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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Die Agitation für die größere Freiheit der evangelischen Kirche in Preußen,

es nach solchen und ähnlichen Mitteilungen, daß das Deutschtum auch in Prag,
wo überdies die große Stadt starke Anziehungskraft auf das slawische gemeine
Volk der Umgegend ausübt, eine ganz erhebliche Abnahme erkennen läßt und
weiteren Rückgang zu fürchten hat.




Die Agitation für die größere Freiheit der evangelischen
Kirche in Preußen.

s war vorauszusehen, daß die auf bessere Dotation und größere
Freiheit der evangelischen Kirche in Preußen gerichteten Anträge
des Herrn von Hammerstein und seiner Freunde viele Gemüter
nachhaltig erregen und zumal in der kammerloscn Jahreszeit die
Zeitungen füllen würden. Dies ist geschehen, und es bewährt sich
noch immer der Satz, daß selbst in unsern realistischen Zeiten diejenigen Frage"
am tiefsten interessiren, die irgendwie mit den idealen und ewigen Interesse"
zusanimcnhängen. Wir wollen darum fortfahren, mit dem Wichtigsten auf diesem
Gebiete unsre Leser in Verbindung zu erhalten.

Die Verbindung von zwei so verschiednen Wünschen, nach mehr Freiheit
und mehr Dotation, ist zwar wunderlich, aber doch begreiflich. Die Engländer
sprechen gern in einem Atem von 1it<zrt^ und xropsrt/, und das hat etwas für
sich. Die freie Bewegung einer Kirche wird, wie die des Individuums, von einer
pekuniären Selbständigkeit ohne Zweifel mächtig gefördert werden.

Eben diese größere Ausstattung der Kirche mit Geld, welche sehr wünschens¬
wert ist, und zwar eine Ausstattung dnrch deu preußischen Staat, ist derjenige
Teil der Agitation, der am meisten die Zustimmung der größern Kreise gefunden
hat. Er empfiehlt sich schon dnrch die ganz gewöhnliche Gerechtigkeit.

Wir besitzen darüber seit kurzem eine interessante Broschüre von einem
evangelischen Pfarrer auf dem Huusrück, Venter*) (Kirchberg). Sie ist uicht
in allem einzelnen gleich beglaubigt in ihren Zahlen. Aber das wesentliche ist
richtig und zeigt, daß die ganz positiven Versprechungen mehrerer Könige, die
evangelische Kirche des Landes für ihre großen Verluste zu entschädigen, nicht
oder fast garnicht erfüllt worden sind. Die Ministerien haben "offene Taschen"
gehabt für die römische Kirche, für die evangelische meist "verschlossene." Aller-



*) Das gute Recht der preußischen evangelischen Kirche aus Gewährung einer Dotation
vonseiten des Staates. (Essen, Bädeker, 1LL6.)
Die Agitation für die größere Freiheit der evangelischen Kirche in Preußen,

es nach solchen und ähnlichen Mitteilungen, daß das Deutschtum auch in Prag,
wo überdies die große Stadt starke Anziehungskraft auf das slawische gemeine
Volk der Umgegend ausübt, eine ganz erhebliche Abnahme erkennen läßt und
weiteren Rückgang zu fürchten hat.




Die Agitation für die größere Freiheit der evangelischen
Kirche in Preußen.

s war vorauszusehen, daß die auf bessere Dotation und größere
Freiheit der evangelischen Kirche in Preußen gerichteten Anträge
des Herrn von Hammerstein und seiner Freunde viele Gemüter
nachhaltig erregen und zumal in der kammerloscn Jahreszeit die
Zeitungen füllen würden. Dies ist geschehen, und es bewährt sich
noch immer der Satz, daß selbst in unsern realistischen Zeiten diejenigen Frage»
am tiefsten interessiren, die irgendwie mit den idealen und ewigen Interesse»
zusanimcnhängen. Wir wollen darum fortfahren, mit dem Wichtigsten auf diesem
Gebiete unsre Leser in Verbindung zu erhalten.

