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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Aus der Chronik derer von Riffelshansen.

in die Augen geschaut haben. Sie soll klein sein, aber auffallend schön. Ihr
glaubt Wohl nicht, daß sich das vereinigen läßt?

Mathilde und Julie protestirten lebhaft. Ganz im Gegenteil, meinte Ma¬
thilde, bei Damen ist das Feine und Zierliche an sich Schönheit. Nur bei
Männern gefällt es mir nicht, wenn sie klein find. Heute habe ich einen ge¬
sehen, der hatte wirklich eine schöne Figur --

Nun, fahre nur fort, Fräulein Schwester, wer war denn dieser eine? Seht
doch, unser Tildchen errötet wirklich -- das wird interessant!

Na, heraus mit der Sprache.

Ist vielleicht der Bierhcmnes gewesen, das ist so ein langer Laban!

Oder Tobi Heinevetter mit den Teckelbcinen!

Jetzt seid stille, ihr Ungeheuer. Ihr kennt ihn garnicht. Es war der neue
Pfarrer von Trübensee.

Alle Wetter! rief Valer, der Hohepriester unsrer lieben Schefflingen!

Richter? fragte Georg, du trafst ihn wohl in der Pfarre?

Ja, Onkel; kennst du ihn?

Ich kenne ihn ein wenig.

Nun, das ist herrlich, sagte Valer heiter, da kannst du uns ja gleich be¬
zeugen, ob der würdige Pfaffe in der That der Doppelgänger des Apoll vom
Belvedere ist!

Das habe ich ja garnicht gesagt, rief Mathilde wirklich ärgerlich.

Tante Cäcilie aber hob würdevoll die Tafel auf: Ich dächte, es wären
der Sottisen nun genug gesagt. Wenn der Richter hier einmal predigt, könnt
ihr ihn ja mit dem Centimetermaß messen, wenn ihr Lust habt.




Zweiuuddreißigftes Aapitel.

Am folgenden Morgen, als der Nebel noch in weißen Schleiern über den
Wiesen lag, Hügel und Baumspitzen aber schon in der Morgensonne erglänzten,
fuhren Valer und Mathilde nach Nummelshauscn, um Anton von der Eisen¬
bahnstation abzuholen. Der Herr Leutnant hatte längern Urlaub erhalten und
wollte mit dem Frühzuge in Nummclshausen eintreffen.

Obwohl Mathildens Herz in freudiger Erwartung schlug, war das Gespräch,
das die Geschwister führten, doch recht ernster Natur. Sie hatten gestern
Abend noch den Onkel um eine Unterstützung für Hegel gebeten, und er hatte
ihnen ihre Bitte abgeschlagen.

Er hat gewiß gute Gründe, seufzte sie jetzt, er thut ja immer das richtige;
aber es ist so hart, solches Elend ansehen zu müssen, ohne helfen zu können!
Wäre ich nur etwas reicher! Mein Taschengeld reicht eben notdürftig zur Be¬
streitung meines Anzuges aus, und was ich da absparen kann, wird sicherlich


Aus der Chronik derer von Riffelshansen.

in die Augen geschaut haben. Sie soll klein sein, aber auffallend schön. Ihr
glaubt Wohl nicht, daß sich das vereinigen läßt?

Mathilde und Julie protestirten lebhaft. Ganz im Gegenteil, meinte Ma¬
thilde, bei Damen ist das Feine und Zierliche an sich Schönheit. Nur bei
Männern gefällt es mir nicht, wenn sie klein find. Heute habe ich einen ge¬
sehen, der hatte wirklich eine schöne Figur —

Nun, fahre nur fort, Fräulein Schwester, wer war denn dieser eine? Seht
doch, unser Tildchen errötet wirklich — das wird interessant!

Na, heraus mit der Sprache.

Ist vielleicht der Bierhcmnes gewesen, das ist so ein langer Laban!

Oder Tobi Heinevetter mit den Teckelbcinen!

Jetzt seid stille, ihr Ungeheuer. Ihr kennt ihn garnicht. Es war der neue
Pfarrer von Trübensee.

Alle Wetter! rief Valer, der Hohepriester unsrer lieben Schefflingen!

Richter? fragte Georg, du trafst ihn wohl in der Pfarre?

Ja, Onkel; kennst du ihn?

Ich kenne ihn ein wenig.

Nun, das ist herrlich, sagte Valer heiter, da kannst du uns ja gleich be¬
zeugen, ob der würdige Pfaffe in der That der Doppelgänger des Apoll vom
Belvedere ist!

