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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Nochmals von unsern Gymnasien,

Es ist meine feste Überzeugung, daß eine Institution, die auf obigen
Grundsätzen beruhte, in kurzer Zeit ihren Einfluß zum Besten des Reiches und
der Stipendiaten selbst geltend machen würde; sie würde zu gleicher Zeit prak¬
tischen wie wissenschaftlichen Anforderungen gerecht werden. Möchte dieser Vor¬
schlag sein Scherflein dazu beitragen, der neuern Philologie einen Weg zu
bahnen, auf dem sie ohne Gefährdung der Interessen ihrer Augehörigen im
Auslande sich zum Vorteil des heimatlichen Unterrichtes und der Wissenschaft
segensreich weiter entwickeln und im Laufe der Zeit tüchtiges erreichen könnte.




Nochmals von unsern Gymnasien.

dem sehr beachtenswerten Aufsatze "Von unsern Gymnasien"
in Ur. 48 der Grenzboten S. 414 ff. ist am Schlüsse ein Ge-
danke angedeutet worden, welcher bei dein Kampfe um "klassische"
und "reale" Bildung, der jetzt auf der ganzen Linie täglich heftiger
entbrennt, weit mehr in den Vordergrund gestellt werden müßte,
als es gewöhnlich geschieht. Dieser Gedanke ist der, daß bei den Prüfungen zum
philologischen Staatsexamen nicht alles so steht, wie es stehen sollte.

Der Verfasser jenes Aufsatzes sucht aber das Unheil in einer falschen Richtung.
Er meint, daß bei den Staatsprüfungen gewöhnlich nur einige bestimmte Schrift¬
steller als bekannt vorausgesetzt würden, und daß sich so wie mittels eines
Naturgesetzes das Gesichtsfeld der für das Examen arbeitenden Masse in
demselben Grade verengere, wie die Traditionen der Prüfungskommission ihr
bekannt werden.

Wer die Art, wie die Staatsprüfungen für die Kandidaten des höhern
Schulamtes an unsern Universitäten gehandhabt werden, in der Stille beobachtet
hat, der weiß, daß bei den meisten Prüfungskommissionen in den letzten zehn
Jahren die Anforderungen bedeutend gesteigert worden sind, und zwar in
demselben Maße, wie die Masse der sich zum Examen drängenden Kandidaten
gewachsen ist. Damit ist auch der Kreis derjenigen Autoren größer geworden,
deren mehr oder weniger eingehende Bekanntschaft beim Examen verlangt wird.
Dazu kommt noch, daß vielfach neue Lehrstühle für klassische Philologie ein¬
gerichtet worden sind, und damit in der Regel auch die Zahl der Examinatoren
zugenommen hat. Diese wechseln gewöhnlich in einem bestimmten Turnus ab,
aber so, daß der Examinand erst kurz vor der Prüfung erführe, bei wem er
dieselbe abzulegen haben wird. Nun hat aber bekanntlich jeder Examinator


Nochmals von unsern Gymnasien,

Es ist meine feste Überzeugung, daß eine Institution, die auf obigen
Grundsätzen beruhte, in kurzer Zeit ihren Einfluß zum Besten des Reiches und
der Stipendiaten selbst geltend machen würde; sie würde zu gleicher Zeit prak¬
tischen wie wissenschaftlichen Anforderungen gerecht werden. Möchte dieser Vor¬
schlag sein Scherflein dazu beitragen, der neuern Philologie einen Weg zu
bahnen, auf dem sie ohne Gefährdung der Interessen ihrer Augehörigen im
Auslande sich zum Vorteil des heimatlichen Unterrichtes und der Wissenschaft
segensreich weiter entwickeln und im Laufe der Zeit tüchtiges erreichen könnte.




Nochmals von unsern Gymnasien.

dem sehr beachtenswerten Aufsatze „Von unsern Gymnasien"
in Ur. 48 der Grenzboten S. 414 ff. ist am Schlüsse ein Ge-
danke angedeutet worden, welcher bei dein Kampfe um „klassische"
und „reale" Bildung, der jetzt auf der ganzen Linie täglich heftiger
entbrennt, weit mehr in den Vordergrund gestellt werden müßte,
als es gewöhnlich geschieht. Dieser Gedanke ist der, daß bei den Prüfungen zum
philologischen Staatsexamen nicht alles so steht, wie es stehen sollte.

