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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Aus der (Lhronik derer von Riffelshausen.
Erzählung in zwei Büchern von Margarethe von Biilow. (Fortsetzung,)
Einundzwanzigstes Aapitel.

n einer so trüben Zeit war der Bestich des Potsdamer Kadetten,
der zum erstenmale seine Ferien in Siebenhvfen zubringen durste,
eine wahre Erfrischung, Anton, dieser Musterknabe, war bei
Kameraden und Vorgesetzten gleich beliebt. Er erfreute sich
eines sichern Taktgefühls, welches ihn, ohne daß er sich über
das Warum Rechenschaft ablegte, stets zu rechter Zeit das Rechte thun und
sagen ließ. Diese ausgezeichnete Gabe machte den Knaben zum erklärten
Liebling seines Vaters. Aber auch die übrigen Hausgenossen konnten nicht
umhin, den schonen und liebenswürdigen Knaben etwas zu verziehen.

Eines Abends, als Therese ihre Kinder zu Bett brachte, was sie seit
Mademoiselle Adclines Abreise stets selbst that, brach Valerian in ein halbver¬
bissenes Weinen aus, das die Mama sehr wohl kannte. Sie beugte sich über
des Knaben Bettchen, strich sanft mit der Hand über das dichte Haar und fragte
so freundlich nach der Ursache seines Kummers, wie es eben nur eine Mutter
kann. Valerian riß mit den Zähnen eine Ecke aus seinem Taschentuch und
schüttelte den Kopf, aber sie lies; sich nicht abweisen, bis der Junge nnter
Thränen bittern Ärgers sagte: Alle haben ihn lieber als mich, und du auch.

Therese tröstete ihn mit leiser Stimme, da Anton bereits schlief. Als sie
aber am nächsten Morgen hereinkam, um die Söhne zu wecken, lagen diese
friedlich zusammen in einem Bett. An der Wand über dem Bettchen hing in
altem Goldrcchmcn der bekannte Kupferstich der Sohne Edwards von Hildebrandt.
Therese, deren Blick dies Bild streifte, sah mit einem Gefühl innigster Dankbarkeit




Aus der (Lhronik derer von Riffelshausen.
Erzählung in zwei Büchern von Margarethe von Biilow. (Fortsetzung,)
Einundzwanzigstes Aapitel.

n einer so trüben Zeit war der Bestich des Potsdamer Kadetten,
der zum erstenmale seine Ferien in Siebenhvfen zubringen durste,
eine wahre Erfrischung, Anton, dieser Musterknabe, war bei
Kameraden und Vorgesetzten gleich beliebt. Er erfreute sich
eines sichern Taktgefühls, welches ihn, ohne daß er sich über
das Warum Rechenschaft ablegte, stets zu rechter Zeit das Rechte thun und
sagen ließ. Diese ausgezeichnete Gabe machte den Knaben zum erklärten
Liebling seines Vaters. Aber auch die übrigen Hausgenossen konnten nicht
umhin, den schonen und liebenswürdigen Knaben etwas zu verziehen.

Eines Abends, als Therese ihre Kinder zu Bett brachte, was sie seit
Mademoiselle Adclines Abreise stets selbst that, brach Valerian in ein halbver¬
bissenes Weinen aus, das die Mama sehr wohl kannte. Sie beugte sich über
des Knaben Bettchen, strich sanft mit der Hand über das dichte Haar und fragte
so freundlich nach der Ursache seines Kummers, wie es eben nur eine Mutter
kann. Valerian riß mit den Zähnen eine Ecke aus seinem Taschentuch und
schüttelte den Kopf, aber sie lies; sich nicht abweisen, bis der Junge nnter
Thränen bittern Ärgers sagte: Alle haben ihn lieber als mich, und du auch.

Therese tröstete ihn mit leiser Stimme, da Anton bereits schlief. Als sie
aber am nächsten Morgen hereinkam, um die Söhne zu wecken, lagen diese
friedlich zusammen in einem Bett. An der Wand über dem Bettchen hing in
altem Goldrcchmcn der bekannte Kupferstich der Sohne Edwards von Hildebrandt.
Therese, deren Blick dies Bild streifte, sah mit einem Gefühl innigster Dankbarkeit


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[0039] [Abbildung] Aus der (Lhronik derer von Riffelshausen. Erzählung in zwei Büchern von Margarethe von Biilow. (Fortsetzung,) Einundzwanzigstes Aapitel. n einer so trüben Zeit war der Bestich des Potsdamer Kadetten, der zum erstenmale seine Ferien in Siebenhvfen zubringen durste, eine wahre Erfrischung, Anton, dieser Musterknabe, war bei Kameraden und Vorgesetzten gleich beliebt. Er erfreute sich eines sichern Taktgefühls, welches ihn, ohne daß er sich über das Warum Rechenschaft ablegte, stets zu rechter Zeit das Rechte thun und sagen ließ. Diese ausgezeichnete Gabe machte den Knaben zum erklärten Liebling seines Vaters. Aber auch die übrigen Hausgenossen konnten nicht umhin, den schonen und liebenswürdigen Knaben etwas zu verziehen. Eines Abends, als Therese ihre Kinder zu Bett brachte, was sie seit Mademoiselle Adclines Abreise stets selbst that, brach Valerian in ein halbver¬ bissenes Weinen aus, das die Mama sehr wohl kannte. Sie beugte sich über des Knaben Bettchen, strich sanft mit der Hand über das dichte Haar und fragte so freundlich nach der Ursache seines Kummers, wie es eben nur eine Mutter kann. Valerian riß mit den Zähnen eine Ecke aus seinem Taschentuch und schüttelte den Kopf, aber sie lies; sich nicht abweisen, bis der Junge nnter Thränen bittern Ärgers sagte: Alle haben ihn lieber als mich, und du auch. Therese tröstete ihn mit leiser Stimme, da Anton bereits schlief. Als sie aber am nächsten Morgen hereinkam, um die Söhne zu wecken, lagen diese friedlich zusammen in einem Bett. An der Wand über dem Bettchen hing in altem Goldrcchmcn der bekannte Kupferstich der Sohne Edwards von Hildebrandt. Therese, deren Blick dies Bild streifte, sah mit einem Gefühl innigster Dankbarkeit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/39>, abgerufen am 29.04.2024.