Das habe ich ja garnicht gesagt, rief Mathilde wirklich ärgerlich.

Tante Cäcilie aber hob würdevoll die Tafel auf: Ich dächte, es wären
der Sottisen nun genug gesagt. Wenn der Richter hier einmal predigt, könnt
ihr ihn ja mit dem Centimetermaß messen, wenn ihr Lust habt.




Zweiuuddreißigftes Aapitel.

Am folgenden Morgen, als der Nebel noch in weißen Schleiern über den
Wiesen lag, Hügel und Baumspitzen aber schon in der Morgensonne erglänzten,
fuhren Valer und Mathilde nach Nummelshauscn, um Anton von der Eisen¬
bahnstation abzuholen. Der Herr Leutnant hatte längern Urlaub erhalten und
wollte mit dem Frühzuge in Nummclshausen eintreffen.

Obwohl Mathildens Herz in freudiger Erwartung schlug, war das Gespräch,
das die Geschwister führten, doch recht ernster Natur. Sie hatten gestern
Abend noch den Onkel um eine Unterstützung für Hegel gebeten, und er hatte
ihnen ihre Bitte abgeschlagen.

Er hat gewiß gute Gründe, seufzte sie jetzt, er thut ja immer das richtige;
aber es ist so hart, solches Elend ansehen zu müssen, ohne helfen zu können!
Wäre ich nur etwas reicher! Mein Taschengeld reicht eben notdürftig zur Be¬
streitung meines Anzuges aus, und was ich da absparen kann, wird sicherlich


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[0251] Aus der Chronik derer von Riffelshansen. in die Augen geschaut haben. Sie soll klein sein, aber auffallend schön. Ihr glaubt Wohl nicht, daß sich das vereinigen läßt? Mathilde und Julie protestirten lebhaft. Ganz im Gegenteil, meinte Ma¬ thilde, bei Damen ist das Feine und Zierliche an sich Schönheit. Nur bei Männern gefällt es mir nicht, wenn sie klein find. Heute habe ich einen ge¬ sehen, der hatte wirklich eine schöne Figur — Nun, fahre nur fort, Fräulein Schwester, wer war denn dieser eine? Seht doch, unser Tildchen errötet wirklich — das wird interessant! Na, heraus mit der Sprache. Ist vielleicht der Bierhcmnes gewesen, das ist so ein langer Laban! Oder Tobi Heinevetter mit den Teckelbcinen! Jetzt seid stille, ihr Ungeheuer. Ihr kennt ihn garnicht. Es war der neue Pfarrer von Trübensee. Alle Wetter! rief Valer, der Hohepriester unsrer lieben Schefflingen! Richter? fragte Georg, du trafst ihn wohl in der Pfarre? Ja, Onkel; kennst du ihn? Ich kenne ihn ein wenig. Nun, das ist herrlich, sagte Valer heiter, da kannst du uns ja gleich be¬ zeugen, ob der würdige Pfaffe in der That der Doppelgänger des Apoll vom Belvedere ist! Das habe ich ja garnicht gesagt, rief Mathilde wirklich ärgerlich. Tante Cäcilie aber hob würdevoll die Tafel auf: Ich dächte, es wären der Sottisen nun genug gesagt. Wenn der Richter hier einmal predigt, könnt ihr ihn ja mit dem Centimetermaß messen, wenn ihr Lust habt. Zweiuuddreißigftes Aapitel. Am folgenden Morgen, als der Nebel noch in weißen Schleiern über den Wiesen lag, Hügel und Baumspitzen aber schon in der Morgensonne erglänzten, fuhren Valer und Mathilde nach Nummelshauscn, um Anton von der Eisen¬ bahnstation abzuholen. Der Herr Leutnant hatte längern Urlaub erhalten und wollte mit dem Frühzuge in Nummclshausen eintreffen. Obwohl Mathildens Herz in freudiger Erwartung schlug, war das Gespräch, das die Geschwister führten, doch recht ernster Natur. Sie hatten gestern Abend noch den Onkel um eine Unterstützung für Hegel gebeten, und er hatte ihnen ihre Bitte abgeschlagen. Er hat gewiß gute Gründe, seufzte sie jetzt, er thut ja immer das richtige; aber es ist so hart, solches Elend ansehen zu müssen, ohne helfen zu können! Wäre ich nur etwas reicher! Mein Taschengeld reicht eben notdürftig zur Be¬ streitung meines Anzuges aus, und was ich da absparen kann, wird sicherlich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/251>, abgerufen am 29.04.2024.