Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die deutsche Landliga
und der deutsche Großgrundbesitz.

cum wir in gewissen Tagesblättern giftigen und höhnischen An¬
griffen ans den Großgrundbesitz begegnen, so finden wir dies
ohne weiteres begreiflich und halten es kaum für der Mühe wert,
uns die vorgebrachten Argumente und angeblichen Thatsachen
näher anzusehen; wir wissen dann ja im voraus, daß diese
Angriffe nicht sowohl dem Großgrundbesitze als solchem, sondern vielmehr den
(konservativen und großenteils sogar, Gott sei bei uns, adlichen) Großgrund¬
besitzern gelten, also lediglich in das Gebiet der politischen Tageskämpfe fallen.
Anders, wenn ein in den Grenzboten erscheinender, das Gepräge ernsten
Studiums und ruhiger, sachlicher Beurteilung tragender Artikel seine Spitze
gegen den Großgrundbesitz richtet, wie dies bei dem durch die Nummern 36,
37 und 38 hindnichgegangeucu Artikel "Die deutsche Landliga und ihre Be¬
strebungen" der Fall ist. Hier ist es unerläßlich, ernsthaft zu prüfen, das
Unwidersprcchliche hinzunehmen und auf die eignen Anschauungen anzu¬
wenden, dasjenige aber, was zum Widerspruche herausfordert, zur öffentlichen
Besprechung zu bringen. Der Schreiber dieser Zeilen hält sich keineswegs für
fähig, den ganzen Artikel, soweit letzteres zutrifft, in sachgemäßer Weise zu
beantworten, souderu hofft, daß sich hierfür eine berufenere Feder finden werde;
aber ans einige der in dem Artikel besprochenen Punkte glaubt er eingehen und
ihnen eine Erwiederung zu Teil werden lassen zu können, und möchte sich bei
dieser Gelegenheit gestatten, einige offenbare Unrichtigkeiten, die dem Verfasser
untergelaufen sind, zu berichtigen. Letzteres möge hier an erster Stelle geschehen.

Ans S. 541 (Ur. 38) ist bei Berechnung der Grnndbesitzverthcilnng in
Frankreich von der Annahme ausgegangen, daß die Hektare 20 Morgen groß sei.
Wie der Verfasser zu dieser Annahme kommt, weiß ich nicht; jedenfalls ist
dieselbe falsch -- eine Hektare hat 3,93 Morgen. Damit werden mich die an
diese Berechnung geknüpften Darlegungen hinfällig, denn daß ein Besitz von
50 bis 100 Hektare" durchgehends als "Großbesitz" bezeichnet werden könne,
wird selbst in Frankreich und am Rhein wohl niemand im Ernste behaupten
wollen, und sogar die Durchschnittsgröße der "großen" Besitzungen, 251 Hektaren
oder etwa 1000 Morgen, dürfte wohl nicht ausreichen, um hinsichtlich dieser Güter
von "Latifundien" sprechen zu können. Ich selbst vermutete anfangs, der
Irrtum liege in den angegebenen Zahlen selbst; aber eine kleine Nachrechnung
ergab, daß dieselben ziemlich richtig sein können, indem die sich ergebende Ge-


Die deutsche Landliga
und der deutsche Großgrundbesitz.

cum wir in gewissen Tagesblättern giftigen und höhnischen An¬
griffen ans den Großgrundbesitz begegnen, so finden wir dies
ohne weiteres begreiflich und halten es kaum für der Mühe wert,
uns die vorgebrachten Argumente und angeblichen Thatsachen
näher anzusehen; wir wissen dann ja im voraus, daß diese
Angriffe nicht sowohl dem Großgrundbesitze als solchem, sondern vielmehr den
(konservativen und großenteils sogar, Gott sei bei uns, adlichen) Großgrund¬
besitzern gelten, also lediglich in das Gebiet der politischen Tageskämpfe fallen.
Anders, wenn ein in den Grenzboten erscheinender, das Gepräge ernsten
Studiums und ruhiger, sachlicher Beurteilung tragender Artikel seine Spitze
gegen den Großgrundbesitz richtet, wie dies bei dem durch die Nummern 36,
37 und 38 hindnichgegangeucu Artikel „Die deutsche Landliga und ihre Be¬
strebungen" der Fall ist. Hier ist es unerläßlich, ernsthaft zu prüfen, das
Unwidersprcchliche hinzunehmen und auf die eignen Anschauungen anzu¬
wenden, dasjenige aber, was zum Widerspruche herausfordert, zur öffentlichen
Besprechung zu bringen. Der Schreiber dieser Zeilen hält sich keineswegs für
fähig, den ganzen Artikel, soweit letzteres zutrifft, in sachgemäßer Weise zu
beantworten, souderu hofft, daß sich hierfür eine berufenere Feder finden werde;
aber ans einige der in dem Artikel besprochenen Punkte glaubt er eingehen und
ihnen eine Erwiederung zu Teil werden lassen zu können, und möchte sich bei
dieser Gelegenheit gestatten, einige offenbare Unrichtigkeiten, die dem Verfasser
untergelaufen sind, zu berichtigen. Letzteres möge hier an erster Stelle geschehen.

