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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Gymnasium treffen; die klassischen Studien werden immer mehr die Sympathien
der Gebildeten verlieren und immer mehr eingeschränkt werden, bis zu dem
schwedischen Standpunkte, wo sie in der Hauptsache fakultativ sind und in den
staatlichen Berechtigungen den realen und ncusprachlichen Fächern völlig gleich¬
stehen. Dann aber wird auch die Zahl der Philologiestudirenden in einer
solchen Weise abgenommen haben, daß eine Reihe von akademisch-philologischen
Lehrstühlen als überflüssig beseitigt werden wird. Die Professoren haben sich
dann selbst ihr Grab gegraben, und mit der Examenschrauberei ist es dann
auch vorbei.

Eine gründliche Reform der philologischen Staatsprüfung allein kann diese
Katastrophe verhindern, das Gymnasium in seiner jetzigen Stellung schützen und
dem Studium der Philologie den alten Zulauf auf die Dauer erhalten.

Die Professoren können aber nicht ans ihrer Haut fahren; von ihnen ist
eine durchgreifende Änderung nicht zu erwarten. Hier kann einzig und allein
die organisatorische Macht des Staates helfen, indem sie neben die rein wissen¬
schaftlichen Uuiversitätsdozeutcn bewährte praktische Schulmänner, Gymnasial-
direktoren oder Provinzialschulräte, in die Prüfungskommissionen setzt, und zwar
so, daß diese die gleiche Einwirkung ans das aufzustellende Zeugnis haben
wie jene.




Ungehaltene Reden eines Nichtgewählten.
20.

el der vorgerückten Stunde will ich Ihre Geduld nnr noch für
wenige Augenblicke in Anspruch nehmen. Bei der Besprechung
des Köllerschen Zirkulars an die Offiziere sind nämlich einige,
wesentliche Punkte unberührt geblieben, und die Sache hat Eile,
da der Termin des Zeitungsabonnements vor der Thür steht.
Meine Herren! In unserm Reiche wird eine solche Fülle von neuen, großen,
tiefen, geistreiche" Gedanken produzirt, daß sie unmöglich alle parlamentarisch
verwertet werden können. Leider tagen die Vertretnngskörper ja nur einen
Teil des Jahres, und von dieser ungenügenden Zeit wird uns noch soviel dnrch
die überflüssige,, Reden der offiziellen und der freiwilligen Regierungsvertreter
(links: Sehr gut!) weggenommen. Wohin nun mit dem Überfluß? Der Versuch,


Gymnasium treffen; die klassischen Studien werden immer mehr die Sympathien
der Gebildeten verlieren und immer mehr eingeschränkt werden, bis zu dem
schwedischen Standpunkte, wo sie in der Hauptsache fakultativ sind und in den
staatlichen Berechtigungen den realen und ncusprachlichen Fächern völlig gleich¬
stehen. Dann aber wird auch die Zahl der Philologiestudirenden in einer
solchen Weise abgenommen haben, daß eine Reihe von akademisch-philologischen
Lehrstühlen als überflüssig beseitigt werden wird. Die Professoren haben sich
dann selbst ihr Grab gegraben, und mit der Examenschrauberei ist es dann
auch vorbei.

Eine gründliche Reform der philologischen Staatsprüfung allein kann diese
Katastrophe verhindern, das Gymnasium in seiner jetzigen Stellung schützen und
dem Studium der Philologie den alten Zulauf auf die Dauer erhalten.

Die Professoren können aber nicht ans ihrer Haut fahren; von ihnen ist
eine durchgreifende Änderung nicht zu erwarten. Hier kann einzig und allein
die organisatorische Macht des Staates helfen, indem sie neben die rein wissen¬
schaftlichen Uuiversitätsdozeutcn bewährte praktische Schulmänner, Gymnasial-
direktoren oder Provinzialschulräte, in die Prüfungskommissionen setzt, und zwar
so, daß diese die gleiche Einwirkung ans das aufzustellende Zeugnis haben
wie jene.




Ungehaltene Reden eines Nichtgewählten.
20.

el der vorgerückten Stunde will ich Ihre Geduld nnr noch für
wenige Augenblicke in Anspruch nehmen. Bei der Besprechung
des Köllerschen Zirkulars an die Offiziere sind nämlich einige,
wesentliche Punkte unberührt geblieben, und die Sache hat Eile,
da der Termin des Zeitungsabonnements vor der Thür steht.
Meine Herren! In unserm Reiche wird eine solche Fülle von neuen, großen,
tiefen, geistreiche» Gedanken produzirt, daß sie unmöglich alle parlamentarisch
verwertet werden können. Leider tagen die Vertretnngskörper ja nur einen
Teil des Jahres, und von dieser ungenügenden Zeit wird uns noch soviel dnrch
die überflüssige,, Reden der offiziellen und der freiwilligen Regierungsvertreter
(links: Sehr gut!) weggenommen. Wohin nun mit dem Überfluß? Der Versuch,


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[0596] Gymnasium treffen; die klassischen Studien werden immer mehr die Sympathien der Gebildeten verlieren und immer mehr eingeschränkt werden, bis zu dem schwedischen Standpunkte, wo sie in der Hauptsache fakultativ sind und in den staatlichen Berechtigungen den realen und ncusprachlichen Fächern völlig gleich¬ stehen. Dann aber wird auch die Zahl der Philologiestudirenden in einer solchen Weise abgenommen haben, daß eine Reihe von akademisch-philologischen Lehrstühlen als überflüssig beseitigt werden wird. Die Professoren haben sich dann selbst ihr Grab gegraben, und mit der Examenschrauberei ist es dann auch vorbei. Eine gründliche Reform der philologischen Staatsprüfung allein kann diese Katastrophe verhindern, das Gymnasium in seiner jetzigen Stellung schützen und dem Studium der Philologie den alten Zulauf auf die Dauer erhalten. Die Professoren können aber nicht ans ihrer Haut fahren; von ihnen ist eine durchgreifende Änderung nicht zu erwarten. Hier kann einzig und allein die organisatorische Macht des Staates helfen, indem sie neben die rein wissen¬ schaftlichen Uuiversitätsdozeutcn bewährte praktische Schulmänner, Gymnasial- direktoren oder Provinzialschulräte, in die Prüfungskommissionen setzt, und zwar so, daß diese die gleiche Einwirkung ans das aufzustellende Zeugnis haben wie jene. Ungehaltene Reden eines Nichtgewählten. 20. el der vorgerückten Stunde will ich Ihre Geduld nnr noch für wenige Augenblicke in Anspruch nehmen. Bei der Besprechung des Köllerschen Zirkulars an die Offiziere sind nämlich einige, wesentliche Punkte unberührt geblieben, und die Sache hat Eile, da der Termin des Zeitungsabonnements vor der Thür steht. Meine Herren! In unserm Reiche wird eine solche Fülle von neuen, großen, tiefen, geistreiche» Gedanken produzirt, daß sie unmöglich alle parlamentarisch verwertet werden können. Leider tagen die Vertretnngskörper ja nur einen Teil des Jahres, und von dieser ungenügenden Zeit wird uns noch soviel dnrch die überflüssige,, Reden der offiziellen und der freiwilligen Regierungsvertreter (links: Sehr gut!) weggenommen. Wohin nun mit dem Überfluß? Der Versuch,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/596>, abgerufen am 21.09.2024.