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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Deutsche Literatur in Frankreich.

ewöhnlich nimmt man an, daß Frankreich erst durch die Schrift
der Frau von Stael über Deutschland einige Kenntnis von
unsrer Literatur erhalten habe. Diesem Irrtume siud sowohl
französische als auch deutsche Gelehrte in den letzten Jahren
entgegengetreten: 1876 bereits H. Brcitinger in einer Abhand¬
lung: "Die Vermittler des deutschen Geistes in Frankreich," dann R. Nosieres
in einem Aufsatze der Kevue xotit-iquö ot, IiMrg.ii'6 von 1883, ein Jahr später
Ch. Joret in einem Buche über die geistigen und literarischen Beziehungen
Deutschlands und Frankreichs, und endlich der Professor am Lyceum zu Metz,
Th. Süpfle, zuerst in einer Programmarbeit und jetzt in dem ersten Bande
eines größern Werkes über die Geschichte des deutschen Kultureinflusses in Frank¬
reich überhaupt.") Wir heben aus diesem Werke im nachfolgenden die Ab¬
schnitte hervor, welche sich mit den literarischen Beziehungen der beiden Länder
beschäftigen; sie bilden den weitaus größten Teil des vorliegenden Bandes.

Diese Beziehungen werden znerst im sechzehnten Jahrhundert deutlicher:
sowohl die gelehrte als auch die volkstümliche Literatur der Deutschen wurde
da jenseits des Rheines gelesen, übersetzt, bewundert und angegriffen. Seb. Brants
"Narrcnschiff," der "Teucrdauk," "Till Eulenspiegel" erfuhren Übersetzungen und
Nachahmungen. Auch des Trithemius ?<,l7grax1ii!l, Hutteus Satire Römo,
des Agrippa von Nettcsheim "Buch über die Ungewißheit und Eitelkeit der
Künste und Wissenschaften," des Erasmus Movmirmr Norme wurden ins Fran¬
zösische übersetzt oder von französischen Schriftstellern nachgeahmt. Im Jahre
1598 erschien das erste französische Faustbuch -- also elf Jahre nach dem ersten
deutschen -- unter dem Titel: 11i8t,viro praäi^ieuss se Ikimsill^bis an äootsnr
Z?M8et in-vo LS, mort, osxouvÄutMt). Iiü, on V8t inontrv, oomdisn est NÜ86-
r^l)1v in onrio8ito elvs i1In8ion8 vt lap08duro8 ac 1'L8prit irrÄi": on8sMll"z llr
oorruxtion Ah Lawn x"r 1up-uro8mo, oswnt oontraint ac dirs 1" vvritö. Leider
teilt uns Süpfle über das Verhältnis dieser Bearbeitung zu ihrer Vorlage wenig
mit, wir erfahren nur, daß sie während des folgenden Jahrhunderts wiederholt
neu aufgelegt wurde. Auch das Volksbuch vom ewigen Juden fand -- aller¬
dings erst im Jahre 1609 -- einen französischen Übersetzer.



*) Geschichte des deutschen Kultureinflusses aus Frnutreich, mit besonderer
Berücksichtigung der literarischen Einwirkung. Von Prof. or. Süpfle. Erster Band. Von
den ältesten germanischen Einflüssen bis auf die Zeit Klopstocks. Gotha, E. F. Thienemanus
Hofbuchhandlung, 1886.
Deutsche Literatur in Frankreich.

ewöhnlich nimmt man an, daß Frankreich erst durch die Schrift
der Frau von Stael über Deutschland einige Kenntnis von
unsrer Literatur erhalten habe. Diesem Irrtume siud sowohl
französische als auch deutsche Gelehrte in den letzten Jahren
entgegengetreten: 1876 bereits H. Brcitinger in einer Abhand¬
lung: „Die Vermittler des deutschen Geistes in Frankreich," dann R. Nosieres
in einem Aufsatze der Kevue xotit-iquö ot, IiMrg.ii'6 von 1883, ein Jahr später
Ch. Joret in einem Buche über die geistigen und literarischen Beziehungen
Deutschlands und Frankreichs, und endlich der Professor am Lyceum zu Metz,
Th. Süpfle, zuerst in einer Programmarbeit und jetzt in dem ersten Bande
eines größern Werkes über die Geschichte des deutschen Kultureinflusses in Frank¬
reich überhaupt.") Wir heben aus diesem Werke im nachfolgenden die Ab¬
schnitte hervor, welche sich mit den literarischen Beziehungen der beiden Länder
beschäftigen; sie bilden den weitaus größten Teil des vorliegenden Bandes.

