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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Aus der Chronik derer von Riffelshausen.

klugen nicht gern, wenn der lose Kleine, wie sie Valer nannte, seine Geschwister
nach Trübensec begleitete, wogegen sie für den liebenswürdigen und bescheidnen
Anton eine ausgesprochene Zuneigung faßte,

Anton seinerseits teilte die Vorliebe der Geschwister für die Dorfkinder
durchaus nicht. Die allerliebsten Manieren des gesitteten Lieschen Schefflingen
waren ihm entschieden sympathischer, als die derbe Schlichtheit der jungen
Siebenhofer. Ich kann mir nicht denken, daß die Jungens hier sehr nett
tanzen, äußerte er gegen seine Schwestern, erhielt aber die beruhigende Ver¬
sicherung, daß dies doch der Fall sei.

Besonders der Otto Schmidt, sagte Mathilde.

Nein, mir ist Schafmcisters Heinrich lieber, entgegnete Julie.

Nun ja, weil der überhaupt so nett ist und dir Versteinerungen und
Vogeleier bringt.

Er bringt nur überhaupt alles, was ich will, prahlte die Gefeierte. Und,
Anton! herrliche Schlitterbahnen macht er uns im Winter!

Ich habe aber mit Kantors August verabredet, einen Ländler zu tanzen,
triumphirte Mathilde.

Herr Trakelberg empfand bei derartigen Unterhaltungen schmerzlich, daß
die Lust an dein eiteln und thörichten Treiben der Welt sich gar früh in den
jungen Herzen zu regen beginne. Er berief an dem Sonnabend, der dem Tanz-
fest voranging, seine kleine Herde ans sein Zimmer zu einem Stündlein ernster
Betrachtung. Wie groß der Nutzen war, den die jungen Seelen aus selbiger
zogen, muß dahingestellt bleiben.




Dreiundzwanzigstes Aapitel.

Die warme Morgenluft war erfüllt von dem Dufte der Sommerblumen,
unter denen Abel, der Gärtner, in der Sonntagsjacke cinherwandclte, um be¬
dächtig zwei schöne Sträußchen abzuschneiden, die er später ans die Gesang¬
bücher der Frau Hvfmarschallin und des gnädigen Fräuleins legen wollte. Heute
Abend zum Tauze, dachte er bei sich, mache ich dem Julchen und dem Mathildchcn
ein paar schöne Kränzchen, wie es sich für unsre Fräuleins schicken will. Dann
wandte er sich liebäugelnd nach einem mächtigen Busch dunkelroter Nelken, deren
köstlicher Blütenreichtnm sein größter Stolz war.

Da kam die gnädige Frau den Gartenweg herauf.

Guten Morgen, Abel, sagte sie freundlich. Ihr freut euch an euern schönen
Blumen?

Es ist auch ein herrlicher Morgen, der dazu verlockt.

Abel rückte die Mütze, 's Wetter bleibt auch so für heute, gnädige Fran.

Welche prachtvolle" Nelken! Das sind wohl besondre Lieblinge, Abel?


Aus der Chronik derer von Riffelshausen.

klugen nicht gern, wenn der lose Kleine, wie sie Valer nannte, seine Geschwister
nach Trübensec begleitete, wogegen sie für den liebenswürdigen und bescheidnen
Anton eine ausgesprochene Zuneigung faßte,

Anton seinerseits teilte die Vorliebe der Geschwister für die Dorfkinder
durchaus nicht. Die allerliebsten Manieren des gesitteten Lieschen Schefflingen
waren ihm entschieden sympathischer, als die derbe Schlichtheit der jungen
Siebenhofer. Ich kann mir nicht denken, daß die Jungens hier sehr nett
tanzen, äußerte er gegen seine Schwestern, erhielt aber die beruhigende Ver¬
sicherung, daß dies doch der Fall sei.

Besonders der Otto Schmidt, sagte Mathilde.

Nein, mir ist Schafmcisters Heinrich lieber, entgegnete Julie.

Nun ja, weil der überhaupt so nett ist und dir Versteinerungen und
Vogeleier bringt.

Er bringt nur überhaupt alles, was ich will, prahlte die Gefeierte. Und,
Anton! herrliche Schlitterbahnen macht er uns im Winter!

Ich habe aber mit Kantors August verabredet, einen Ländler zu tanzen,
triumphirte Mathilde.

