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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Notizen.

Richter hatte sich in das Dunkel der Fensternische zurückgezogen und sah
von dort aus zu ihr hinüber. Wie gut sah sie aus, und wie reizend!

Jetzt sah auch Mathilde nach ihm hin und kam, um auch ihm zum Gruß
die Hand zu reichen. Er schien es nicht zu bemerken und verbeugte sich
schweigend. Enttäuscht und traurig ließ sie die Hand sinken.

Ihnen, Herr Pastor, bringe ich die besten Grüße von Frau von Scheff-
lingen und Lieschen.

Abermalige Verbeugung.

Und ich freue mich -- ihre Stimme wurde etwas unsicher --, sie Ihnen
heute schon ausrichten zu können. Ich scheine aber unter der Zeit ganz in
Vergessenheit geraten zu sein, fügte sie mit einem verunglückten Versuch zu
lächeln hinzu, da mir der Herr Pastor nicht einmal einen guten Abend
gönnen will.

Er fuhr auf: Will sie mich quälen? Arme Mathilde! Wie schlecht gelang es
ihr, die so weise ausgesonnene Freundschaft einzuleiten.

Gnädiges Fräulein, es beliebt Ihnen zu scherzen, sagte er hart.

Sie schüttelte den Kopf und wandte sich bekümmert ab. Dann meinte sie,
gegen den Onkel gewandt, sie wolle die Herren nicht länger stören, und dachte
immer nur: Was will er denn? was hab' ich denn gesagt, um diese Unfreund¬
lichkeit zu verdienen?

Riffelshansen sah sehr wohl, daß ihre Gedanken in der Fensternische ge¬
blieben waren, es war ihm garnicht recht.

Sie grüßte freundlich und verließ das Zimmer. Hinter ihr aber tönte
das Lob, welches der Siebenhofner Pfarrer ihr eifrig spendete.

Mathilde berichtete, als sie eine halbe Stunde später mit Onkel und Tante
am Theetisch saß, daß sie erst nach langem Kampfe die Erlaubnis der Frau
von Schefflingen zu der raschen Rückreise erhalten und jene wiederum es durch¬
gesetzt habe. Mathilden ihre Kammerfrau, die Heller, mitzugeben. Es that mir
sehr leid, sie beunruhigen zu müssen, sagte Mathilde schuldbewußt, aber ich
konnte es doch nicht länger aushalten, so, wie ich euch hier wußte -- nein,
Onkel, wahrhaftig nicht!

Mathilde trat mit Ernst und Eifer ihr Amt als Pflegerin an. Juliens
Genesung schritt sehr langsam vorwärts, sodaß der Winter im Siebenhofner
.^errenhcmse stiller als je verstrich. Valerian erkundigte sich brieflich aufs eif¬
rigste nach allseitigem Befinden, blieb jedoch, seinem Vorhaben getreu, in Erfurt
und lebte ausschließlich der Arbeit, wie er sich ausdrückte.

(Fortsetzung folgt.)




Notizen.

Gerichtskosten und Rechtscinwaltsgebühren. Nach Zeitungsmittcilnngen
ist dem Bundesrate der Entwurf eines Gesetzes betreffend die Abänderung von Be¬
stimmungen des Gerichtskvsteugesetzes und der Gebührenordnung für Rechtsnnwälte
zugegangen. Der Inhalt dieses Entwurfs beschränkt sich gegenüber dem Gerichts-
kostcngesch, das ja erst dnrch die Novelle vom 29. Juni 1381 zu Gunsten der
Rechtsuchenden abgeändert worden ist, auf einige wenige Aenderungen. Der


Notizen.

Richter hatte sich in das Dunkel der Fensternische zurückgezogen und sah
von dort aus zu ihr hinüber. Wie gut sah sie aus, und wie reizend!

Jetzt sah auch Mathilde nach ihm hin und kam, um auch ihm zum Gruß
die Hand zu reichen. Er schien es nicht zu bemerken und verbeugte sich
schweigend. Enttäuscht und traurig ließ sie die Hand sinken.

Ihnen, Herr Pastor, bringe ich die besten Grüße von Frau von Scheff-
lingen und Lieschen.

Abermalige Verbeugung.

Und ich freue mich — ihre Stimme wurde etwas unsicher —, sie Ihnen
heute schon ausrichten zu können. Ich scheine aber unter der Zeit ganz in
Vergessenheit geraten zu sein, fügte sie mit einem verunglückten Versuch zu
lächeln hinzu, da mir der Herr Pastor nicht einmal einen guten Abend
gönnen will.

Er fuhr auf: Will sie mich quälen? Arme Mathilde! Wie schlecht gelang es
ihr, die so weise ausgesonnene Freundschaft einzuleiten.

Gnädiges Fräulein, es beliebt Ihnen zu scherzen, sagte er hart.

Sie schüttelte den Kopf und wandte sich bekümmert ab. Dann meinte sie,
gegen den Onkel gewandt, sie wolle die Herren nicht länger stören, und dachte
immer nur: Was will er denn? was hab' ich denn gesagt, um diese Unfreund¬
lichkeit zu verdienen?

Riffelshansen sah sehr wohl, daß ihre Gedanken in der Fensternische ge¬
blieben waren, es war ihm garnicht recht.

Sie grüßte freundlich und verließ das Zimmer. Hinter ihr aber tönte
das Lob, welches der Siebenhofner Pfarrer ihr eifrig spendete.

