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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Die deutsche Landliga und der deutsche Großgrundbesitz,

der Arbeitskraft eintreten. Höchstens die Entfernungen und bei ganz großen Be¬
sitzungen auch die "umständliche Kontrole" können Schwierigkeiten ergeben, die
jedoch untergeordneter Art sind. Dafür hat der Großbetrieb wieder einen,
gerade in unsrer Zeit sehr schwer ins Gewicht fallenden Vorteil: es ist ihm
sehr viel leichter, teilweise oder selbst vollständig zu andern Betriebszweigen
tiberzugehen, weil der im Kleinbetriebe eine überwältigend große Rolle spielende
Faktor der Eingewöhnung des Personals an bestimmte Arbeitsmethoden und
der genauen Anpassung der Baulichkeiten und Geräte, sowie des Viehstandes
an alle Einzelheiten des seither üblich gewesenen Betriebes bei ihm nahezu in
Wegfall kommt, jedenfalls eine unvergleichlich viel geringere Rolle spielt.

Gleichwohl stimme ich manchem in den Darlegungen des Verfassers un¬
bedingt zu. Nichts liegt mir ferner, als sagen zu wollen, an den Verhältnissen
unsrer Grundbesitzverteilung dürfe nichts geändert und insbesondre dürfe der
Großbesitz um des Himmels Willen nicht angetastet werden. Aber die hier zu stu-
direnden Fragen scheinen mir doch, so sehr der Verfasser selbst die Notwendigkeit
unbefangenen Studiums betont, eine vielseitigere Prüfung zu erfordern, als ihnen
meinem bescheidenen Urteil nach in dem Aufsatz zu Teil geworden ist.




Erwiederung.

Die Redaktion der Grenzboten, welche die Absicht nicht hat noch haben
kann, in der Frage der Reform des Grundeigentums Partei zu ergreifen,
sondern verschiednen Standpunkten ihre Spalten zu öffnen gedenkt, hatte die
Güte, mir die vorstehende Kritik meines in den Grenzboten erschienenen Auf¬
satzes zur Kenntnis mitzuteilen und mir zu gestatten, einige Bemerkungen bei¬
zufügen. Ich mache von dieser Erlaubnis umso lieber Gebrauch, als es
mir fern liegt, für eine Frage, die ich ausdrücklich als der Besprechung be¬
dürftig bezeichnet habe, zu agitiren oder gar gegen Personen angriffsweise vor¬
zugehen. Da dies auch mein Gegner als seinen Standpunkt erkennen läßt, da
er sich gegen die Grundeigentumsfrage nicht unbedingt ablehnend verhält, er
anch manches, was ich vorgetragen habe, ausdrücklich oder stillschweigend zu-
giebt, so würde ich gern in einen ausführlichen Meinungsaustausch mit ihm
eintreten, wenn er sich tiefer eingelassen hätte, oder wenn die Hoffnung bestünde,
daß eine eingehendere Arbeit jetzt schon die Frage wesentlich fördern könnte.
Ich bin aber der Ansicht, daß für mich wenigstens der Zeitpunkt noch nicht
gekommen sei, von neuem die Feder zu ergreifen, teils weil ich vorerst nichts
neues zu sagen habe, teils weil ich glaube, daß wir in Deutschland, wo die
Frage uicht so überaus brennend ist, mit vielem Nutzen den weitern und, wie
es den Anschein hat, sehr raschen Verlauf der Reformbestrebungen in England
beobachten und abwarten können. Ich glaube daher mich meinem Gegner
gegenüber auf solche Bemerkungen beschränken zu dürfen, welche lediglich auf
Klärung und Beseitigung von Mißverständnissen Bezug haben.


Die deutsche Landliga und der deutsche Großgrundbesitz,

der Arbeitskraft eintreten. Höchstens die Entfernungen und bei ganz großen Be¬
sitzungen auch die „umständliche Kontrole" können Schwierigkeiten ergeben, die
jedoch untergeordneter Art sind. Dafür hat der Großbetrieb wieder einen,
gerade in unsrer Zeit sehr schwer ins Gewicht fallenden Vorteil: es ist ihm
sehr viel leichter, teilweise oder selbst vollständig zu andern Betriebszweigen
tiberzugehen, weil der im Kleinbetriebe eine überwältigend große Rolle spielende
Faktor der Eingewöhnung des Personals an bestimmte Arbeitsmethoden und
der genauen Anpassung der Baulichkeiten und Geräte, sowie des Viehstandes
an alle Einzelheiten des seither üblich gewesenen Betriebes bei ihm nahezu in
Wegfall kommt, jedenfalls eine unvergleichlich viel geringere Rolle spielt.

Gleichwohl stimme ich manchem in den Darlegungen des Verfassers un¬
bedingt zu. Nichts liegt mir ferner, als sagen zu wollen, an den Verhältnissen
unsrer Grundbesitzverteilung dürfe nichts geändert und insbesondre dürfe der
Großbesitz um des Himmels Willen nicht angetastet werden. Aber die hier zu stu-
direnden Fragen scheinen mir doch, so sehr der Verfasser selbst die Notwendigkeit
unbefangenen Studiums betont, eine vielseitigere Prüfung zu erfordern, als ihnen
meinem bescheidenen Urteil nach in dem Aufsatz zu Teil geworden ist.




Erwiederung.

