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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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volkswirtschaftliche Betrachtungen eines Laien.

Heimat entlehnt habe. Als im Verlaufe der Ausgrabungsarbeiten große Teile
der westlichen Giebelgruppe, die von Alkamenes' Hand stammen soll, bekannt
wurden und eine gewisse Verwandtschaft dieser mit den Statuen des Ostgiebels
zu Tage trat, zog Brunn die weitern Konsequenzen seiner frühern Ansicht und
erklärte auch Alkamenes für einen uordgriechischen Künstler. Zwei späte Schrift¬
steller erwähnen einen Alkamenes, der eine als "Lemnier" (Lemnos, Insel im
nordgriechischen Archipel), der andre allgemein als "Jnselbewohner," und da
diese Angaben allgemein auf den bekannten Künstler bezogen wurden, war für
diesen wie für Päonios Nordgriechenland als Heimat erwiesen; von hier aus
waren beide Meister nach dem Süden gezogen, wo sich für ihre Thätigkeit ein
reicheres Feld darbieten mußte.

Aber auch diese Erörterungen stießen, so feinsinnig sie auch waren, vielfach
auf Widerspruch. Und dieser Widerspruch, der sich meist gegen die Existenz
einer eignen Kunstrichtung in Nordgriechenland wandte, wurde aufs entschiedenste
verschärft, als nach Sichtung und kritischer Beleuchtung der literarischen Zeug-
nisse sich herausstellte, daß der eine der beiden Meister, Alkamenes, überhaupt
kein Nordgricche, sondern nach einem glaubwürdigeren Berichte Athener war, und
daß seine ganze Kunstrichtung deshalb einen spezifisch attischen Charakter tragen
mußte. (Schluß folgt.)




Volkswirtschaftliche Betrachtungen eines Laien.

cDM
^"Misseuschaft und Kunst beruhen auf gewissen Grundgesetzen und
Wahrheiten von solcher Einfachheit und Folgerichtigkeit, daß auch
der schlichte Verstand des Laien sie mit voller Überzeugung zu
erfassen und der spitzfindigsten Schulweisheit gegenüber festzuhalten
vermag. Eine solche unerschütterliche Grundwahrheit in Bezug
auf die Volkswirtschaft ist die: Um die Güter zu erringen oder hervorzubringen,
deren ein Volk, deren die Menschheit zu menschenwürdigen Leben bedarf, ist die
angestrengteste Thätigkeit, die zäheste Ausdauer, die geschickteste Arbeit, das
scharfsinnigste Denken auf allen Gebieten menschlichen Schaffens erforderlich.
Der Müßiggang jedes Einzelnen, das Brachliegen jeder leistungsfähigen Kraft
ist ein Verlust für die Gesamtheit.

Diese Sätze klingen nun freilich wie ein Hohn gegenüber den Thatsachen,
welche uns die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gegenwart zeigen; aber trotzdem:


volkswirtschaftliche Betrachtungen eines Laien.

Heimat entlehnt habe. Als im Verlaufe der Ausgrabungsarbeiten große Teile
der westlichen Giebelgruppe, die von Alkamenes' Hand stammen soll, bekannt
wurden und eine gewisse Verwandtschaft dieser mit den Statuen des Ostgiebels
zu Tage trat, zog Brunn die weitern Konsequenzen seiner frühern Ansicht und
erklärte auch Alkamenes für einen uordgriechischen Künstler. Zwei späte Schrift¬
steller erwähnen einen Alkamenes, der eine als „Lemnier" (Lemnos, Insel im
nordgriechischen Archipel), der andre allgemein als „Jnselbewohner," und da
diese Angaben allgemein auf den bekannten Künstler bezogen wurden, war für
diesen wie für Päonios Nordgriechenland als Heimat erwiesen; von hier aus
waren beide Meister nach dem Süden gezogen, wo sich für ihre Thätigkeit ein
reicheres Feld darbieten mußte.

Aber auch diese Erörterungen stießen, so feinsinnig sie auch waren, vielfach
auf Widerspruch. Und dieser Widerspruch, der sich meist gegen die Existenz
einer eignen Kunstrichtung in Nordgriechenland wandte, wurde aufs entschiedenste
verschärft, als nach Sichtung und kritischer Beleuchtung der literarischen Zeug-
nisse sich herausstellte, daß der eine der beiden Meister, Alkamenes, überhaupt
kein Nordgricche, sondern nach einem glaubwürdigeren Berichte Athener war, und
daß seine ganze Kunstrichtung deshalb einen spezifisch attischen Charakter tragen
mußte. (Schluß folgt.)