Herr Trakelberg empfand bei derartigen Unterhaltungen schmerzlich, daß
die Lust an dein eiteln und thörichten Treiben der Welt sich gar früh in den
jungen Herzen zu regen beginne. Er berief an dem Sonnabend, der dem Tanz-
fest voranging, seine kleine Herde ans sein Zimmer zu einem Stündlein ernster
Betrachtung. Wie groß der Nutzen war, den die jungen Seelen aus selbiger
zogen, muß dahingestellt bleiben.




Dreiundzwanzigstes Aapitel.

Die warme Morgenluft war erfüllt von dem Dufte der Sommerblumen,
unter denen Abel, der Gärtner, in der Sonntagsjacke cinherwandclte, um be¬
dächtig zwei schöne Sträußchen abzuschneiden, die er später ans die Gesang¬
bücher der Frau Hvfmarschallin und des gnädigen Fräuleins legen wollte. Heute
Abend zum Tauze, dachte er bei sich, mache ich dem Julchen und dem Mathildchcn
ein paar schöne Kränzchen, wie es sich für unsre Fräuleins schicken will. Dann
wandte er sich liebäugelnd nach einem mächtigen Busch dunkelroter Nelken, deren
köstlicher Blütenreichtnm sein größter Stolz war.

Da kam die gnädige Frau den Gartenweg herauf.

Guten Morgen, Abel, sagte sie freundlich. Ihr freut euch an euern schönen
Blumen?

Es ist auch ein herrlicher Morgen, der dazu verlockt.

Abel rückte die Mütze, 's Wetter bleibt auch so für heute, gnädige Fran.

Welche prachtvolle» Nelken! Das sind wohl besondre Lieblinge, Abel?


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[0044] Aus der Chronik derer von Riffelshausen. klugen nicht gern, wenn der lose Kleine, wie sie Valer nannte, seine Geschwister nach Trübensec begleitete, wogegen sie für den liebenswürdigen und bescheidnen Anton eine ausgesprochene Zuneigung faßte, Anton seinerseits teilte die Vorliebe der Geschwister für die Dorfkinder durchaus nicht. Die allerliebsten Manieren des gesitteten Lieschen Schefflingen waren ihm entschieden sympathischer, als die derbe Schlichtheit der jungen Siebenhofer. Ich kann mir nicht denken, daß die Jungens hier sehr nett tanzen, äußerte er gegen seine Schwestern, erhielt aber die beruhigende Ver¬ sicherung, daß dies doch der Fall sei. Besonders der Otto Schmidt, sagte Mathilde. Nein, mir ist Schafmcisters Heinrich lieber, entgegnete Julie. Nun ja, weil der überhaupt so nett ist und dir Versteinerungen und Vogeleier bringt. Er bringt nur überhaupt alles, was ich will, prahlte die Gefeierte. Und, Anton! herrliche Schlitterbahnen macht er uns im Winter! Ich habe aber mit Kantors August verabredet, einen Ländler zu tanzen, triumphirte Mathilde. Herr Trakelberg empfand bei derartigen Unterhaltungen schmerzlich, daß die Lust an dein eiteln und thörichten Treiben der Welt sich gar früh in den jungen Herzen zu regen beginne. Er berief an dem Sonnabend, der dem Tanz- fest voranging, seine kleine Herde ans sein Zimmer zu einem Stündlein ernster Betrachtung. Wie groß der Nutzen war, den die jungen Seelen aus selbiger zogen, muß dahingestellt bleiben. Dreiundzwanzigstes Aapitel. Die warme Morgenluft war erfüllt von dem Dufte der Sommerblumen, unter denen Abel, der Gärtner, in der Sonntagsjacke cinherwandclte, um be¬ dächtig zwei schöne Sträußchen abzuschneiden, die er später ans die Gesang¬ bücher der Frau Hvfmarschallin und des gnädigen Fräuleins legen wollte. Heute Abend zum Tauze, dachte er bei sich, mache ich dem Julchen und dem Mathildchcn ein paar schöne Kränzchen, wie es sich für unsre Fräuleins schicken will. Dann wandte er sich liebäugelnd nach einem mächtigen Busch dunkelroter Nelken, deren köstlicher Blütenreichtnm sein größter Stolz war. Da kam die gnädige Frau den Gartenweg herauf. Guten Morgen, Abel, sagte sie freundlich. Ihr freut euch an euern schönen Blumen? Es ist auch ein herrlicher Morgen, der dazu verlockt. Abel rückte die Mütze, 's Wetter bleibt auch so für heute, gnädige Fran. Welche prachtvolle» Nelken! Das sind wohl besondre Lieblinge, Abel?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/44>, abgerufen am 29.04.2024.