Ans S. 541 (Ur. 38) ist bei Berechnung der Grnndbesitzverthcilnng in
Frankreich von der Annahme ausgegangen, daß die Hektare 20 Morgen groß sei.
Wie der Verfasser zu dieser Annahme kommt, weiß ich nicht; jedenfalls ist
dieselbe falsch — eine Hektare hat 3,93 Morgen. Damit werden mich die an
diese Berechnung geknüpften Darlegungen hinfällig, denn daß ein Besitz von
50 bis 100 Hektare» durchgehends als „Großbesitz" bezeichnet werden könne,
wird selbst in Frankreich und am Rhein wohl niemand im Ernste behaupten
wollen, und sogar die Durchschnittsgröße der „großen" Besitzungen, 251 Hektaren
oder etwa 1000 Morgen, dürfte wohl nicht ausreichen, um hinsichtlich dieser Güter
von „Latifundien" sprechen zu können. Ich selbst vermutete anfangs, der
Irrtum liege in den angegebenen Zahlen selbst; aber eine kleine Nachrechnung
ergab, daß dieselben ziemlich richtig sein können, indem die sich ergebende Ge-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0318" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/199672"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die deutsche Landliga<lb/>
und der deutsche Großgrundbesitz.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1296"> cum wir in gewissen Tagesblättern giftigen und höhnischen An¬<lb/>
griffen ans den Großgrundbesitz begegnen, so finden wir dies<lb/>
ohne weiteres begreiflich und halten es kaum für der Mühe wert,<lb/>
uns die vorgebrachten Argumente und angeblichen Thatsachen<lb/>
näher anzusehen; wir wissen dann ja im voraus, daß diese<lb/>
Angriffe nicht sowohl dem Großgrundbesitze als solchem, sondern vielmehr den<lb/>
(konservativen und großenteils sogar, Gott sei bei uns, adlichen) Großgrund¬<lb/>
besitzern gelten, also lediglich in das Gebiet der politischen Tageskämpfe fallen.<lb/>
Anders, wenn ein in den Grenzboten erscheinender, das Gepräge ernsten<lb/>
Studiums und ruhiger, sachlicher Beurteilung tragender Artikel seine Spitze<lb/>
gegen den Großgrundbesitz richtet, wie dies bei dem durch die Nummern 36,<lb/>
37 und 38 hindnichgegangeucu Artikel &#x201E;Die deutsche Landliga und ihre Be¬<lb/>
strebungen" der Fall ist. Hier ist es unerläßlich, ernsthaft zu prüfen, das<lb/>
Unwidersprcchliche hinzunehmen und auf die eignen Anschauungen anzu¬<lb/>
wenden, dasjenige aber, was zum Widerspruche herausfordert, zur öffentlichen<lb/>
Besprechung zu bringen. Der Schreiber dieser Zeilen hält sich keineswegs für<lb/>
fähig, den ganzen Artikel, soweit letzteres zutrifft, in sachgemäßer Weise zu<lb/>
beantworten, souderu hofft, daß sich hierfür eine berufenere Feder finden werde;<lb/>
aber ans einige der in dem Artikel besprochenen Punkte glaubt er eingehen und<lb/>
ihnen eine Erwiederung zu Teil werden lassen zu können, und möchte sich bei<lb/>
dieser Gelegenheit gestatten, einige offenbare Unrichtigkeiten, die dem Verfasser<lb/>
untergelaufen sind, zu berichtigen. Letzteres möge hier an erster Stelle geschehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1297" next="#ID_1298"> Ans S. 541 (Ur. 38) ist bei Berechnung der Grnndbesitzverthcilnng in<lb/>
Frankreich von der Annahme ausgegangen, daß die Hektare 20 Morgen groß sei.<lb/>
Wie der Verfasser zu dieser Annahme kommt, weiß ich nicht; jedenfalls ist<lb/>
dieselbe falsch &#x2014; eine Hektare hat 3,93 Morgen. Damit werden mich die an<lb/>
diese Berechnung geknüpften Darlegungen hinfällig, denn daß ein Besitz von<lb/>
