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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Die neuen Briefe Robert Schumanns.

was jetzt in gewissen Kreisen besonders Mode ist, seine Kritik aus den bunten
Harlekinsfetzen von Allerweltsphrasen zusammenflicken, daß einem dabei ganz
wirbelig im Kopfe wird und womit kaum mehr als "die Bewunderung vou
Kindern und von Affen" gewonnen wird.

Begeisterung, Leidenschaft für die Poesie ist dem Kritiker so nötig wie dem
Dichter, sonst wird er, was häufig genug vorkommen mag, seine Kritik ihrer
selbst, nicht der besprochene" Dichtung wegen schreiben. Diese wird ihm gleich-
giltig sein, und er wird nichts wichtigeres kennen, als das Licht seines Geistes
flackern zu lassen zu keinem andern Zweck, als dem der eignen Selbstbeleuchtung.

Um vom Allgemeinen, das immer unfruchtbar ist, zum Besondern zurück¬
zukommen: selbst die ernstesten Stimmen unsrer Kritik haben den oben näher
bezeichneten Literaturerscheiuuugen viel zu viel Zugeständnisse gemacht und thun
es zum Teil noch jetzt. Man wird vielleicht sagen, die angedeuteten Bücher
seien nützlich, weil sie eine Menge schönen Wissens unter ein großes Publikum
bringen. Wenn sie auch keinen allzuhohen ästhetische" Wert hätten, so hätten
sie dafür eine umso größere didaktische, volksaufkläreude Bedeutung und seien aus
diesem Grunde zu empfehlen. Aber so könnte nur einer sprechen, dem Dichtung,
und Kunst überhaupt, nicht viel mehr sind als leere Worte. Wein sie als Höchstes
und Heiligstes am Herzen liegen, der wird zwar den relativen Nutzen jener
Werke nicht leugnen, aber er wird auch aufs entschiedenste betonen, daß der
Schaden, den sie durch allmähliche Verwirrung der ästhetischen Begriffe, selbst
bei den Bessern, anrichten, ihren Nutzen weitaus überwiegt, und wird sie deshalb
als schlechterdings schädlich bezeichnen.




Die neuen Briefe Robert Schumanns.

meer den Aufgaben, die Robert Schumann sich und den Mit¬
arbeitern der "Neuen Zeitschrift für Musik" gestellt hatte, finden
wir auch verzeichnet "eine Biographie Beethovens oder wenigstens
eine vollständige Sammlung seiner Briefe." Für Schumann geht
diese Aufgabe jetzt ihrer Erfüllung entgegen. Durch das herr¬
liche Geschenk der " Jugendbriefe" hatte uns Frau Klara Schumann nach
weitern Gaben aus ihrem lange zurückgehaltenen Briefschatze begierig gemacht.
Auch diese hat sie nun gewährt, sie hat sie Gustav Jansen anvertraut, dem die
Schumann-Literatur schon einen höchst wertvollen Beitrag verdankt, die bekannte,


Die neuen Briefe Robert Schumanns.

was jetzt in gewissen Kreisen besonders Mode ist, seine Kritik aus den bunten
Harlekinsfetzen von Allerweltsphrasen zusammenflicken, daß einem dabei ganz
wirbelig im Kopfe wird und womit kaum mehr als „die Bewunderung vou
Kindern und von Affen" gewonnen wird.

Begeisterung, Leidenschaft für die Poesie ist dem Kritiker so nötig wie dem
Dichter, sonst wird er, was häufig genug vorkommen mag, seine Kritik ihrer
selbst, nicht der besprochene» Dichtung wegen schreiben. Diese wird ihm gleich-
giltig sein, und er wird nichts wichtigeres kennen, als das Licht seines Geistes
flackern zu lassen zu keinem andern Zweck, als dem der eignen Selbstbeleuchtung.