Die Verbindung von zwei so verschiednen Wünschen, nach mehr Freiheit
und mehr Dotation, ist zwar wunderlich, aber doch begreiflich. Die Engländer
sprechen gern in einem Atem von 1it<zrt^ und xropsrt/, und das hat etwas für
sich. Die freie Bewegung einer Kirche wird, wie die des Individuums, von einer
pekuniären Selbständigkeit ohne Zweifel mächtig gefördert werden.

Eben diese größere Ausstattung der Kirche mit Geld, welche sehr wünschens¬
wert ist, und zwar eine Ausstattung dnrch deu preußischen Staat, ist derjenige
Teil der Agitation, der am meisten die Zustimmung der größern Kreise gefunden
hat. Er empfiehlt sich schon dnrch die ganz gewöhnliche Gerechtigkeit.

Wir besitzen darüber seit kurzem eine interessante Broschüre von einem
evangelischen Pfarrer auf dem Huusrück, Venter*) (Kirchberg). Sie ist uicht
in allem einzelnen gleich beglaubigt in ihren Zahlen. Aber das wesentliche ist
richtig und zeigt, daß die ganz positiven Versprechungen mehrerer Könige, die
evangelische Kirche des Landes für ihre großen Verluste zu entschädigen, nicht
oder fast garnicht erfüllt worden sind. Die Ministerien haben „offene Taschen"
gehabt für die römische Kirche, für die evangelische meist „verschlossene." Aller-



*) Das gute Recht der preußischen evangelischen Kirche aus Gewährung einer Dotation
vonseiten des Staates. (Essen, Bädeker, 1LL6.)
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[0520] Die Agitation für die größere Freiheit der evangelischen Kirche in Preußen, es nach solchen und ähnlichen Mitteilungen, daß das Deutschtum auch in Prag, wo überdies die große Stadt starke Anziehungskraft auf das slawische gemeine Volk der Umgegend ausübt, eine ganz erhebliche Abnahme erkennen läßt und weiteren Rückgang zu fürchten hat. Die Agitation für die größere Freiheit der evangelischen Kirche in Preußen. s war vorauszusehen, daß die auf bessere Dotation und größere Freiheit der evangelischen Kirche in Preußen gerichteten Anträge des Herrn von Hammerstein und seiner Freunde viele Gemüter nachhaltig erregen und zumal in der kammerloscn Jahreszeit die Zeitungen füllen würden. Dies ist geschehen, und es bewährt sich noch immer der Satz, daß selbst in unsern realistischen Zeiten diejenigen Frage» am tiefsten interessiren, die irgendwie mit den idealen und ewigen Interesse» zusanimcnhängen. Wir wollen darum fortfahren, mit dem Wichtigsten auf diesem Gebiete unsre Leser in Verbindung zu erhalten. Die Verbindung von zwei so verschiednen Wünschen, nach mehr Freiheit und mehr Dotation, ist zwar wunderlich, aber doch begreiflich. Die Engländer sprechen gern in einem Atem von 1it<zrt^ und xropsrt/, und das hat etwas für sich. Die freie Bewegung einer Kirche wird, wie die des Individuums, von einer pekuniären Selbständigkeit ohne Zweifel mächtig gefördert werden. Eben diese größere Ausstattung der Kirche mit Geld, welche sehr wünschens¬ wert ist, und zwar eine Ausstattung dnrch deu preußischen Staat, ist derjenige Teil der Agitation, der am meisten die Zustimmung der größern Kreise gefunden hat. Er empfiehlt sich schon dnrch die ganz gewöhnliche Gerechtigkeit. Wir besitzen darüber seit kurzem eine interessante Broschüre von einem evangelischen Pfarrer auf dem Huusrück, Venter*) (Kirchberg). Sie ist uicht in allem einzelnen gleich beglaubigt in ihren Zahlen. Aber das wesentliche ist richtig und zeigt, daß die ganz positiven Versprechungen mehrerer Könige, die evangelische Kirche des Landes für ihre großen Verluste zu entschädigen, nicht oder fast garnicht erfüllt worden sind. Die Ministerien haben „offene Taschen" gehabt für die römische Kirche, für die evangelische meist „verschlossene." Aller- *) Das gute Recht der preußischen evangelischen Kirche aus Gewährung einer Dotation vonseiten des Staates. (Essen, Bädeker, 1LL6.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/520>, abgerufen am 21.09.2024.