Diese Beziehungen werden znerst im sechzehnten Jahrhundert deutlicher:
sowohl die gelehrte als auch die volkstümliche Literatur der Deutschen wurde
da jenseits des Rheines gelesen, übersetzt, bewundert und angegriffen. Seb. Brants
„Narrcnschiff," der „Teucrdauk," „Till Eulenspiegel" erfuhren Übersetzungen und
Nachahmungen. Auch des Trithemius ?<,l7grax1ii!l, Hutteus Satire Römo,
des Agrippa von Nettcsheim „Buch über die Ungewißheit und Eitelkeit der
Künste und Wissenschaften," des Erasmus Movmirmr Norme wurden ins Fran¬
zösische übersetzt oder von französischen Schriftstellern nachgeahmt. Im Jahre
1598 erschien das erste französische Faustbuch — also elf Jahre nach dem ersten
deutschen — unter dem Titel: 11i8t,viro praäi^ieuss se Ikimsill^bis an äootsnr
Z?M8et in-vo LS, mort, osxouvÄutMt). Iiü, on V8t inontrv, oomdisn est NÜ86-
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teilt uns Süpfle über das Verhältnis dieser Bearbeitung zu ihrer Vorlage wenig
mit, wir erfahren nur, daß sie während des folgenden Jahrhunderts wiederholt
neu aufgelegt wurde. Auch das Volksbuch vom ewigen Juden fand — aller¬
dings erst im Jahre 1609 — einen französischen Übersetzer.



*) Geschichte des deutschen Kultureinflusses aus Frnutreich, mit besonderer
Berücksichtigung der literarischen Einwirkung. Von Prof. or. Süpfle. Erster Band. Von
den ältesten germanischen Einflüssen bis auf die Zeit Klopstocks. Gotha, E. F. Thienemanus
Hofbuchhandlung, 1886.
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[0475] Deutsche Literatur in Frankreich. ewöhnlich nimmt man an, daß Frankreich erst durch die Schrift der Frau von Stael über Deutschland einige Kenntnis von unsrer Literatur erhalten habe. Diesem Irrtume siud sowohl französische als auch deutsche Gelehrte in den letzten Jahren entgegengetreten: 1876 bereits H. Brcitinger in einer Abhand¬ lung: „Die Vermittler des deutschen Geistes in Frankreich," dann R. Nosieres in einem Aufsatze der Kevue xotit-iquö ot, IiMrg.ii'6 von 1883, ein Jahr später Ch. Joret in einem Buche über die geistigen und literarischen Beziehungen Deutschlands und Frankreichs, und endlich der Professor am Lyceum zu Metz, Th. Süpfle, zuerst in einer Programmarbeit und jetzt in dem ersten Bande eines größern Werkes über die Geschichte des deutschen Kultureinflusses in Frank¬ reich überhaupt.") Wir heben aus diesem Werke im nachfolgenden die Ab¬ schnitte hervor, welche sich mit den literarischen Beziehungen der beiden Länder beschäftigen; sie bilden den weitaus größten Teil des vorliegenden Bandes. Diese Beziehungen werden znerst im sechzehnten Jahrhundert deutlicher: sowohl die gelehrte als auch die volkstümliche Literatur der Deutschen wurde da jenseits des Rheines gelesen, übersetzt, bewundert und angegriffen. Seb. Brants „Narrcnschiff," der „Teucrdauk," „Till Eulenspiegel" erfuhren Übersetzungen und Nachahmungen. Auch des Trithemius ?<,l7grax1ii!l, Hutteus Satire Römo, des Agrippa von Nettcsheim „Buch über die Ungewißheit und Eitelkeit der Künste und Wissenschaften," des Erasmus Movmirmr Norme wurden ins Fran¬ zösische übersetzt oder von französischen Schriftstellern nachgeahmt. Im Jahre 1598 erschien das erste französische Faustbuch — also elf Jahre nach dem ersten deutschen — unter dem Titel: 11i8t,viro praäi^ieuss se Ikimsill^bis an äootsnr Z?M8et in-vo LS, mort, osxouvÄutMt). Iiü, on V8t inontrv, oomdisn est NÜ86- r^l)1v in onrio8ito elvs i1In8ion8 vt lap08duro8 ac 1'L8prit irrÄi»: on8sMll«z llr oorruxtion Ah Lawn x»r 1up-uro8mo, oswnt oontraint ac dirs 1» vvritö. Leider teilt uns Süpfle über das Verhältnis dieser Bearbeitung zu ihrer Vorlage wenig mit, wir erfahren nur, daß sie während des folgenden Jahrhunderts wiederholt neu aufgelegt wurde. Auch das Volksbuch vom ewigen Juden fand — aller¬ dings erst im Jahre 1609 — einen französischen Übersetzer. *) Geschichte des deutschen Kultureinflusses aus Frnutreich, mit besonderer Berücksichtigung der literarischen Einwirkung. Von Prof. or. Süpfle. Erster Band. Von den ältesten germanischen Einflüssen bis auf die Zeit Klopstocks. Gotha, E. F. Thienemanus Hofbuchhandlung, 1886.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/475>, abgerufen am 29.04.2024.