Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite


Krieg und Industrie.

le im September d, I. von Freisinnigen und Ultrnmvntnneu unter
gefälliger Mitwirkung der Herren Sozialdemokraten in Szene
gesetzte Burleske "Krieg gegen Rußland!" hat ihren würdigen
Abschluß gefunden. Nachdem die Begeisterung, welche heldenmütig
Gut und Blut -- der andern für den Fürsten van Bulgarien
opfern wollte, ziemlich rasch verraucht war, hat sich, seitdem die Lage wirklich
ernst geworden zu sein scheint, der Gemüter der gewissen "Ncichsfreunde" eine
entschieden friedfertige Gesinnung bemächtigt. Der Zwischenfall war recht
beschämend, wird aber nicht der letzte seiner Art sein. Wie den grünen Jungen
in Pest jeder Anlaß recht ist, um sich unnütz zu macheu, so werden jene Herren
auch ferner nicht wählerisch sein, wenn sie glauben, dem Reiche Angelegenheiten
bereiten zu können; noch oft werden wir erleben, daß die bewährtesten Meister
der Staatskunst gemeistert werdeu, nicht von Lehrlingen, nein, von Laien, die
noch niemals ein Werkzeug in die Hand bekommen haben. Es würde sich daher
nicht verlohnen, auf den Fall zurückzukommen, wäre er nicht von einer ernst¬
haftem Erscheinung begleitet gewesen. Auch in Kreisen des Handels und der
Industrie wurde der Ruf nach Krieg laut. Da wollte man zwar uicht wegen
der schönen Angen des Prinzen vou Ballenberg und auch nicht aus Russenhaß
mobil machen; man wünschte den Krieg, gleichviel gegen wen, damit die stockenden
Geschäfte wieder in Fluß käme". Wer in jenen Tagen der Aufregung reiste,
begegnete solchem Verlangen da und dort, in Nord- und Süddeutschland wie in
Österreich, und die Haltung mancher Zeitungen, deren Abhängigkeit von Geld¬
instituten kein Geheimnis ist, stand damit in vollem Einklange. Nun ist es ja
verständlich, wenn ein Geschäftsmann spricht: Lieber wäre mir der Krieg als der
'


Kr.uzbvtcn IV. 1880. 71


Krieg und Industrie.

le im September d, I. von Freisinnigen und Ultrnmvntnneu unter
gefälliger Mitwirkung der Herren Sozialdemokraten in Szene
gesetzte Burleske „Krieg gegen Rußland!" hat ihren würdigen
Abschluß gefunden. Nachdem die Begeisterung, welche heldenmütig
Gut und Blut — der andern für den Fürsten van Bulgarien
opfern wollte, ziemlich rasch verraucht war, hat sich, seitdem die Lage wirklich
ernst geworden zu sein scheint, der Gemüter der gewissen „Ncichsfreunde" eine
entschieden friedfertige Gesinnung bemächtigt. Der Zwischenfall war recht
beschämend, wird aber nicht der letzte seiner Art sein. Wie den grünen Jungen
in Pest jeder Anlaß recht ist, um sich unnütz zu macheu, so werden jene Herren
auch ferner nicht wählerisch sein, wenn sie glauben, dem Reiche Angelegenheiten
bereiten zu können; noch oft werden wir erleben, daß die bewährtesten Meister
der Staatskunst gemeistert werdeu, nicht von Lehrlingen, nein, von Laien, die
noch niemals ein Werkzeug in die Hand bekommen haben. Es würde sich daher
nicht verlohnen, auf den Fall zurückzukommen, wäre er nicht von einer ernst¬
haftem Erscheinung begleitet gewesen. Auch in Kreisen des Handels und der
Industrie wurde der Ruf nach Krieg laut. Da wollte man zwar uicht wegen
der schönen Angen des Prinzen vou Ballenberg und auch nicht aus Russenhaß
mobil machen; man wünschte den Krieg, gleichviel gegen wen, damit die stockenden
Geschäfte wieder in Fluß käme». Wer in jenen Tagen der Aufregung reiste,
begegnete solchem Verlangen da und dort, in Nord- und Süddeutschland wie in
Österreich, und die Haltung mancher Zeitungen, deren Abhängigkeit von Geld¬
instituten kein Geheimnis ist, stand damit in vollem Einklange. Nun ist es ja
verständlich, wenn ein Geschäftsmann spricht: Lieber wäre mir der Krieg als der
'