Die Redaktion der Grenzboten, welche die Absicht nicht hat noch haben
kann, in der Frage der Reform des Grundeigentums Partei zu ergreifen,
sondern verschiednen Standpunkten ihre Spalten zu öffnen gedenkt, hatte die
Güte, mir die vorstehende Kritik meines in den Grenzboten erschienenen Auf¬
satzes zur Kenntnis mitzuteilen und mir zu gestatten, einige Bemerkungen bei¬
zufügen. Ich mache von dieser Erlaubnis umso lieber Gebrauch, als es
mir fern liegt, für eine Frage, die ich ausdrücklich als der Besprechung be¬
dürftig bezeichnet habe, zu agitiren oder gar gegen Personen angriffsweise vor¬
zugehen. Da dies auch mein Gegner als seinen Standpunkt erkennen läßt, da
er sich gegen die Grundeigentumsfrage nicht unbedingt ablehnend verhält, er
anch manches, was ich vorgetragen habe, ausdrücklich oder stillschweigend zu-
giebt, so würde ich gern in einen ausführlichen Meinungsaustausch mit ihm
eintreten, wenn er sich tiefer eingelassen hätte, oder wenn die Hoffnung bestünde,
daß eine eingehendere Arbeit jetzt schon die Frage wesentlich fördern könnte.
Ich bin aber der Ansicht, daß für mich wenigstens der Zeitpunkt noch nicht
gekommen sei, von neuem die Feder zu ergreifen, teils weil ich vorerst nichts
neues zu sagen habe, teils weil ich glaube, daß wir in Deutschland, wo die
Frage uicht so überaus brennend ist, mit vielem Nutzen den weitern und, wie
es den Anschein hat, sehr raschen Verlauf der Reformbestrebungen in England
beobachten und abwarten können. Ich glaube daher mich meinem Gegner
gegenüber auf solche Bemerkungen beschränken zu dürfen, welche lediglich auf
Klärung und Beseitigung von Mißverständnissen Bezug haben.


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[0324] Die deutsche Landliga und der deutsche Großgrundbesitz, der Arbeitskraft eintreten. Höchstens die Entfernungen und bei ganz großen Be¬ sitzungen auch die „umständliche Kontrole" können Schwierigkeiten ergeben, die jedoch untergeordneter Art sind. Dafür hat der Großbetrieb wieder einen, gerade in unsrer Zeit sehr schwer ins Gewicht fallenden Vorteil: es ist ihm sehr viel leichter, teilweise oder selbst vollständig zu andern Betriebszweigen tiberzugehen, weil der im Kleinbetriebe eine überwältigend große Rolle spielende Faktor der Eingewöhnung des Personals an bestimmte Arbeitsmethoden und der genauen Anpassung der Baulichkeiten und Geräte, sowie des Viehstandes an alle Einzelheiten des seither üblich gewesenen Betriebes bei ihm nahezu in Wegfall kommt, jedenfalls eine unvergleichlich viel geringere Rolle spielt. Gleichwohl stimme ich manchem in den Darlegungen des Verfassers un¬ bedingt zu. Nichts liegt mir ferner, als sagen zu wollen, an den Verhältnissen unsrer Grundbesitzverteilung dürfe nichts geändert und insbesondre dürfe der Großbesitz um des Himmels Willen nicht angetastet werden. Aber die hier zu stu- direnden Fragen scheinen mir doch, so sehr der Verfasser selbst die Notwendigkeit unbefangenen Studiums betont, eine vielseitigere Prüfung zu erfordern, als ihnen meinem bescheidenen Urteil nach in dem Aufsatz zu Teil geworden ist. Erwiederung. Die Redaktion der Grenzboten, welche die Absicht nicht hat noch haben kann, in der Frage der Reform des Grundeigentums Partei zu ergreifen, sondern verschiednen Standpunkten ihre Spalten zu öffnen gedenkt, hatte die Güte, mir die vorstehende Kritik meines in den Grenzboten erschienenen Auf¬ satzes zur Kenntnis mitzuteilen und mir zu gestatten, einige Bemerkungen bei¬ zufügen. Ich mache von dieser Erlaubnis umso lieber Gebrauch, als es mir fern liegt, für eine Frage, die ich ausdrücklich als der Besprechung be¬ dürftig bezeichnet habe, zu agitiren oder gar gegen Personen angriffsweise vor¬ zugehen. Da dies auch mein Gegner als seinen Standpunkt erkennen läßt, da er sich gegen die Grundeigentumsfrage nicht unbedingt ablehnend verhält, er anch manches, was ich vorgetragen habe, ausdrücklich oder stillschweigend zu- giebt, so würde ich gern in einen ausführlichen Meinungsaustausch mit ihm eintreten, wenn er sich tiefer eingelassen hätte, oder wenn die Hoffnung bestünde, daß eine eingehendere Arbeit jetzt schon die Frage wesentlich fördern könnte. Ich bin aber der Ansicht, daß für mich wenigstens der Zeitpunkt noch nicht gekommen sei, von neuem die Feder zu ergreifen, teils weil ich vorerst nichts neues zu sagen habe, teils weil ich glaube, daß wir in Deutschland, wo die Frage uicht so überaus brennend ist, mit vielem Nutzen den weitern und, wie es den Anschein hat, sehr raschen Verlauf der Reformbestrebungen in England beobachten und abwarten können. Ich glaube daher mich meinem Gegner gegenüber auf solche Bemerkungen beschränken zu dürfen, welche lediglich auf Klärung und Beseitigung von Mißverständnissen Bezug haben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/324>, abgerufen am 29.04.2024.