Um vom Allgemeinen, das immer unfruchtbar ist, zum Besondern zurück¬
zukommen: selbst die ernstesten Stimmen unsrer Kritik haben den oben näher
bezeichneten Literaturerscheiuuugen viel zu viel Zugeständnisse gemacht und thun
es zum Teil noch jetzt. Man wird vielleicht sagen, die angedeuteten Bücher
seien nützlich, weil sie eine Menge schönen Wissens unter ein großes Publikum
bringen. Wenn sie auch keinen allzuhohen ästhetische» Wert hätten, so hätten
sie dafür eine umso größere didaktische, volksaufkläreude Bedeutung und seien aus
diesem Grunde zu empfehlen. Aber so könnte nur einer sprechen, dem Dichtung,
und Kunst überhaupt, nicht viel mehr sind als leere Worte. Wein sie als Höchstes
und Heiligstes am Herzen liegen, der wird zwar den relativen Nutzen jener
Werke nicht leugnen, aber er wird auch aufs entschiedenste betonen, daß der
Schaden, den sie durch allmähliche Verwirrung der ästhetischen Begriffe, selbst
bei den Bessern, anrichten, ihren Nutzen weitaus überwiegt, und wird sie deshalb
als schlechterdings schädlich bezeichnen.




Die neuen Briefe Robert Schumanns.

meer den Aufgaben, die Robert Schumann sich und den Mit¬
arbeitern der „Neuen Zeitschrift für Musik" gestellt hatte, finden
wir auch verzeichnet „eine Biographie Beethovens oder wenigstens
eine vollständige Sammlung seiner Briefe." Für Schumann geht
diese Aufgabe jetzt ihrer Erfüllung entgegen. Durch das herr¬
liche Geschenk der „ Jugendbriefe" hatte uns Frau Klara Schumann nach
weitern Gaben aus ihrem lange zurückgehaltenen Briefschatze begierig gemacht.
Auch diese hat sie nun gewährt, sie hat sie Gustav Jansen anvertraut, dem die
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[0434] Die neuen Briefe Robert Schumanns. was jetzt in gewissen Kreisen besonders Mode ist, seine Kritik aus den bunten Harlekinsfetzen von Allerweltsphrasen zusammenflicken, daß einem dabei ganz wirbelig im Kopfe wird und womit kaum mehr als „die Bewunderung vou Kindern und von Affen" gewonnen wird. Begeisterung, Leidenschaft für die Poesie ist dem Kritiker so nötig wie dem Dichter, sonst wird er, was häufig genug vorkommen mag, seine Kritik ihrer selbst, nicht der besprochene» Dichtung wegen schreiben. Diese wird ihm gleich- giltig sein, und er wird nichts wichtigeres kennen, als das Licht seines Geistes flackern zu lassen zu keinem andern Zweck, als dem der eignen Selbstbeleuchtung. Um vom Allgemeinen, das immer unfruchtbar ist, zum Besondern zurück¬ zukommen: selbst die ernstesten Stimmen unsrer Kritik haben den oben näher bezeichneten Literaturerscheiuuugen viel zu viel Zugeständnisse gemacht und thun es zum Teil noch jetzt. Man wird vielleicht sagen, die angedeuteten Bücher seien nützlich, weil sie eine Menge schönen Wissens unter ein großes Publikum bringen. Wenn sie auch keinen allzuhohen ästhetische» Wert hätten, so hätten sie dafür eine umso größere didaktische, volksaufkläreude Bedeutung und seien aus diesem Grunde zu empfehlen. Aber so könnte nur einer sprechen, dem Dichtung, und Kunst überhaupt, nicht viel mehr sind als leere Worte. Wein sie als Höchstes und Heiligstes am Herzen liegen, der wird zwar den relativen Nutzen jener Werke nicht leugnen, aber er wird auch aufs entschiedenste betonen, daß der Schaden, den sie durch allmähliche Verwirrung der ästhetischen Begriffe, selbst bei den Bessern, anrichten, ihren Nutzen weitaus überwiegt, und wird sie deshalb als schlechterdings schädlich bezeichnen. Die neuen Briefe Robert Schumanns. meer den Aufgaben, die Robert Schumann sich und den Mit¬ arbeitern der „Neuen Zeitschrift für Musik" gestellt hatte, finden wir auch verzeichnet „eine Biographie Beethovens oder wenigstens eine vollständige Sammlung seiner Briefe." Für Schumann geht diese Aufgabe jetzt ihrer Erfüllung entgegen. Durch das herr¬ liche Geschenk der „ Jugendbriefe" hatte uns Frau Klara Schumann nach weitern Gaben aus ihrem lange zurückgehaltenen Briefschatze begierig gemacht. Auch diese hat sie nun gewährt, sie hat sie Gustav Jansen anvertraut, dem die Schumann-Literatur schon einen höchst wertvollen Beitrag verdankt, die bekannte,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/434>, abgerufen am 29.04.2024.