Mathilde berichtete, als sie eine halbe Stunde später mit Onkel und Tante
am Theetisch saß, daß sie erst nach langem Kampfe die Erlaubnis der Frau
von Schefflingen zu der raschen Rückreise erhalten und jene wiederum es durch¬
gesetzt habe. Mathilden ihre Kammerfrau, die Heller, mitzugeben. Es that mir
sehr leid, sie beunruhigen zu müssen, sagte Mathilde schuldbewußt, aber ich
konnte es doch nicht länger aushalten, so, wie ich euch hier wußte — nein,
Onkel, wahrhaftig nicht!

Mathilde trat mit Ernst und Eifer ihr Amt als Pflegerin an. Juliens
Genesung schritt sehr langsam vorwärts, sodaß der Winter im Siebenhofner
.^errenhcmse stiller als je verstrich. Valerian erkundigte sich brieflich aufs eif¬
rigste nach allseitigem Befinden, blieb jedoch, seinem Vorhaben getreu, in Erfurt
und lebte ausschließlich der Arbeit, wie er sich ausdrückte.

(Fortsetzung folgt.)




Notizen.

Gerichtskosten und Rechtscinwaltsgebühren. Nach Zeitungsmittcilnngen
ist dem Bundesrate der Entwurf eines Gesetzes betreffend die Abänderung von Be¬
stimmungen des Gerichtskvsteugesetzes und der Gebührenordnung für Rechtsnnwälte
zugegangen. Der Inhalt dieses Entwurfs beschränkt sich gegenüber dem Gerichts-
kostcngesch, das ja erst dnrch die Novelle vom 29. Juni 1381 zu Gunsten der
Rechtsuchenden abgeändert worden ist, auf einige wenige Aenderungen. Der


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[0565] Notizen. Richter hatte sich in das Dunkel der Fensternische zurückgezogen und sah von dort aus zu ihr hinüber. Wie gut sah sie aus, und wie reizend! Jetzt sah auch Mathilde nach ihm hin und kam, um auch ihm zum Gruß die Hand zu reichen. Er schien es nicht zu bemerken und verbeugte sich schweigend. Enttäuscht und traurig ließ sie die Hand sinken. Ihnen, Herr Pastor, bringe ich die besten Grüße von Frau von Scheff- lingen und Lieschen. Abermalige Verbeugung. Und ich freue mich — ihre Stimme wurde etwas unsicher —, sie Ihnen heute schon ausrichten zu können. Ich scheine aber unter der Zeit ganz in Vergessenheit geraten zu sein, fügte sie mit einem verunglückten Versuch zu lächeln hinzu, da mir der Herr Pastor nicht einmal einen guten Abend gönnen will. Er fuhr auf: Will sie mich quälen? Arme Mathilde! Wie schlecht gelang es ihr, die so weise ausgesonnene Freundschaft einzuleiten. Gnädiges Fräulein, es beliebt Ihnen zu scherzen, sagte er hart. Sie schüttelte den Kopf und wandte sich bekümmert ab. Dann meinte sie, gegen den Onkel gewandt, sie wolle die Herren nicht länger stören, und dachte immer nur: Was will er denn? was hab' ich denn gesagt, um diese Unfreund¬ lichkeit zu verdienen? Riffelshansen sah sehr wohl, daß ihre Gedanken in der Fensternische ge¬ blieben waren, es war ihm garnicht recht. Sie grüßte freundlich und verließ das Zimmer. Hinter ihr aber tönte das Lob, welches der Siebenhofner Pfarrer ihr eifrig spendete. Mathilde berichtete, als sie eine halbe Stunde später mit Onkel und Tante am Theetisch saß, daß sie erst nach langem Kampfe die Erlaubnis der Frau von Schefflingen zu der raschen Rückreise erhalten und jene wiederum es durch¬ gesetzt habe. Mathilden ihre Kammerfrau, die Heller, mitzugeben. Es that mir sehr leid, sie beunruhigen zu müssen, sagte Mathilde schuldbewußt, aber ich konnte es doch nicht länger aushalten, so, wie ich euch hier wußte — nein, Onkel, wahrhaftig nicht! Mathilde trat mit Ernst und Eifer ihr Amt als Pflegerin an. Juliens Genesung schritt sehr langsam vorwärts, sodaß der Winter im Siebenhofner .^errenhcmse stiller als je verstrich. Valerian erkundigte sich brieflich aufs eif¬ rigste nach allseitigem Befinden, blieb jedoch, seinem Vorhaben getreu, in Erfurt und lebte ausschließlich der Arbeit, wie er sich ausdrückte. (Fortsetzung folgt.) Notizen. Gerichtskosten und Rechtscinwaltsgebühren. Nach Zeitungsmittcilnngen ist dem Bundesrate der Entwurf eines Gesetzes betreffend die Abänderung von Be¬ stimmungen des Gerichtskvsteugesetzes und der Gebührenordnung für Rechtsnnwälte zugegangen. Der Inhalt dieses Entwurfs beschränkt sich gegenüber dem Gerichts- kostcngesch, das ja erst dnrch die Novelle vom 29. Juni 1381 zu Gunsten der Rechtsuchenden abgeändert worden ist, auf einige wenige Aenderungen. Der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/565>, abgerufen am 29.04.2024.