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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Olympia und der olympische Zeustempel.

er heilige Boden des alten Olympia ist seit Jahren von den
Sandmasien, welche Regengüsse, wie sie in einer dem Norden
unbekannten Heftigkeit jahraus jahrein im Thale des Alpheios
auftreten, von den benachbarten Hügeln herabgeschwemmt haben,
befreit, und was dort unten jahrhundertelang in finsterer Tiefe
geschlummert hat, ist dem Leben zurückgegeben und der Nachwelt als eines der
kostbarsten Vermächtnisse hellenischer Kultur und Kunst geschenkt worden. Die
Freude über die glückliche Vollendung der Ausgrabungen und ihrer Ergebnisse,
die in ihrem Reichtums und in ihrem Werte die kühnsten Erwartungen über¬
trafen, vermischt sich mit dem erhebenden Gefühle des Stolzes, daß es dem
zu nationaler Einheit verbundenen deutschen Volke vorbehalten blieb, in that¬
kräftigen Handeln den Gedanken, der seit mehr denn hundertfünfzig Jahren unter
den Gelehrten der verschiedensten Völker rege war und nur zeitweise unter dem
Drucke politischer Verhältnisse schlummerte, zu verwirklichen

Der Plan, das alte Olympia, welches seit dein sechsten Jahrhundert mit
dem Einbrüche slawischer Völkerstämme in die Peloponnes -- ähnlich wie
Pompeji, das bis zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts keine Erwähnung
findet -- wieder aufzudecken, reicht weit über die Zeit Winckelmanns zurück.
Der französische Gelehrte Peter von Montfaucon (der heutigen Tages noch
vielgenannt ist, vorzugsweise wegen seines großen Werkes I/antieMv oxxliauvo
et röMseutvo "zu teures, Paris 1719 ff., 15 Bünde und 5 Bände Supp¬
lement) schrieb an den Kardinal Quirini, Bischof von Korfu, mit Rücksicht
auf etwaige Ausgrabungen, die erfolgreich auf Korfu und den benachbarten
Inseln gemacht werden könnten, unter dem 14. Juni 1723: "Aber was
ist das alles im Vergleich zu dem, was man auf der diesen Inseln
gegenüberliegenden Küste von Morea finden könnte. Hier ist die Küste des
alten Elis, wo die olympischen Spiele gefeiert wurden, wo man eine Un¬
masse von Monumenten für die Sieger aufstellte, Statuen, Reliefs, Inschriften.
Die Erde muß davon vollgestopft sein, und was die Hauptsache dabei ist, es
hat meines Wissens da noch niemand gesucht." Sein Plan blieb jedoch mir
ein frommer Wunsch, und es vergingen vierzig Jahre, bis der alten hellenischen
Kultstätte wieder gedacht wurde. Winckelmann war es, der den Gedanken wieder
aufnahm und bis in die letzten Tage seines Lebens zu verwirklichen trachtete.
"Ich kann nicht umhin -- so schreibt er in seiner Geschichte der Kunst des Alter¬
tums --, zum Beschlusse dieses Kapitels (des dritten im achten Buche) ein Ver-


Olympia und der olympische Zeustempel.

er heilige Boden des alten Olympia ist seit Jahren von den
Sandmasien, welche Regengüsse, wie sie in einer dem Norden
unbekannten Heftigkeit jahraus jahrein im Thale des Alpheios
auftreten, von den benachbarten Hügeln herabgeschwemmt haben,
befreit, und was dort unten jahrhundertelang in finsterer Tiefe
geschlummert hat, ist dem Leben zurückgegeben und der Nachwelt als eines der
kostbarsten Vermächtnisse hellenischer Kultur und Kunst geschenkt worden. Die
Freude über die glückliche Vollendung der Ausgrabungen und ihrer Ergebnisse,
die in ihrem Reichtums und in ihrem Werte die kühnsten Erwartungen über¬
trafen, vermischt sich mit dem erhebenden Gefühle des Stolzes, daß es dem
zu nationaler Einheit verbundenen deutschen Volke vorbehalten blieb, in that¬
kräftigen Handeln den Gedanken, der seit mehr denn hundertfünfzig Jahren unter
den Gelehrten der verschiedensten Völker rege war und nur zeitweise unter dem
Drucke politischer Verhältnisse schlummerte, zu verwirklichen

