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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Zur,' Reform des juristischen Studiums.

welche zur Kräftigung der Kirche bestimmt sind, können in ihren letzten Folgen
in das Gegenteil ausschlagen und statt einer Stärkung des Kircheuregiiueuts
die Demokratisirnug und Revolutionirung der Kirche nach sich ziehen.




Zur Reform des juristischen Studiums.

.Val!ulur ot "Itsr". pu,r".

er die Literatur dieser nicht gerade jungen, seit Schmvllers An¬
regung aber von neuem auf die Tagesordnung gekommenen Frage
überblickt, wird mit einigem Erstaunen sinden, daß die Wortführer
der Reformbewegung fast durchgängig aus den Reihen der Pro¬
fessoren hervorgehen, während die Praktiker, deren Händen der
junge Nachwuchs nach Vollendung seines akademischen Trienniums zur weitern
Ausbildung überantwortet wird, sich in ein beharrliches Schweigen hüllen. Und
doch wird mau billigerweise zugestehen müssen, daß in der Jurisprudenz, die
nun einmal keine reine, sondern eine angewandte Wissenschaft ist und bleiben
muß, zur Beurteilung der Frage nach der Zweckmäßigkeit oder Zweckwidrigkeit
der Vorschriften über die Bildung ihrer zur praktischen Ausübung des Berufes
bestimmten Jünger derjenige, welcher selbst in der praktischen Thätigkeit steht
und die jüngern Genossen zu dieser heranzieht, mindestens ebenso berufen ist,
als die Lehrer der Universität. Dem Grunde des Schweigens nachzuforschen,
würde zu weit führen, großenteils wird es darauf zurückzuführen sein, daß auch
in den Kreisen der praktischen Juristen zwar das Gefühl der Reformbedürftigst
geteilt wird, über die Mittel zur Beseitigung der Mängel aber noch Unsicherheit
herrscht.

Bei diesem Schweigen ans der einen Seite darf es freilich nicht Wunder
nehmen, wenn die Wortführer der andern bei Blvßlegnng der bestehenden Mängel
und Erörterung der Ursachen derselben die Schuld an diesen von sich ganz und
gar abzuwälzen und der Gegenseite allein aufzubürden versuchen.

Den Höhepunkt dieser Richtung bezeichnet die Broschüre des Professors
v. Lißt i" Marburg: Die Reform des juristischen Studiums in Preußen (Berlin,
Guttcntag), welche die bei Beginn des diesjährigen Wintersemesters von dem
Verfasser gehaltene Rektoratsrede enthält. Den Kern seiner Erörterungen
bietet der den Schluß seines Vorwortes bildende Satz: "An dem Prüfungs¬
unwesen haben wir den Hebel anzusetzen. Das übrige mag man getrost uns
Professoren überlassen. Wenn unsre Studenten erst einmal etwas zu wissen
brauchen, dann werden wir es ihnen auch beizubringen verstehen."


Zur,' Reform des juristischen Studiums.

welche zur Kräftigung der Kirche bestimmt sind, können in ihren letzten Folgen
in das Gegenteil ausschlagen und statt einer Stärkung des Kircheuregiiueuts
die Demokratisirnug und Revolutionirung der Kirche nach sich ziehen.




Zur Reform des juristischen Studiums.

.Val!ulur ot »Itsr». pu,r».

er die Literatur dieser nicht gerade jungen, seit Schmvllers An¬
regung aber von neuem auf die Tagesordnung gekommenen Frage
überblickt, wird mit einigem Erstaunen sinden, daß die Wortführer
der Reformbewegung fast durchgängig aus den Reihen der Pro¬
fessoren hervorgehen, während die Praktiker, deren Händen der
junge Nachwuchs nach Vollendung seines akademischen Trienniums zur weitern
Ausbildung überantwortet wird, sich in ein beharrliches Schweigen hüllen. Und
doch wird mau billigerweise zugestehen müssen, daß in der Jurisprudenz, die
nun einmal keine reine, sondern eine angewandte Wissenschaft ist und bleiben
muß, zur Beurteilung der Frage nach der Zweckmäßigkeit oder Zweckwidrigkeit
der Vorschriften über die Bildung ihrer zur praktischen Ausübung des Berufes
bestimmten Jünger derjenige, welcher selbst in der praktischen Thätigkeit steht
und die jüngern Genossen zu dieser heranzieht, mindestens ebenso berufen ist,
als die Lehrer der Universität. Dem Grunde des Schweigens nachzuforschen,
würde zu weit führen, großenteils wird es darauf zurückzuführen sein, daß auch
in den Kreisen der praktischen Juristen zwar das Gefühl der Reformbedürftigst
geteilt wird, über die Mittel zur Beseitigung der Mängel aber noch Unsicherheit
herrscht.

Bei diesem Schweigen ans der einen Seite darf es freilich nicht Wunder
nehmen, wenn die Wortführer der andern bei Blvßlegnng der bestehenden Mängel
und Erörterung der Ursachen derselben die Schuld an diesen von sich ganz und
gar abzuwälzen und der Gegenseite allein aufzubürden versuchen.

Den Höhepunkt dieser Richtung bezeichnet die Broschüre des Professors
v. Lißt i» Marburg: Die Reform des juristischen Studiums in Preußen (Berlin,
Guttcntag), welche die bei Beginn des diesjährigen Wintersemesters von dem
Verfasser gehaltene Rektoratsrede enthält. Den Kern seiner Erörterungen
bietet der den Schluß seines Vorwortes bildende Satz: „An dem Prüfungs¬
unwesen haben wir den Hebel anzusetzen. Das übrige mag man getrost uns
Professoren überlassen. Wenn unsre Studenten erst einmal etwas zu wissen
brauchen, dann werden wir es ihnen auch beizubringen verstehen."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/466>, abgerufen am 29.04.2024.