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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Deutsche borgen in Österreich.
2.

und in der zweiten Läudcrgruppe des Doppelstaates im Donau¬
becken, in den Sudetenlandern Böhmen, Mähren und Schlesien,
wohnen die Deutschen schon seit langer Zeit. In den Tagen,
wo die Geschichte zu dämmern beginnt, waren jene Landstriche
im Besitz der keltischen Bojer, später setzten sich hier, vom Neckar
und Main kommend, zunächst die Markomannen Mcirbvds fest, und als dessen
Herrschaft nach kurzem Bestände zu Ende ging, andre germanische Völker. Erst
gegen den Schluß des sechsten Jahrhunderts erschienen die Tschechen, um sich
im Gebiete der mittleren Moldau und Elbe niederzulassen und die Neste der
germanischen Bevölkerung gegen die Gebirge der Grenzgegenden zurückzudrängen.
Sie waren anfangs den Avaren Unterthan, hinter denen sie hergezogen waren. 623
befreite sie der Franke sano von diesem Joche, dessen Reich aber schon mit
seinem Tode zerfiel. 804 machte Karl der Große Böhmen tributpflichtig, und
929 zwang Heinrich I. den Herzog Wenzel zur Anerkennung der deutschen Reichs¬
hoheit. Ein Anlauf, die Deutschen "us dem Lande zu treiben, welchen Herzog
Spitignev 1055 unternahm, blieb erfolglos, und im zwölften Jahrhundert er¬
ließ Sobieslav II. eine Verordnung, die ihnen Sprache und Nationalität ge¬
währleistete. Mehr und mehr trat Böhmen unter den Prcemhsliden in den
Kreis des deutschen Kulturlebens ein, von dem ihm auch das Christentum ge¬
kommen war. Jene Fürsten beförderte,, ans alle Weise die Einwanderung und
Ausbreitung deutscher Kolonisten. Frühzeitig wurden Handelsverbindungen mit
Deutschland angeknüpft. Wratislav II., der Bundesgenosse Kaiser Heinrichs IV.
im Jnvestiturkampfe, lud deutsche Kaufleute zur Ansiedlung bei Prag ein, wo sie


GrenzbvtmIV. 1386. 61


Deutsche borgen in Österreich.
2.

und in der zweiten Läudcrgruppe des Doppelstaates im Donau¬
becken, in den Sudetenlandern Böhmen, Mähren und Schlesien,
wohnen die Deutschen schon seit langer Zeit. In den Tagen,
wo die Geschichte zu dämmern beginnt, waren jene Landstriche
im Besitz der keltischen Bojer, später setzten sich hier, vom Neckar
und Main kommend, zunächst die Markomannen Mcirbvds fest, und als dessen
Herrschaft nach kurzem Bestände zu Ende ging, andre germanische Völker. Erst
gegen den Schluß des sechsten Jahrhunderts erschienen die Tschechen, um sich
im Gebiete der mittleren Moldau und Elbe niederzulassen und die Neste der
germanischen Bevölkerung gegen die Gebirge der Grenzgegenden zurückzudrängen.
Sie waren anfangs den Avaren Unterthan, hinter denen sie hergezogen waren. 623
befreite sie der Franke sano von diesem Joche, dessen Reich aber schon mit
seinem Tode zerfiel. 804 machte Karl der Große Böhmen tributpflichtig, und
929 zwang Heinrich I. den Herzog Wenzel zur Anerkennung der deutschen Reichs¬
hoheit. Ein Anlauf, die Deutschen «us dem Lande zu treiben, welchen Herzog
Spitignev 1055 unternahm, blieb erfolglos, und im zwölften Jahrhundert er¬
ließ Sobieslav II. eine Verordnung, die ihnen Sprache und Nationalität ge¬
währleistete. Mehr und mehr trat Böhmen unter den Prcemhsliden in den
Kreis des deutschen Kulturlebens ein, von dem ihm auch das Christentum ge¬
kommen war. Jene Fürsten beförderte,, ans alle Weise die Einwanderung und
Ausbreitung deutscher Kolonisten. Frühzeitig wurden Handelsverbindungen mit
Deutschland angeknüpft. Wratislav II., der Bundesgenosse Kaiser Heinrichs IV.
im Jnvestiturkampfe, lud deutsche Kaufleute zur Ansiedlung bei Prag ein, wo sie


GrenzbvtmIV. 1386. 61
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[0409] [Abbildung] Deutsche borgen in Österreich. 2. und in der zweiten Läudcrgruppe des Doppelstaates im Donau¬ becken, in den Sudetenlandern Böhmen, Mähren und Schlesien, wohnen die Deutschen schon seit langer Zeit. In den Tagen, wo die Geschichte zu dämmern beginnt, waren jene Landstriche im Besitz der keltischen Bojer, später setzten sich hier, vom Neckar und Main kommend, zunächst die Markomannen Mcirbvds fest, und als dessen Herrschaft nach kurzem Bestände zu Ende ging, andre germanische Völker. Erst gegen den Schluß des sechsten Jahrhunderts erschienen die Tschechen, um sich im Gebiete der mittleren Moldau und Elbe niederzulassen und die Neste der germanischen Bevölkerung gegen die Gebirge der Grenzgegenden zurückzudrängen. Sie waren anfangs den Avaren Unterthan, hinter denen sie hergezogen waren. 623 befreite sie der Franke sano von diesem Joche, dessen Reich aber schon mit seinem Tode zerfiel. 804 machte Karl der Große Böhmen tributpflichtig, und 929 zwang Heinrich I. den Herzog Wenzel zur Anerkennung der deutschen Reichs¬ hoheit. Ein Anlauf, die Deutschen «us dem Lande zu treiben, welchen Herzog Spitignev 1055 unternahm, blieb erfolglos, und im zwölften Jahrhundert er¬ ließ Sobieslav II. eine Verordnung, die ihnen Sprache und Nationalität ge¬ währleistete. Mehr und mehr trat Böhmen unter den Prcemhsliden in den Kreis des deutschen Kulturlebens ein, von dem ihm auch das Christentum ge¬ kommen war. Jene Fürsten beförderte,, ans alle Weise die Einwanderung und Ausbreitung deutscher Kolonisten. Frühzeitig wurden Handelsverbindungen mit Deutschland angeknüpft. Wratislav II., der Bundesgenosse Kaiser Heinrichs IV. im Jnvestiturkampfe, lud deutsche Kaufleute zur Ansiedlung bei Prag ein, wo sie GrenzbvtmIV. 1386. 61

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/409>, abgerufen am 29.04.2024.