Kr.uzbvtcn IV. 1880. 71
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0569" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/199923"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341843_199353/figures/grenzboten_341843_199353_199923_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Krieg und Industrie.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_2639" next="#ID_2640"> le im September d, I. von Freisinnigen und Ultrnmvntnneu unter<lb/>
gefälliger Mitwirkung der Herren Sozialdemokraten in Szene<lb/>
gesetzte Burleske &#x201E;Krieg gegen Rußland!" hat ihren würdigen<lb/>
Abschluß gefunden. Nachdem die Begeisterung, welche heldenmütig<lb/>
Gut und Blut &#x2014; der andern für den Fürsten van Bulgarien<lb/>
opfern wollte, ziemlich rasch verraucht war, hat sich, seitdem die Lage wirklich<lb/>
ernst geworden zu sein scheint, der Gemüter der gewissen &#x201E;Ncichsfreunde" eine<lb/>
entschieden friedfertige Gesinnung bemächtigt. Der Zwischenfall war recht<lb/>
beschämend, wird aber nicht der letzte seiner Art sein. Wie den grünen Jungen<lb/>
in Pest jeder Anlaß recht ist, um sich unnütz zu macheu, so werden jene Herren<lb/>
auch ferner nicht wählerisch sein, wenn sie glauben, dem Reiche Angelegenheiten<lb/>
bereiten zu können; noch oft werden wir erleben, daß die bewährtesten Meister<lb/>
der Staatskunst gemeistert werdeu, nicht von Lehrlingen, nein, von Laien, die<lb/>
noch niemals ein Werkzeug in die Hand bekommen haben. Es würde sich daher<lb/>
nicht verlohnen, auf den Fall zurückzukommen, wäre er nicht von einer ernst¬<lb/>
haftem Erscheinung begleitet gewesen. Auch in Kreisen des Handels und der<lb/>
Industrie wurde der Ruf nach Krieg laut. Da wollte man zwar uicht wegen<lb/>
der schönen Angen des Prinzen vou Ballenberg und auch nicht aus Russenhaß<lb/>
mobil machen; man wünschte den Krieg, gleichviel gegen wen, damit die stockenden<lb/>
Geschäfte wieder in Fluß käme». Wer in jenen Tagen der Aufregung reiste,<lb/>
begegnete solchem Verlangen da und dort, in Nord- und Süddeutschland wie in<lb/>
Österreich, und die Haltung mancher Zeitungen, deren Abhängigkeit von Geld¬<lb/>
instituten kein Geheimnis ist, stand damit in vollem Einklange. Nun ist es ja<lb/>
verständlich, wenn ein Geschäftsmann spricht: Lieber wäre mir der Krieg als der<lb/>
'</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Kr.uzbvtcn IV. 1880. 71</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0569] [Abbildung] Krieg und Industrie. le im September d, I. von Freisinnigen und Ultrnmvntnneu unter gefälliger Mitwirkung der Herren Sozialdemokraten in Szene gesetzte Burleske „Krieg gegen Rußland!" hat ihren würdigen Abschluß gefunden. Nachdem die Begeisterung, welche heldenmütig Gut und Blut — der andern für den Fürsten van Bulgarien opfern wollte, ziemlich rasch verraucht war, hat sich, seitdem die Lage wirklich ernst geworden zu sein scheint, der Gemüter der gewissen „Ncichsfreunde" eine entschieden friedfertige Gesinnung bemächtigt. Der Zwischenfall war recht beschämend, wird aber nicht der letzte seiner Art sein. Wie den grünen Jungen in Pest jeder Anlaß recht ist, um sich unnütz zu macheu, so werden jene Herren auch ferner nicht wählerisch sein, wenn sie glauben, dem Reiche Angelegenheiten bereiten zu können; noch oft werden wir erleben, daß die bewährtesten Meister der Staatskunst gemeistert werdeu, nicht von Lehrlingen, nein, von Laien, die noch niemals ein Werkzeug in die Hand bekommen haben. Es würde sich daher nicht verlohnen, auf den Fall zurückzukommen, wäre er nicht von einer ernst¬ haftem Erscheinung begleitet gewesen. Auch in Kreisen des Handels und der Industrie wurde der Ruf nach Krieg laut. Da wollte man zwar uicht wegen der schönen Angen des Prinzen vou Ballenberg und auch nicht aus Russenhaß mobil machen; man wünschte den Krieg, gleichviel gegen wen, damit die stockenden Geschäfte wieder in Fluß käme». Wer in jenen Tagen der Aufregung reiste, begegnete solchem Verlangen da und dort, in Nord- und Süddeutschland wie in Österreich, und die Haltung mancher Zeitungen, deren Abhängigkeit von Geld¬ instituten kein Geheimnis ist, stand damit in vollem Einklange. Nun ist es ja verständlich, wenn ein Geschäftsmann spricht: Lieber wäre mir der Krieg als der ' Kr.uzbvtcn IV. 1880. 71

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/569
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/569>, abgerufen am 29.04.2024.