Der Plan, das alte Olympia, welches seit dein sechsten Jahrhundert mit
dem Einbrüche slawischer Völkerstämme in die Peloponnes — ähnlich wie
Pompeji, das bis zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts keine Erwähnung
findet — wieder aufzudecken, reicht weit über die Zeit Winckelmanns zurück.
Der französische Gelehrte Peter von Montfaucon (der heutigen Tages noch
vielgenannt ist, vorzugsweise wegen seines großen Werkes I/antieMv oxxliauvo
et röMseutvo «zu teures, Paris 1719 ff., 15 Bünde und 5 Bände Supp¬
lement) schrieb an den Kardinal Quirini, Bischof von Korfu, mit Rücksicht
auf etwaige Ausgrabungen, die erfolgreich auf Korfu und den benachbarten
Inseln gemacht werden könnten, unter dem 14. Juni 1723: „Aber was
ist das alles im Vergleich zu dem, was man auf der diesen Inseln
gegenüberliegenden Küste von Morea finden könnte. Hier ist die Küste des
alten Elis, wo die olympischen Spiele gefeiert wurden, wo man eine Un¬
masse von Monumenten für die Sieger aufstellte, Statuen, Reliefs, Inschriften.
Die Erde muß davon vollgestopft sein, und was die Hauptsache dabei ist, es
hat meines Wissens da noch niemand gesucht." Sein Plan blieb jedoch mir
ein frommer Wunsch, und es vergingen vierzig Jahre, bis der alten hellenischen
Kultstätte wieder gedacht wurde. Winckelmann war es, der den Gedanken wieder
aufnahm und bis in die letzten Tage seines Lebens zu verwirklichen trachtete.
„Ich kann nicht umhin — so schreibt er in seiner Geschichte der Kunst des Alter¬
tums —, zum Beschlusse dieses Kapitels (des dritten im achten Buche) ein Ver-


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[0183] Olympia und der olympische Zeustempel. er heilige Boden des alten Olympia ist seit Jahren von den Sandmasien, welche Regengüsse, wie sie in einer dem Norden unbekannten Heftigkeit jahraus jahrein im Thale des Alpheios auftreten, von den benachbarten Hügeln herabgeschwemmt haben, befreit, und was dort unten jahrhundertelang in finsterer Tiefe geschlummert hat, ist dem Leben zurückgegeben und der Nachwelt als eines der kostbarsten Vermächtnisse hellenischer Kultur und Kunst geschenkt worden. Die Freude über die glückliche Vollendung der Ausgrabungen und ihrer Ergebnisse, die in ihrem Reichtums und in ihrem Werte die kühnsten Erwartungen über¬ trafen, vermischt sich mit dem erhebenden Gefühle des Stolzes, daß es dem zu nationaler Einheit verbundenen deutschen Volke vorbehalten blieb, in that¬ kräftigen Handeln den Gedanken, der seit mehr denn hundertfünfzig Jahren unter den Gelehrten der verschiedensten Völker rege war und nur zeitweise unter dem Drucke politischer Verhältnisse schlummerte, zu verwirklichen Der Plan, das alte Olympia, welches seit dein sechsten Jahrhundert mit dem Einbrüche slawischer Völkerstämme in die Peloponnes — ähnlich wie Pompeji, das bis zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts keine Erwähnung findet — wieder aufzudecken, reicht weit über die Zeit Winckelmanns zurück. Der französische Gelehrte Peter von Montfaucon (der heutigen Tages noch vielgenannt ist, vorzugsweise wegen seines großen Werkes I/antieMv oxxliauvo et röMseutvo «zu teures, Paris 1719 ff., 15 Bünde und 5 Bände Supp¬ lement) schrieb an den Kardinal Quirini, Bischof von Korfu, mit Rücksicht auf etwaige Ausgrabungen, die erfolgreich auf Korfu und den benachbarten Inseln gemacht werden könnten, unter dem 14. Juni 1723: „Aber was ist das alles im Vergleich zu dem, was man auf der diesen Inseln gegenüberliegenden Küste von Morea finden könnte. Hier ist die Küste des alten Elis, wo die olympischen Spiele gefeiert wurden, wo man eine Un¬ masse von Monumenten für die Sieger aufstellte, Statuen, Reliefs, Inschriften. Die Erde muß davon vollgestopft sein, und was die Hauptsache dabei ist, es hat meines Wissens da noch niemand gesucht." Sein Plan blieb jedoch mir ein frommer Wunsch, und es vergingen vierzig Jahre, bis der alten hellenischen Kultstätte wieder gedacht wurde. Winckelmann war es, der den Gedanken wieder aufnahm und bis in die letzten Tage seines Lebens zu verwirklichen trachtete. „Ich kann nicht umhin — so schreibt er in seiner Geschichte der Kunst des Alter¬ tums —, zum Beschlusse dieses Kapitels (des dritten im achten Buche) ein Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/183>, abgerufen am 29.04.2024.