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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Deutsche borgen in Österreich.
i.

s sind jetzt einige dreißig Jahre her, daß die Grenzboten, ihrem
Namen getreu, sich der Deutschen in den damaligen Grenzlanden
im Norden, zwischen Elbe und Kvnigsan, annahmen und in
"Schleswig-Holsteinischen Briefen" über deren Bedrängung durch
die Dünen berichteten. Etwa anderthalb Jahrzehnte später hatten
sie eine ähnliche Pflicht zu erfüllen: sie wiesen in ausführlichen Schilderungen auf
andre Angehörige unsrer Nation hin, die gleichfalls in schwerer Gefahr schwebten,
ihr Volkstum zu verlieren, auf die Deutschen in den baltischen Provinzen Ru߬
lands. Jetzt tritt eine dritte Aufgabe der Art an sie heran: sie haben auf die
Vorgänge aufmerksam zu macheu, welche die deutsche Nationalität jenseits der
südöstlichen Grenze des Reiches mit Einbuße bedrohen, und zwar zunächst und
vor allem auf den Kampf, in welchem die Deutschböhmen sich des gegen sie
von Jahr zu Jahr eifriger und rücksichtsloser vordringenden Tschcchentums zu
erwehren suchen, und dessen bisheriger Gang zu einer Gestaltung der Dinge
geführt hat, welche mit Fug eine beunruhigende genannt werden kann. Nicht
ohne Grund rief schon vor einiger Zeit Graf Wurmbrand im Wiener Ncichsrate
aus: "In den russischen Ostseeprovinzen ist das Deutschtum nicht mehr gefährdet
als in Böhmen, in Deutschböhmen!" Und am 19. März d. I. erhob der Ab¬
geordnete Hallwich dort dieselbe Klage mit den Worten: "Wahrlich, meine
Herren, dergleichen kann nur mit russischen Zuständen verglichen werden. Das
hat entweder der weiße Zar von Ihnen (den Tschechen und ihren Patronen)
oder Sie haben es von dem weißen Zaren gelernt." In einigen Wochen
werden wir diese traurige Erscheinung einer ausführlichen Darstellung unter-


Grcnzboten IV. 1386. 4S


Deutsche borgen in Österreich.
i.

s sind jetzt einige dreißig Jahre her, daß die Grenzboten, ihrem
Namen getreu, sich der Deutschen in den damaligen Grenzlanden
im Norden, zwischen Elbe und Kvnigsan, annahmen und in
„Schleswig-Holsteinischen Briefen" über deren Bedrängung durch
die Dünen berichteten. Etwa anderthalb Jahrzehnte später hatten
sie eine ähnliche Pflicht zu erfüllen: sie wiesen in ausführlichen Schilderungen auf
andre Angehörige unsrer Nation hin, die gleichfalls in schwerer Gefahr schwebten,
ihr Volkstum zu verlieren, auf die Deutschen in den baltischen Provinzen Ru߬
lands. Jetzt tritt eine dritte Aufgabe der Art an sie heran: sie haben auf die
Vorgänge aufmerksam zu macheu, welche die deutsche Nationalität jenseits der
südöstlichen Grenze des Reiches mit Einbuße bedrohen, und zwar zunächst und
vor allem auf den Kampf, in welchem die Deutschböhmen sich des gegen sie
von Jahr zu Jahr eifriger und rücksichtsloser vordringenden Tschcchentums zu
erwehren suchen, und dessen bisheriger Gang zu einer Gestaltung der Dinge
geführt hat, welche mit Fug eine beunruhigende genannt werden kann. Nicht
ohne Grund rief schon vor einiger Zeit Graf Wurmbrand im Wiener Ncichsrate
aus: „In den russischen Ostseeprovinzen ist das Deutschtum nicht mehr gefährdet
als in Böhmen, in Deutschböhmen!" Und am 19. März d. I. erhob der Ab¬
geordnete Hallwich dort dieselbe Klage mit den Worten: „Wahrlich, meine
Herren, dergleichen kann nur mit russischen Zuständen verglichen werden. Das
hat entweder der weiße Zar von Ihnen (den Tschechen und ihren Patronen)
oder Sie haben es von dem weißen Zaren gelernt." In einigen Wochen
werden wir diese traurige Erscheinung einer ausführlichen Darstellung unter-


Grcnzboten IV. 1386. 4S
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[0361] [Abbildung] Deutsche borgen in Österreich. i. s sind jetzt einige dreißig Jahre her, daß die Grenzboten, ihrem Namen getreu, sich der Deutschen in den damaligen Grenzlanden im Norden, zwischen Elbe und Kvnigsan, annahmen und in „Schleswig-Holsteinischen Briefen" über deren Bedrängung durch die Dünen berichteten. Etwa anderthalb Jahrzehnte später hatten sie eine ähnliche Pflicht zu erfüllen: sie wiesen in ausführlichen Schilderungen auf andre Angehörige unsrer Nation hin, die gleichfalls in schwerer Gefahr schwebten, ihr Volkstum zu verlieren, auf die Deutschen in den baltischen Provinzen Ru߬ lands. Jetzt tritt eine dritte Aufgabe der Art an sie heran: sie haben auf die Vorgänge aufmerksam zu macheu, welche die deutsche Nationalität jenseits der südöstlichen Grenze des Reiches mit Einbuße bedrohen, und zwar zunächst und vor allem auf den Kampf, in welchem die Deutschböhmen sich des gegen sie von Jahr zu Jahr eifriger und rücksichtsloser vordringenden Tschcchentums zu erwehren suchen, und dessen bisheriger Gang zu einer Gestaltung der Dinge geführt hat, welche mit Fug eine beunruhigende genannt werden kann. Nicht ohne Grund rief schon vor einiger Zeit Graf Wurmbrand im Wiener Ncichsrate aus: „In den russischen Ostseeprovinzen ist das Deutschtum nicht mehr gefährdet als in Böhmen, in Deutschböhmen!" Und am 19. März d. I. erhob der Ab¬ geordnete Hallwich dort dieselbe Klage mit den Worten: „Wahrlich, meine Herren, dergleichen kann nur mit russischen Zuständen verglichen werden. Das hat entweder der weiße Zar von Ihnen (den Tschechen und ihren Patronen) oder Sie haben es von dem weißen Zaren gelernt." In einigen Wochen werden wir diese traurige Erscheinung einer ausführlichen Darstellung unter- Grcnzboten IV. 1386. 4S

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/361>, abgerufen am 29.04.2024.