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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Liberal und konservativ.

üngst hat sich ein umfangreicher Zcitungskrieg abgespielt, den
wir lieber vermiede" gesehen hätten. Auf dem Parteitage der
Nationalliberalen zu Köln hatte ein Redner ausgesprochen, die
Partei wolle eine liberale, eine fortschreitende Partei sein, nicht
aber mit dem nichtssagenden Namen einer Mittelpartei belegt
werden. Ein Bericht über jene Versammlung hatte dann auch gesagt, die
nationalliberale Partei habe an dein Ausbau des Reiches, sowie an der An¬
bahnung der Möglichkeit seines Entstehens einen entschiedenen Anteil gehabt.
Diese Äußerungen gaben der "Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" Veranlassung
zu einem tadelnden Artikel. Sie hob hervor, daß bei Herstellung des deutscheu
Reiches die uationalliberale Partei Verdienste nicht in Anspruch nehmen könne,
und daß die Abweisung des Namens einer "Mittelpartei" und die Betonung
der Bezeichnung einer "fortschreitenden" Partei ans unberechtigte Insinuationen
gegen andre Parteien Hinanslaufe. Dagegen haben dann wieder viele national-
liberale Blätter sich zur Wehr gesetzt und die Vorwürfe zurückzuweisen gesucht.

Wir beklagen diesen Streit, der sich mehr an Worte als an Sachen ge¬
knüpft hat. Welche Stellung die Männer der im Jahre 1867 aus sehr ver-
schiednen Elementen gebildeten nationalliberalen Partei zu der Entstehung des
deutschen Reiches eingenommen haben, ist im allgemeinen so bekannt, daß an dem
Urteil darüber durch einen Streit über das Verdienst oder NichtVerdienst
dieser Männer nichts geändert werden kann. Nicht minder war aber auch die
Betonung, daß die nationalliberale Partei eine fortschreitende Partei sei und
nicht in dem Namen einer Mittelpartei aufgehen wolle, ohne Wert. "Fort¬
schreitend" in gewissem Sinne will hente jede Partei sein. Und den Namen


Grenzboten IV. 1386. 32


Liberal und konservativ.

üngst hat sich ein umfangreicher Zcitungskrieg abgespielt, den
wir lieber vermiede» gesehen hätten. Auf dem Parteitage der
Nationalliberalen zu Köln hatte ein Redner ausgesprochen, die
Partei wolle eine liberale, eine fortschreitende Partei sein, nicht
aber mit dem nichtssagenden Namen einer Mittelpartei belegt
werden. Ein Bericht über jene Versammlung hatte dann auch gesagt, die
nationalliberale Partei habe an dein Ausbau des Reiches, sowie an der An¬
bahnung der Möglichkeit seines Entstehens einen entschiedenen Anteil gehabt.
Diese Äußerungen gaben der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" Veranlassung
zu einem tadelnden Artikel. Sie hob hervor, daß bei Herstellung des deutscheu
Reiches die uationalliberale Partei Verdienste nicht in Anspruch nehmen könne,
und daß die Abweisung des Namens einer „Mittelpartei" und die Betonung
der Bezeichnung einer „fortschreitenden" Partei ans unberechtigte Insinuationen
gegen andre Parteien Hinanslaufe. Dagegen haben dann wieder viele national-
liberale Blätter sich zur Wehr gesetzt und die Vorwürfe zurückzuweisen gesucht.

Wir beklagen diesen Streit, der sich mehr an Worte als an Sachen ge¬
knüpft hat. Welche Stellung die Männer der im Jahre 1867 aus sehr ver-
schiednen Elementen gebildeten nationalliberalen Partei zu der Entstehung des
deutschen Reiches eingenommen haben, ist im allgemeinen so bekannt, daß an dem
Urteil darüber durch einen Streit über das Verdienst oder NichtVerdienst
dieser Männer nichts geändert werden kann. Nicht minder war aber auch die
Betonung, daß die nationalliberale Partei eine fortschreitende Partei sei und
nicht in dem Namen einer Mittelpartei aufgehen wolle, ohne Wert. „Fort¬
schreitend" in gewissem Sinne will hente jede Partei sein. Und den Namen


Grenzboten IV. 1386. 32
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[0257] [Abbildung] Liberal und konservativ. üngst hat sich ein umfangreicher Zcitungskrieg abgespielt, den wir lieber vermiede» gesehen hätten. Auf dem Parteitage der Nationalliberalen zu Köln hatte ein Redner ausgesprochen, die Partei wolle eine liberale, eine fortschreitende Partei sein, nicht aber mit dem nichtssagenden Namen einer Mittelpartei belegt werden. Ein Bericht über jene Versammlung hatte dann auch gesagt, die nationalliberale Partei habe an dein Ausbau des Reiches, sowie an der An¬ bahnung der Möglichkeit seines Entstehens einen entschiedenen Anteil gehabt. Diese Äußerungen gaben der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" Veranlassung zu einem tadelnden Artikel. Sie hob hervor, daß bei Herstellung des deutscheu Reiches die uationalliberale Partei Verdienste nicht in Anspruch nehmen könne, und daß die Abweisung des Namens einer „Mittelpartei" und die Betonung der Bezeichnung einer „fortschreitenden" Partei ans unberechtigte Insinuationen gegen andre Parteien Hinanslaufe. Dagegen haben dann wieder viele national- liberale Blätter sich zur Wehr gesetzt und die Vorwürfe zurückzuweisen gesucht. Wir beklagen diesen Streit, der sich mehr an Worte als an Sachen ge¬ knüpft hat. Welche Stellung die Männer der im Jahre 1867 aus sehr ver- schiednen Elementen gebildeten nationalliberalen Partei zu der Entstehung des deutschen Reiches eingenommen haben, ist im allgemeinen so bekannt, daß an dem Urteil darüber durch einen Streit über das Verdienst oder NichtVerdienst dieser Männer nichts geändert werden kann. Nicht minder war aber auch die Betonung, daß die nationalliberale Partei eine fortschreitende Partei sei und nicht in dem Namen einer Mittelpartei aufgehen wolle, ohne Wert. „Fort¬ schreitend" in gewissem Sinne will hente jede Partei sein. Und den Namen Grenzboten IV. 1386. 32

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/257>, abgerufen am 29.04.2024.