50 bis 100 Hektare» durchgehends als &#x201E;Großbesitz" bezeichnet werden könne,<lb/>
wird selbst in Frankreich und am Rhein wohl niemand im Ernste behaupten<lb/>
wollen, und sogar die Durchschnittsgröße der &#x201E;großen" Besitzungen, 251 Hektaren<lb/>
oder etwa 1000 Morgen, dürfte wohl nicht ausreichen, um hinsichtlich dieser Güter<lb/>
von &#x201E;Latifundien" sprechen zu können. Ich selbst vermutete anfangs, der<lb/>
Irrtum liege in den angegebenen Zahlen selbst; aber eine kleine Nachrechnung<lb/>
ergab, daß dieselben ziemlich richtig sein können, indem die sich ergebende Ge-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0318] Die deutsche Landliga und der deutsche Großgrundbesitz. cum wir in gewissen Tagesblättern giftigen und höhnischen An¬ griffen ans den Großgrundbesitz begegnen, so finden wir dies ohne weiteres begreiflich und halten es kaum für der Mühe wert, uns die vorgebrachten Argumente und angeblichen Thatsachen näher anzusehen; wir wissen dann ja im voraus, daß diese Angriffe nicht sowohl dem Großgrundbesitze als solchem, sondern vielmehr den (konservativen und großenteils sogar, Gott sei bei uns, adlichen) Großgrund¬ besitzern gelten, also lediglich in das Gebiet der politischen Tageskämpfe fallen. Anders, wenn ein in den Grenzboten erscheinender, das Gepräge ernsten Studiums und ruhiger, sachlicher Beurteilung tragender Artikel seine Spitze gegen den Großgrundbesitz richtet, wie dies bei dem durch die Nummern 36, 37 und 38 hindnichgegangeucu Artikel „Die deutsche Landliga und ihre Be¬ strebungen" der Fall ist. Hier ist es unerläßlich, ernsthaft zu prüfen, das Unwidersprcchliche hinzunehmen und auf die eignen Anschauungen anzu¬ wenden, dasjenige aber, was zum Widerspruche herausfordert, zur öffentlichen Besprechung zu bringen. Der Schreiber dieser Zeilen hält sich keineswegs für fähig, den ganzen Artikel, soweit letzteres zutrifft, in sachgemäßer Weise zu beantworten, souderu hofft, daß sich hierfür eine berufenere Feder finden werde; aber ans einige der in dem Artikel besprochenen Punkte glaubt er eingehen und ihnen eine Erwiederung zu Teil werden lassen zu können, und möchte sich bei dieser Gelegenheit gestatten, einige offenbare Unrichtigkeiten, die dem Verfasser untergelaufen sind, zu berichtigen. Letzteres möge hier an erster Stelle geschehen. Ans S. 541 (Ur. 38) ist bei Berechnung der Grnndbesitzverthcilnng in Frankreich von der Annahme ausgegangen, daß die Hektare 20 Morgen groß sei. Wie der Verfasser zu dieser Annahme kommt, weiß ich nicht; jedenfalls ist dieselbe falsch — eine Hektare hat 3,93 Morgen. Damit werden mich die an diese Berechnung geknüpften Darlegungen hinfällig, denn daß ein Besitz von 50 bis 100 Hektare» durchgehends als „Großbesitz" bezeichnet werden könne, wird selbst in Frankreich und am Rhein wohl niemand im Ernste behaupten wollen, und sogar die Durchschnittsgröße der „großen" Besitzungen, 251 Hektaren oder etwa 1000 Morgen, dürfte wohl nicht ausreichen, um hinsichtlich dieser Güter von „Latifundien" sprechen zu können. Ich selbst vermutete anfangs, der Irrtum liege in den angegebenen Zahlen selbst; aber eine kleine Nachrechnung ergab, daß dieselben ziemlich richtig sein können, indem die sich ergebende Ge-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/318
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/318>, abgerufen am 29.04.2024.