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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Aus der Lhronik derer von Riffelshausen.

ihr angenehmstes Lächeln und wurde ganz lebhaft während des rasch angeknüpften
Alltagsgesprächs; denn Julie sah es gern, wenn man sich nach ihrem Willen
richtete. So wandten sich diese "Geschäftsmenschen" durch den Gemüsegarten
pilgernd nach dem Dorfe zu, als der von Nummelshauseu zurückkehrende Wagen
mit den Geschwistern vor dem Hause anlangte.

Tante Cäcilie, die Juliens Abwesenheit dazu benutzt hatte, das hinne
Zimmer wieder aus- und das gelbe einräumen zu lassen, lief eiligst herbei, um
den Liebling zu begrüßen, den sie lange nicht gesehen hatte.

Nun nun, laß nur das Küssen sein, du langer Junge! Du weißt, das
mag ich uicht. Geht uur herein -- in der gelben Stube logirst du, das Früh¬
stück steht in der Eßstube!

Der Onkel ist natürlich auf dem Gutshöfe; aber wo steckt deun die Julie?
Anton sah sich suchend um.

Die scheint durchgegangen zu sein, bemerkte Valer, ich sah, als wir kamen,
einen Rockzipfel von ihr an der Seite eines jugendlichen Elegants aus dem
Garten schlüpfen. Ich werde mich aber einmal an die Verfolgung machen.

Während Valer in den Garten ging, berichtete Anton Mathilden, daß er
mit einem Kameraden, einem Leutnant Rohr, gefahren sei, der Schesfliugens
besuchen wolle. Emil hat doch auf seines Vaters Wunsch den Abschied ge¬
nommen und will sich in Trübensee um die Landwirtschaft kümmern. Hast du
die Elisabeth kürzlich gesehen?

Nein, diesen Sommer noch nicht. Wir fahren selten ans, und Schefflingens
sind dies Jahr spät nach Trübensee gekommen.

Ob wohl von Verlobung die Rede ist?

Du meinst Lischen? Nicht daß ich wüßte. Ich glaube auch, Elisabeth
würde die Eltern ungern verlassen, ehe Emil heiratet.

Sie hat recht. Die prächtige Fran von Schesflingen erscheint mir immer
als das Ideal einer vornehmen deutschen Dame. Der alte Herr scheint übrigens
auch sehr nett.

Magst du auch Einnahm so gern? Gegen den scheint unser Valer
nicht sehr freundlich gesinnt.

Ach? Das thut mir leid. Ich glaube uicht, daß Emil nach irgend einer
Seite hin hervorragend ist, aber ein guter Junge ist er sicherlich; das ist in
dieser Familie wirklich nicht anders möglich.




Vierunddreißigstes Kapitel.

Einige Tage nach Antons Ankunft erschien in Siebenhofen der Bote aus
Trübensee und überreichte Fräulein Cäcilie ein Schreiben der Frau vou Schesf¬
lingen, in welchem diese würdige Dame die lieben Nachbarn einlud, einen Tag


Aus der Lhronik derer von Riffelshausen.

ihr angenehmstes Lächeln und wurde ganz lebhaft während des rasch angeknüpften
Alltagsgesprächs; denn Julie sah es gern, wenn man sich nach ihrem Willen
richtete. So wandten sich diese „Geschäftsmenschen" durch den Gemüsegarten
pilgernd nach dem Dorfe zu, als der von Nummelshauseu zurückkehrende Wagen
mit den Geschwistern vor dem Hause anlangte.

Tante Cäcilie, die Juliens Abwesenheit dazu benutzt hatte, das hinne
Zimmer wieder aus- und das gelbe einräumen zu lassen, lief eiligst herbei, um
den Liebling zu begrüßen, den sie lange nicht gesehen hatte.

Nun nun, laß nur das Küssen sein, du langer Junge! Du weißt, das
mag ich uicht. Geht uur herein — in der gelben Stube logirst du, das Früh¬
stück steht in der Eßstube!

Der Onkel ist natürlich auf dem Gutshöfe; aber wo steckt deun die Julie?
Anton sah sich suchend um.

Die scheint durchgegangen zu sein, bemerkte Valer, ich sah, als wir kamen,
einen Rockzipfel von ihr an der Seite eines jugendlichen Elegants aus dem
Garten schlüpfen. Ich werde mich aber einmal an die Verfolgung machen.

Während Valer in den Garten ging, berichtete Anton Mathilden, daß er
mit einem Kameraden, einem Leutnant Rohr, gefahren sei, der Schesfliugens
besuchen wolle. Emil hat doch auf seines Vaters Wunsch den Abschied ge¬
nommen und will sich in Trübensee um die Landwirtschaft kümmern. Hast du
die Elisabeth kürzlich gesehen?

Nein, diesen Sommer noch nicht. Wir fahren selten ans, und Schefflingens
sind dies Jahr spät nach Trübensee gekommen.

Ob wohl von Verlobung die Rede ist?

Du meinst Lischen? Nicht daß ich wüßte. Ich glaube auch, Elisabeth
würde die Eltern ungern verlassen, ehe Emil heiratet.

Sie hat recht. Die prächtige Fran von Schesflingen erscheint mir immer
als das Ideal einer vornehmen deutschen Dame. Der alte Herr scheint übrigens
auch sehr nett.

Magst du auch Einnahm so gern? Gegen den scheint unser Valer
nicht sehr freundlich gesinnt.

Ach? Das thut mir leid. Ich glaube uicht, daß Emil nach irgend einer
Seite hin hervorragend ist, aber ein guter Junge ist er sicherlich; das ist in
dieser Familie wirklich nicht anders möglich.




Vierunddreißigstes Kapitel.

Einige Tage nach Antons Ankunft erschien in Siebenhofen der Bote aus
Trübensee und überreichte Fräulein Cäcilie ein Schreiben der Frau vou Schesf¬
lingen, in welchem diese würdige Dame die lieben Nachbarn einlud, einen Tag


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/300>, abgerufen am 29.04.2024.