Volkswirtschaftliche Betrachtungen eines Laien.

cDM
^«Misseuschaft und Kunst beruhen auf gewissen Grundgesetzen und
Wahrheiten von solcher Einfachheit und Folgerichtigkeit, daß auch
der schlichte Verstand des Laien sie mit voller Überzeugung zu
erfassen und der spitzfindigsten Schulweisheit gegenüber festzuhalten
vermag. Eine solche unerschütterliche Grundwahrheit in Bezug
auf die Volkswirtschaft ist die: Um die Güter zu erringen oder hervorzubringen,
deren ein Volk, deren die Menschheit zu menschenwürdigen Leben bedarf, ist die
angestrengteste Thätigkeit, die zäheste Ausdauer, die geschickteste Arbeit, das
scharfsinnigste Denken auf allen Gebieten menschlichen Schaffens erforderlich.
Der Müßiggang jedes Einzelnen, das Brachliegen jeder leistungsfähigen Kraft
ist ein Verlust für die Gesamtheit.

Diese Sätze klingen nun freilich wie ein Hohn gegenüber den Thatsachen,
welche uns die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gegenwart zeigen; aber trotzdem:


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[0192] volkswirtschaftliche Betrachtungen eines Laien. Heimat entlehnt habe. Als im Verlaufe der Ausgrabungsarbeiten große Teile der westlichen Giebelgruppe, die von Alkamenes' Hand stammen soll, bekannt wurden und eine gewisse Verwandtschaft dieser mit den Statuen des Ostgiebels zu Tage trat, zog Brunn die weitern Konsequenzen seiner frühern Ansicht und erklärte auch Alkamenes für einen uordgriechischen Künstler. Zwei späte Schrift¬ steller erwähnen einen Alkamenes, der eine als „Lemnier" (Lemnos, Insel im nordgriechischen Archipel), der andre allgemein als „Jnselbewohner," und da diese Angaben allgemein auf den bekannten Künstler bezogen wurden, war für diesen wie für Päonios Nordgriechenland als Heimat erwiesen; von hier aus waren beide Meister nach dem Süden gezogen, wo sich für ihre Thätigkeit ein reicheres Feld darbieten mußte. Aber auch diese Erörterungen stießen, so feinsinnig sie auch waren, vielfach auf Widerspruch. Und dieser Widerspruch, der sich meist gegen die Existenz einer eignen Kunstrichtung in Nordgriechenland wandte, wurde aufs entschiedenste verschärft, als nach Sichtung und kritischer Beleuchtung der literarischen Zeug- nisse sich herausstellte, daß der eine der beiden Meister, Alkamenes, überhaupt kein Nordgricche, sondern nach einem glaubwürdigeren Berichte Athener war, und daß seine ganze Kunstrichtung deshalb einen spezifisch attischen Charakter tragen mußte. (Schluß folgt.) Volkswirtschaftliche Betrachtungen eines Laien. cDM ^«Misseuschaft und Kunst beruhen auf gewissen Grundgesetzen und Wahrheiten von solcher Einfachheit und Folgerichtigkeit, daß auch der schlichte Verstand des Laien sie mit voller Überzeugung zu erfassen und der spitzfindigsten Schulweisheit gegenüber festzuhalten vermag. Eine solche unerschütterliche Grundwahrheit in Bezug auf die Volkswirtschaft ist die: Um die Güter zu erringen oder hervorzubringen, deren ein Volk, deren die Menschheit zu menschenwürdigen Leben bedarf, ist die angestrengteste Thätigkeit, die zäheste Ausdauer, die geschickteste Arbeit, das scharfsinnigste Denken auf allen Gebieten menschlichen Schaffens erforderlich. Der Müßiggang jedes Einzelnen, das Brachliegen jeder leistungsfähigen Kraft ist ein Verlust für die Gesamtheit. Diese Sätze klingen nun freilich wie ein Hohn gegenüber den Thatsachen, welche uns die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gegenwart zeigen; aber trotzdem:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/192>, abgerufen am 29.04.2024.