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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Aus der Lhronik derer von Riffelshansen.

Zweiundzwanzigstes Aapitel.

Eines Tages trat der Hofmarschall bekümmert zu den Damen, die im roten
Eckzimmer bei ihrer Arbeit saßen. Er hatte eben seine Vierteljahrsrechnnngen
abgeschlossen.

Ich weiß nicht, woran es liegt, seufzte er, es ist mir, als arbeitete ich unter
einem bösen Stern. Alles, alles geht schief.

Georg sollte wirklich zurückkommen! brummte Cäcilie.

Bohemund fragte sie ziemlich scharf, ob sie ihm vielleicht nicht zutraue, ohne
den Gescheiten fertig werden zu können. Die Schwester murmelte eine unver¬
ständliche Antwort und verließ verdrießlich das Zimmer.

Therese ließ die Arbeit ruhen und sah nachdenklich auf. Wenn du dich
nur nicht überarbeiten wolltest, Bohemund!

Der Hofmarschall sah seine Frau mißbilligend an. Das ist weiter nichts
als eine Redensart, Therese. Du weißt ebensogut wie ich, daß ich nicht mehr
als das notwendigste thue.

Er glaubte hiermit diesem ihm peinlichen Gesprüchsgegenstande ein Ende
gemacht zu haben; aber Therese ließ sich diesmal nicht einschüchtern.

Wenn dein Inspektor tüchtiges leistete, so würde weniger Last auf dich
fallen.

Ach, thu mir den Gefallen, liebe Frau! Was willst du denn davon ver¬
stehen! Ich bin froh, daß ich endlich Herr auf meiner eignen Scholle bin, und
das ist mir mehr wert, als wenn Alarich so übereifrig wäre, wie der eigen¬
mächtige Klee.

Und mit sauersüßem Lächeln griff Bohemund nach der Zeitung.

Therese beugte sich über ihren Nähtisch, wo ein Haufe zu stopfender
Kinderstrümpfe ihrer harrte. Sie hatte Johanna, ihr Kammermädchen, entlassen.
Die hierdurch ihr zufallende größere Arbeitslast empfand sie als eine Wohlthat
und begriff selbst nicht mehr, wie sie bisher so anspruchsvoll hatte sein können.
Jetzt fielen freilich Thränen auf die fleißigen Hände.

Auf der Parkwiese tanzten die Augustsvnnenstrahlen, und die Kinder ver¬
zehrten dort heiter ihre mächtigen Butterbrode. Dann kam Mathilde als Ab¬
gesandter in die rote Stube gelaufen, um Mama und Papa zu bitten, heute
einen freien Tag zu gewähre", damit man der Kirschernte unterhalb des Dorfes
beiwohnen könne.

Als das kleine Mädchen ihre Bitte vorgetragen hatte, bemerkte sie die
Thränen in den Augen der Mutter. Sie legte den braunen Lockenkopf lieb¬
kosend an Theresens Schulter.

Du liebe, liebe Mama! Wenn du es lieber magst, wollen wir bei dir
bleiben und arbeiten, wenn du nur den Brüdern erlauben willst, zu gehen, weil
die ja doch nicht stopfen können.


Aus der Lhronik derer von Riffelshansen.

Zweiundzwanzigstes Aapitel.

Eines Tages trat der Hofmarschall bekümmert zu den Damen, die im roten
Eckzimmer bei ihrer Arbeit saßen. Er hatte eben seine Vierteljahrsrechnnngen
abgeschlossen.

Ich weiß nicht, woran es liegt, seufzte er, es ist mir, als arbeitete ich unter
einem bösen Stern. Alles, alles geht schief.

Georg sollte wirklich zurückkommen! brummte Cäcilie.

Bohemund fragte sie ziemlich scharf, ob sie ihm vielleicht nicht zutraue, ohne
den Gescheiten fertig werden zu können. Die Schwester murmelte eine unver¬
ständliche Antwort und verließ verdrießlich das Zimmer.

Therese ließ die Arbeit ruhen und sah nachdenklich auf. Wenn du dich
nur nicht überarbeiten wolltest, Bohemund!

Der Hofmarschall sah seine Frau mißbilligend an. Das ist weiter nichts
als eine Redensart, Therese. Du weißt ebensogut wie ich, daß ich nicht mehr
als das notwendigste thue.

Er glaubte hiermit diesem ihm peinlichen Gesprüchsgegenstande ein Ende
gemacht zu haben; aber Therese ließ sich diesmal nicht einschüchtern.

Wenn dein Inspektor tüchtiges leistete, so würde weniger Last auf dich
fallen.

