjews. tiefste, und erbittert rufen sie Gesetz und Polizei ein, daß dieselben solchen un¬ erträglichen Zuständen ein Ende machen. Wir unserseits sind für zweierlei: erstens für scharfe Durchführung des Fälschungsgesetzes, sodaß der Verkauf verdorbener oder durch Zusätze in ihrem Wert wesentlich beeinträchtigter Waaren energisch als straffällig behandelt werde, zweitens für ein Verbot aller gröblich falschen Etikcttirungen. Es ist un¬ möglich zu verlangen, daß jeder Zusatz und jede Mischung in der Aufschrift sorglich dokumentirt werde, aber Kunstwein sollte nur als Kunstwcin, Kunst¬ butter nur als Kuustbutter verkauft werden dürfe»; die Grenzlinie hierfür würde sich schou finden lassen. Im übrigen aber sollte man nach unsrer Ansicht der Auffindung neuer Darstellungs- und Behandlungsmethoden auf dem Gebiete der Ncchrungs- und Genußmittel ebensowenig wie auf andern industriellen Gebieten ein Hindernis in den Weg lege». Stets werden Wissenschaft und Staatsaufsicht gleichen Schritt hiermit halten und sowohl Betrügerischem wie Gesundheits¬ schädlichem zu rechter Zeit die Wege weisen können. Eine andre Grenze giebt es nicht und kann es nicht geben. Was speziell den Wein betrifft, so sind wir in diesem Punkte ganz der Ansicht eines Mannes, der sonst unser Mann nicht ist: des Herrn Justizrath Dr. Karl Braun in Leipzig, der unleugbar — möge man sonst von ihm halten, was man will — vom Wein etwas versteht. Dieser hat mit Recht gesagt, wer in Bezug auf Wem vor Fälschung und Betrug absolut geschützt sein wolle, der solle Wem trinken und beurteilen lernen, er solle also hingehen und seinen Geschmack ausbilden. Für diejenigen, die dies nicht können, sei es ans Mangel an Geld oder aus Mangel an Zunge, sorgt die Polizei insofern, als nichts Gesundheitsschädliches und auch keine offenbare Fälschung verkauft werden darf. Im übrigen ist der Weinkauf Vertrauenssache, und wer vom Wein nichts ver¬ steht, dem ist nicht zu helfen. Die Briefe Turgenjews. en Freunden der russischen Literatur ist soeben ein neues Werk dargebracht wordeu, welches das Verständnis eines der größten und edelsten Dichter Rußlands in vielfacher Beziehung zu fördern geeignet sein dürfte, die deutsche Übersetzung der Briefe Iwan Sergejewitsch Turgenjews.*) Die Vorrede des russischen Herausgebers lautet: „In der Sitzung des Komitees der »Gesellschaft zur Unterstützung hilfsbedürftiger Schriftsteller und *) Briefe von I. S. Turgenjew. Erste Sammlung (1340—1883). Herausgegeben von der „Gesellschaft zur Unterstützung hilfsbedürftiger Schriftsteller und Gelehrten." Aus

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/174>, abgerufen am 29.04.2024.