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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Notiz.

sich in lauten, hitzigen Tönen mit dem Schaffner; sie wollte ihren Hund mit
in das Kupee nehmen. Aber die Schaffner der Thüringer Eisenbahn wissen,
was sie wollen. Entweder, Se gehn alleine 'rein, meine Dame, oder Se bleiben
mit samt dem Hunde draußen!

Schon hatten die Siebcnhofcr dem trüben Gedanken Raum gegeben, der
Erwartete sei nicht mitgekommen, als Mathilde plötzlich durch einen Kuß über¬
rascht wurde, der von einem tüchtigen Schnurbart erzählte. Entsetzt sah sie
auf, brach aber vor versammeltem Volke in einen Freudenruf aus, als sie den
lachenden Augen des ältesten Bruders begegnete.

Aber Toni!

Ja, der bin ich schon. Ich habe dich doch nicht erschreckt, Tildchen?
Aber ihr lieben Kinder, meinetwegen auf die Bahn zu fahren! Guten Morgen,
Valer! Na, also ihr lebt alle noch? Und was macht Julie? und Onkel --
das heißt Tante Cäcilie und Onkel Georg, alle munter?

Na, um Gottes Willen, Anton, brummte Valer, du hast dir wohl deine
Sprechwerkzeuge ganz expreß geschmiert, du langer Krieger! Kommt nur uach
dem Wagen, Kiuder!

Mathilde drückte Antons Hand.

Du Herze, sagte er. Man bestieg den Familienwagen, naturlich erst
nachdem auch der Kutscher ausführlich begrüßt war. Und da fuhr auch richtig
wieder vor ihnen der Trübenseer Wagen dem Städtchen zu. Diesmal nahm
ein Offizier den Platz neben Einnahm ein; Einnahm hatte sich einen Freund
geladen. (Fortsetzung folgt.)




Notiz.

Nochmals der Eid vor Gericht. Der in meinem Aufsatz über die
"Meineidpest" gemachte Vorschlag, den Schicdseid im Zivilprozeß durch die Ver¬
nehmung der Parteien als Zeugen zu ersetzen, hat kürzlich in diesen Blättern in
dem Aufsatz "Der Eid vor Gericht" eine Erwiederung gefunden, die mich zu einer
kurzen Entgegnung nötigt.

Der Verfasser des letzter" Aufsatzes behandelt meinen Vorschlag im wesent¬
lichen als eine Wiederholung des in der Ncichstagskommissiou gestellten und ab¬
gelehnten Antrages, an die Stelle des Schiedseides uach englisch-amerikanischem Muster
die eidliche Vernehmung der Parteien zu setzen. Diesem Antrage setzt er energischen
Widerspruch entgegen, und mit diesem Widersprüche bin ich ganz einverstanden; die
Gründe gegen die Nachahmung der englisch-amerikanischen Einrichtung habe ich
selbst in meinem Aufsatz (S. 400 und 401) als berechtigt anerkannt. Mein Vorschlag
ist aber ein ganz andrer. Nach englischem Recht ist jede Partei befugt, behufs
des ihr obliegenden Beweises ihre eidliche Vernehmung über ihre eignen Be¬
hauptungen zu verlangen. Mein Vorschlag geht dahin: 1. Wenn die bewcispflichtigc
Partei für ihre Behauptungen keinen andern Beweis antreten kann oder will, so
ist sie berechtigt -- statt wie bisher der Gegenpartei den Eid zuzuschieben --, die
letztere als Zeugen zu benennen, worauf deren Vernehmung nicht in ungeordnetem


Notiz.

sich in lauten, hitzigen Tönen mit dem Schaffner; sie wollte ihren Hund mit
in das Kupee nehmen. Aber die Schaffner der Thüringer Eisenbahn wissen,
was sie wollen. Entweder, Se gehn alleine 'rein, meine Dame, oder Se bleiben
mit samt dem Hunde draußen!

Schon hatten die Siebcnhofcr dem trüben Gedanken Raum gegeben, der
Erwartete sei nicht mitgekommen, als Mathilde plötzlich durch einen Kuß über¬
rascht wurde, der von einem tüchtigen Schnurbart erzählte. Entsetzt sah sie
auf, brach aber vor versammeltem Volke in einen Freudenruf aus, als sie den
lachenden Augen des ältesten Bruders begegnete.

Aber Toni!

Ja, der bin ich schon. Ich habe dich doch nicht erschreckt, Tildchen?
Aber ihr lieben Kinder, meinetwegen auf die Bahn zu fahren! Guten Morgen,
Valer! Na, also ihr lebt alle noch? Und was macht Julie? und Onkel —
das heißt Tante Cäcilie und Onkel Georg, alle munter?

Na, um Gottes Willen, Anton, brummte Valer, du hast dir wohl deine
Sprechwerkzeuge ganz expreß geschmiert, du langer Krieger! Kommt nur uach
dem Wagen, Kiuder!

Mathilde drückte Antons Hand.

Du Herze, sagte er. Man bestieg den Familienwagen, naturlich erst
nachdem auch der Kutscher ausführlich begrüßt war. Und da fuhr auch richtig
wieder vor ihnen der Trübenseer Wagen dem Städtchen zu. Diesmal nahm
ein Offizier den Platz neben Einnahm ein; Einnahm hatte sich einen Freund
geladen. (Fortsetzung folgt.)




Notiz.

Nochmals der Eid vor Gericht. Der in meinem Aufsatz über die
„Meineidpest" gemachte Vorschlag, den Schicdseid im Zivilprozeß durch die Ver¬
nehmung der Parteien als Zeugen zu ersetzen, hat kürzlich in diesen Blättern in
dem Aufsatz „Der Eid vor Gericht" eine Erwiederung gefunden, die mich zu einer
kurzen Entgegnung nötigt.

Der Verfasser des letzter» Aufsatzes behandelt meinen Vorschlag im wesent¬
lichen als eine Wiederholung des in der Ncichstagskommissiou gestellten und ab¬
gelehnten Antrages, an die Stelle des Schiedseides uach englisch-amerikanischem Muster
die eidliche Vernehmung der Parteien zu setzen. Diesem Antrage setzt er energischen
Widerspruch entgegen, und mit diesem Widersprüche bin ich ganz einverstanden; die
Gründe gegen die Nachahmung der englisch-amerikanischen Einrichtung habe ich
selbst in meinem Aufsatz (S. 400 und 401) als berechtigt anerkannt. Mein Vorschlag
ist aber ein ganz andrer. Nach englischem Recht ist jede Partei befugt, behufs
des ihr obliegenden Beweises ihre eidliche Vernehmung über ihre eignen Be¬
hauptungen zu verlangen. Mein Vorschlag geht dahin: 1. Wenn die bewcispflichtigc
Partei für ihre Behauptungen keinen andern Beweis antreten kann oder will, so
ist sie berechtigt — statt wie bisher der Gegenpartei den Eid zuzuschieben —, die
letztere als Zeugen zu benennen, worauf deren Vernehmung nicht in ungeordnetem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/254>, abgerufen am 29.04.2024.