Der Verfasser jenes Aufsatzes sucht aber das Unheil in einer falschen Richtung.
Er meint, daß bei den Staatsprüfungen gewöhnlich nur einige bestimmte Schrift¬
steller als bekannt vorausgesetzt würden, und daß sich so wie mittels eines
Naturgesetzes das Gesichtsfeld der für das Examen arbeitenden Masse in
demselben Grade verengere, wie die Traditionen der Prüfungskommission ihr
bekannt werden.

Wer die Art, wie die Staatsprüfungen für die Kandidaten des höhern
Schulamtes an unsern Universitäten gehandhabt werden, in der Stille beobachtet
hat, der weiß, daß bei den meisten Prüfungskommissionen in den letzten zehn
Jahren die Anforderungen bedeutend gesteigert worden sind, und zwar in
demselben Maße, wie die Masse der sich zum Examen drängenden Kandidaten
gewachsen ist. Damit ist auch der Kreis derjenigen Autoren größer geworden,
deren mehr oder weniger eingehende Bekanntschaft beim Examen verlangt wird.
Dazu kommt noch, daß vielfach neue Lehrstühle für klassische Philologie ein¬
gerichtet worden sind, und damit in der Regel auch die Zahl der Examinatoren
zugenommen hat. Diese wechseln gewöhnlich in einem bestimmten Turnus ab,
aber so, daß der Examinand erst kurz vor der Prüfung erführe, bei wem er
dieselbe abzulegen haben wird. Nun hat aber bekanntlich jeder Examinator


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[0592] Nochmals von unsern Gymnasien, Es ist meine feste Überzeugung, daß eine Institution, die auf obigen Grundsätzen beruhte, in kurzer Zeit ihren Einfluß zum Besten des Reiches und der Stipendiaten selbst geltend machen würde; sie würde zu gleicher Zeit prak¬ tischen wie wissenschaftlichen Anforderungen gerecht werden. Möchte dieser Vor¬ schlag sein Scherflein dazu beitragen, der neuern Philologie einen Weg zu bahnen, auf dem sie ohne Gefährdung der Interessen ihrer Augehörigen im Auslande sich zum Vorteil des heimatlichen Unterrichtes und der Wissenschaft segensreich weiter entwickeln und im Laufe der Zeit tüchtiges erreichen könnte. Nochmals von unsern Gymnasien. dem sehr beachtenswerten Aufsatze „Von unsern Gymnasien" in Ur. 48 der Grenzboten S. 414 ff. ist am Schlüsse ein Ge- danke angedeutet worden, welcher bei dein Kampfe um „klassische" und „reale" Bildung, der jetzt auf der ganzen Linie täglich heftiger entbrennt, weit mehr in den Vordergrund gestellt werden müßte, als es gewöhnlich geschieht. Dieser Gedanke ist der, daß bei den Prüfungen zum philologischen Staatsexamen nicht alles so steht, wie es stehen sollte. Der Verfasser jenes Aufsatzes sucht aber das Unheil in einer falschen Richtung. Er meint, daß bei den Staatsprüfungen gewöhnlich nur einige bestimmte Schrift¬ steller als bekannt vorausgesetzt würden, und daß sich so wie mittels eines Naturgesetzes das Gesichtsfeld der für das Examen arbeitenden Masse in demselben Grade verengere, wie die Traditionen der Prüfungskommission ihr bekannt werden. Wer die Art, wie die Staatsprüfungen für die Kandidaten des höhern Schulamtes an unsern Universitäten gehandhabt werden, in der Stille beobachtet hat, der weiß, daß bei den meisten Prüfungskommissionen in den letzten zehn Jahren die Anforderungen bedeutend gesteigert worden sind, und zwar in demselben Maße, wie die Masse der sich zum Examen drängenden Kandidaten gewachsen ist. Damit ist auch der Kreis derjenigen Autoren größer geworden, deren mehr oder weniger eingehende Bekanntschaft beim Examen verlangt wird. Dazu kommt noch, daß vielfach neue Lehrstühle für klassische Philologie ein¬ gerichtet worden sind, und damit in der Regel auch die Zahl der Examinatoren zugenommen hat. Diese wechseln gewöhnlich in einem bestimmten Turnus ab, aber so, daß der Examinand erst kurz vor der Prüfung erführe, bei wem er dieselbe abzulegen haben wird. Nun hat aber bekanntlich jeder Examinator

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/592>, abgerufen am 30.04.2024.