Ach, thu mir den Gefallen, liebe Frau! Was willst du denn davon ver¬
stehen! Ich bin froh, daß ich endlich Herr auf meiner eignen Scholle bin, und
das ist mir mehr wert, als wenn Alarich so übereifrig wäre, wie der eigen¬
mächtige Klee.

Und mit sauersüßem Lächeln griff Bohemund nach der Zeitung.

Therese beugte sich über ihren Nähtisch, wo ein Haufe zu stopfender
Kinderstrümpfe ihrer harrte. Sie hatte Johanna, ihr Kammermädchen, entlassen.
Die hierdurch ihr zufallende größere Arbeitslast empfand sie als eine Wohlthat
und begriff selbst nicht mehr, wie sie bisher so anspruchsvoll hatte sein können.
Jetzt fielen freilich Thränen auf die fleißigen Hände.

Auf der Parkwiese tanzten die Augustsvnnenstrahlen, und die Kinder ver¬
zehrten dort heiter ihre mächtigen Butterbrode. Dann kam Mathilde als Ab¬
gesandter in die rote Stube gelaufen, um Mama und Papa zu bitten, heute
einen freien Tag zu gewähre», damit man der Kirschernte unterhalb des Dorfes
beiwohnen könne.

Als das kleine Mädchen ihre Bitte vorgetragen hatte, bemerkte sie die
Thränen in den Augen der Mutter. Sie legte den braunen Lockenkopf lieb¬
kosend an Theresens Schulter.

Du liebe, liebe Mama! Wenn du es lieber magst, wollen wir bei dir
bleiben und arbeiten, wenn du nur den Brüdern erlauben willst, zu gehen, weil
die ja doch nicht stopfen können.


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[0042] Aus der Lhronik derer von Riffelshansen. Zweiundzwanzigstes Aapitel. Eines Tages trat der Hofmarschall bekümmert zu den Damen, die im roten Eckzimmer bei ihrer Arbeit saßen. Er hatte eben seine Vierteljahrsrechnnngen abgeschlossen. Ich weiß nicht, woran es liegt, seufzte er, es ist mir, als arbeitete ich unter einem bösen Stern. Alles, alles geht schief. Georg sollte wirklich zurückkommen! brummte Cäcilie. Bohemund fragte sie ziemlich scharf, ob sie ihm vielleicht nicht zutraue, ohne den Gescheiten fertig werden zu können. Die Schwester murmelte eine unver¬ ständliche Antwort und verließ verdrießlich das Zimmer. Therese ließ die Arbeit ruhen und sah nachdenklich auf. Wenn du dich nur nicht überarbeiten wolltest, Bohemund! Der Hofmarschall sah seine Frau mißbilligend an. Das ist weiter nichts als eine Redensart, Therese. Du weißt ebensogut wie ich, daß ich nicht mehr als das notwendigste thue. Er glaubte hiermit diesem ihm peinlichen Gesprüchsgegenstande ein Ende gemacht zu haben; aber Therese ließ sich diesmal nicht einschüchtern. Wenn dein Inspektor tüchtiges leistete, so würde weniger Last auf dich fallen. Ach, thu mir den Gefallen, liebe Frau! Was willst du denn davon ver¬ stehen! Ich bin froh, daß ich endlich Herr auf meiner eignen Scholle bin, und das ist mir mehr wert, als wenn Alarich so übereifrig wäre, wie der eigen¬ mächtige Klee. Und mit sauersüßem Lächeln griff Bohemund nach der Zeitung. Therese beugte sich über ihren Nähtisch, wo ein Haufe zu stopfender Kinderstrümpfe ihrer harrte. Sie hatte Johanna, ihr Kammermädchen, entlassen. Die hierdurch ihr zufallende größere Arbeitslast empfand sie als eine Wohlthat und begriff selbst nicht mehr, wie sie bisher so anspruchsvoll hatte sein können. Jetzt fielen freilich Thränen auf die fleißigen Hände. Auf der Parkwiese tanzten die Augustsvnnenstrahlen, und die Kinder ver¬ zehrten dort heiter ihre mächtigen Butterbrode. Dann kam Mathilde als Ab¬ gesandter in die rote Stube gelaufen, um Mama und Papa zu bitten, heute einen freien Tag zu gewähre», damit man der Kirschernte unterhalb des Dorfes beiwohnen könne. Als das kleine Mädchen ihre Bitte vorgetragen hatte, bemerkte sie die Thränen in den Augen der Mutter. Sie legte den braunen Lockenkopf lieb¬ kosend an Theresens Schulter. Du liebe, liebe Mama! Wenn du es lieber magst, wollen wir bei dir bleiben und arbeiten, wenn du nur den Brüdern erlauben willst, zu gehen, weil die ja doch nicht stopfen können.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/42>, abgerufen am 29.04.2024.